07.09.2010

Obdachloseneinweisung – Gebührenbescheid – stillschweigende Verlängerung der Einweisung

Ein Gebührenbescheid für eine Obdachlosenunterkunft enthält eine stillschweigende (Verlängerung der) Einweisung/Zuweisung durch die zuständig Behörde. Teil-Widerruf bezüglich eines Zimmers in der Obdachlosenunterkunft (VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 19.01.2010, Az. 23 K 5036/08).

Bilder Akten

Die Eheleute mit drei Kindern wurden in eine Obdachlosenunterkunft zur Verhinderung drohender Obdachlosigkeit eingewiesen und lebten dort seit ca. 21 Jahren. Die Wohnung verfügte über ca. 66 m² Wohnfläche. Bei der Bezahlung der Benutzungsgebühren entstanden erhebliche Rückstände. Die Ordnungsbehörde drohte wiederholt mit einer Verringerung der zur Verfügung gestellten Wohnfläche. Nachdem zwei Kinder auszogen waren, bewohnten die Kläger im Jahre 2008 nur noch mit einem Sohn die Wohnung. Mit Verfügung vom 16.06.2008 widerrief die Ordnungsbehörde ihre Einweisung (aufgrund der Obdachlosensatzung) vom 12.11.1987 teilweise und forderte die Kläger auf, das Kinderzimmer bis zum 30.06.2008 zu räumen. Widrigenfalls wurde unmittelbarer Zwang angedroht und die sofortige Vollziehung der Verfügung angeordnet.

Begründet wurde die Verfügung auch damit, dass die Wohnung eine Wohnfläche aufweise, die weit über den ministeriellen Runderlassen (5 m² je obdachlose Person) liege. Verfügt wurde die Räumung des Kinderzimmers mit ca. 11 m². Angedroht wurde auch eine weitere Kürzung der Wohnfläche, soweit die Kläger nicht umgehend eine Aussage träfen, wie sie die rückständigen und laufenden Gebühren für die Unterkunft tilgen wollten. Zahlungen vom Sozialamt oder von der Wohngeldstelle seien nicht mehr zu verzeichnen, da die Kläger keine Folgeanträge mehr stellten. Eine Obdachlosenunterkunft diene nur der vorübergehenden Unterbringung. Nach nunmehr fast 21 Jahren tatsächlichen Wohnens in dieser Unterkunft könne dies nicht mehr länger geduldet werden. Aufforderungen, eine Wohnung außerhalb der Obdachlosenunterkunft anzumieten, seien nicht befolgt worden.

Die Kläger wendeten sich gegen die Verfügung beim Verwaltungsgericht erfolglos.

Entscheidungsgründe

  • Die angegriffene Ordnungsverfügung ist rechtmäßig.

  • Es ist davon auszugehen, dass die Einweisung stillschweigend verlängert wurde, da von den Klägern Benutzungsgebühren für die Unterkunft verlangt wurden, was eine Einweisung voraussetzt.

  • Der Teil-Widerruf der Einweisung ist rechtmäßig. Ein rechtmäßig begünstigender erlassener Verwaltungsakt darf ganz oder teilweise widerrufen werden, wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist (§ 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwVfG). Eine Rechtsvorschrift in diesem Sinn ist auch eine kommunale Satzung.

  • Der Teil-Widerruf steht im Ermessen der Behörde. Obdachlose haben ohnehin keinen Anspruch auf eine bestimmte Unterkunft, sondern ausschließlich ein Recht auf Unterbringung in einer geeigneten menschenwürdigen Unterkunft, welche vorübergehend Schutz vor den Unbilden des Wetters bietet und Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse löst.

  • Selbst die nach obdachlosenrechtlichen Maßstäben großzügig bemessene abgeschlossene Obdachlosenwohneinheit ist für drei Personen deutlich überdimensioniert.

  • Selbst bei einem Besuch eines Kindes kann das separate Wohnzimmer in Anspruch genommen werden. Ein Störungsausgleich kann durch die noch vorhandenen Zimmer ausgeglichen werden.

  • Die Unterkunft dient auch nur der Nutzung durch eingewiesene Personen, nicht durch besuchsweise anwesende Kinder.

  • Ein Gewohnheitsrecht bei derartigen Fällen gibt es nicht.

  • Es ist nicht nachvollziehbar, dass es nach dieser langen Einweisungszeit nicht möglich gewesen ist, eine preisgünstige Wohnmöglichkeit bewusst in Anspruch genommen zu haben. Versuche der Behörde sind stetes ins Leere gelaufen.

  • Die Behörde verfolgt hier aber auch noch einen anderen Zweck. Die Räume der Obdachlosenunterkünfte sollen zu Sanierungszwecken freigemacht werden.

  • Selbst, soweit die Behörde andere fremde Personen in die abgeschlossene Wohnung einweisen möchte, ist dies zumutbar – wie auch in Gemeinschaftsunterkünften, wo man im gleichen Raum schlafen muss.

  • Die Androhung des unmittlbaren Zwangs stellt sich als rechtmäßig dar. Es handelt sich hier um eine unvertretbare Handlung, ein angedrohtes Zwangsgeld als milderes Mittel hat vermutlich bei den wirtschaftlich schwachen Klägern sowieso keine Aussicht auf Erfolg.

Hinweis

Es ist dazu zu raten, einen derartigen Widerrufsvorbehalt in die örtliche Benutzungssatzung aufzunehmen. Weiter besteht die Möglichkeit, in der Einweisungsverfügung einen Widerrufsvorbehalt aufzunehmen. Sehen Sie hierzu § 49 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG (entsprechend Ihre landesrechtlichen Vorschriften).

Autor*in: WEKA Redaktion