07.08.2019

Räumungsanordnung und Wiedereinweisung in Obdachlosenunterkunft

Das Gericht befasste sich mit dem Anspruch auf Widereinweisung in eine Obdachlosenunterkunft mit dem Ergebnis, dass der gerichtliche Antrag hierzu abgewiesen wurde (VG München, Beschluss vom 03.07.2019, Az. M 22 E 19.2154).

Wiedereinweisung Obdachlosenunterkunft

Antrag auf Wiedereinweisung in Obdachlosenunterkunft abgelehnt

Die Ordnungsbehörde widerrief die bisherige Verlängerung einer ausgelaufenen Einweisung in eine Obdachlosenunterkunft. Die Antragstellerin beantragte im Prozesshilfeverfahren, die bisherige Einweisung in diese Unterkunft zu verlängern. Das Gericht lehnte den Antrag grundsätzlich ab.

Begründung zu einer einstweiligen Anordnung

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus sonstigen Gründen. Dabei hat der Antragsteller sowohl den (aus dem streitigen Rechtsverhältnis abgeleiteten) Anspruch, bezüglich dessen die vorläufige Regelung getroffen werden soll (Anordnungsanspruch), wie auch die Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Maßgeblich für die Beurteilung sind dabei die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

Hier keine Glaubhaftmachung des Anspruchs

Diese Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung liegen nach summarischer Prüfung (derzeit) nicht vor. Die Antragstellerin hat einen gegen die Antragsgegnerin gerichteten Anordnungsanspruch auf (vorläufige) Unterbringung zur Vermeidung von Obdachlosigkeit auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG sowie einen Anordnungsgrund nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

Darüber hinaus hat sich die Antragstellerin trotz Nachfrage des Gerichts nicht dazu eingelassen, ob sie in Ungarn über eine ihr und ihrem Sohn zumutbare Unterkunftsmöglichkeit verfügt. Sie hat daher auch insoweit nicht glaubhaft gemacht, dass sie hier wie andernorts über keine aus eigenen Mitteln zu erlangende Wohnmöglichkeit verfügt, mithin obdachlos ist.

Begriff der Obdachlosigkeit

Obdachlos im Sinne des Sicherheitsrechts ist derjenige, der ohne Unterkunft ist – also keine Möglichkeit hat, jederzeit eine Unterkunft, die ausreichend Schutz vor den Unbilden des Wetters bietet und Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse lässt, in Anspruch zu nehmen – und diese Situation auch nicht aus eigener Kraft beseitigen kann. Hiervon ist im Fall der Antragstellerin derzeit (noch) nicht auszugehen.

Anordnung ohne Anordnung der sofortigen Vollziehung und einer Zwangsmittelandrohung

Gegen die Antragstellerin ist eine Räumungsanordnung ergangen, die weder mit einer Zwangsmittelandrohung noch mit einer Anordnung der sofortigen Vollziehung versehen war. Die gegen die Räumungsanordnung von der Antragstellerin fristgemäß erhobene Anfechtungsklage entfaltet insoweit gemäß § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung, mit der Folge, dass die Antragsgegnerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens bzw. bis zu einer den Räumungsbescheid flankierenden Anordnung der sofortigen Vollziehung (unter erneuter Setzung einer angemessenen Räumungsfrist) gehindert ist, die Räumungsanordnung zu vollstrecken und die Antragstellerin und ihr Sohn folglich bis auf Weiteres in der Unterkunft verbleiben können.

Zum Anspruch auf Einweisung in die bisherige Unterkunft

Im Übrigen stünde der Antragstellerin selbst im Fall einer bestehenden Obdachlosigkeit, der die Antragsgegnerin durch Zurverfügungstellung einer Unterkunft abzuhelfen hätte, kein Anspruch auf die beantragte Einweisung in die bisherige Unterkunft zu. Die Obdachlosenbehörde verfügt bei der Auswahl unter den geeigneten Unterkünften über ein sehr weites Ermessen, das nur bei Vorliegen ganz besonderer – hier nicht ersichtlicher – Umstände eingeschränkt ist. Dementsprechend bestünde selbst im Fall bestehender Obdachlosigkeit kein Anspruch der Antragstellerin auf Einweisung oder Verbleib in einer bestimmten Unterkunft, sondern lediglich ein Anspruch auf Zurverfügungstellung einer dem einschlägigen Standard genügenden (Anschluss-)Unterbringung zu.

Der Beschluss ist abrufbar unter https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2019-N-13274?hl=true

Autor*in: Georg Huttner (Oberamtsrat a.D. Georg Huttner ist Autor für die Titel Ordnungsamts- und Gewerbeamtspraxis.)