11.03.2019

Dient die Obdachlosenunterbringung der wohnungsmäßigen Versorgung?

Die Obdachlosenfürsorge dient einer vorübergehenden Unterkunft einfacher Art und muss nicht allen Unterbringungs- und Sorgebedürfnissen der Obdach suchenden Person gerecht werden (VG München, Beschluss vom 28.01.2019, Az. M 22 E 18.3506).

Obdachlosenunterbringung wohnungsmäßige Versorgung

Anspruch auf gemeinsame kostenlose Unterbringung?

Der Antragsteller wird von der Antragsgegnerin seit der im Mai 2014 erfolgten Räumung seiner 1-Zimmer-Mietwohnung in städtischen Clearinghäusern und privaten Beherbergungsbetrieben obdachlosen- bzw. satzungsrechtlich untergebracht. Seither bewohnt er auf der Grundlage einer Unterbringungsverfügung ein Notquartier. Seine Frau, mit der der Antragsteller seinen Angaben zufolge nach islamischem Recht verheiratet ist, ist unterbrechungslos seit Jahren in einer anderen Unterkunft gemeldet. Obwohl das Fehlen eines Unterbringungsgesuchs ihrerseits im Rahmen diverser vom Antragsteller betriebener Gerichtsverfahren thematisiert wurde, hat seine Frau bei der Behörde bislang auch nicht um eine obdachlosenrechtliche Unterbringung nachgesucht.

Der Antrag auf gemeinsame kostenlose Unterbringung wurde vom VG München abgelehnt.

Keine Wohnungslosigkeit

Angesichts der Vorgänge ist weder die für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes erforderliche Dringlichkeit noch das für das Bestehen eines Anordnungsanspruchs erforderliche Fehlen einer Unterkunftsmöglichkeit vom Antragsteller hinreichend glaubhaft gemacht: Für eine Wohnungslosigkeit der Ehefrau liegen keinerlei Anhaltspunkte vor. Einer etwaig gegenüber dem Antragsteller bestehenden Verpflichtung auf obdachlosenrechtliche Unterbringung ist die Antragsgegnerin mit der Einweisung in die Notunterkunft bereits hinreichend nachgekommen. Seine Obdachlosigkeit ist damit hinreichend beseitigt.

Wohnungsmäßige Unterbringung Obdachloser gesetzlich nicht erforderlich

Eine darüber hinausgehende Unterbringung in einer Wohnung in einem einer besonderen Zweckbestimmung unterliegenden Clearinghaus kann der Antragsteller nicht verlangen, denn die Obdachlosenfürsorge dient nicht der „wohnungsmäßigen Versorgung“, sondern der Verschaffung einer vorübergehenden Unterkunft einfacher Art. Auch unter Berücksichtigung der humanitären Zielsetzung des Grundgesetzes ist es daher – bei Vorliegen der Voraussetzungen für ein sicherheitsrechtliches Einschreiten – ausreichend, wenn obdachlosen Personen eine Unterkunft zugewiesen wird, die vorrübergehend Schutz vor den Unbilden des Wetters bietet und Raum für die notwendigen Lebensbedürfnisse lässt. Ein Auswahlrecht unter mehreren diesen Voraussetzungen genügenden Unterkünften oder gar ein Anspruch der Obdach suchenden Person auf eine nach Lage, Größe oder sonstigen Kriterien bestimmte Unterkunft besteht grundsätzlich nicht.

Ermessen der Obdachlosenbehörde

Es liegt im sehr weiten Ermessen der Antragsgegnerin, wie sie den durch Obdachlosigkeit bewirkten Gefahren begegnen will. Die zugewiesene Unterkunft muss insbesondere nicht allen Unterbringungs- und Sorgebedürfnissen, die eine Person hat, gerecht werden. Obdachlose Personen müssen, weil ihre Unterbringung nur eine Notlösung sein kann, eine weitgehende Einschränkung ihrer Wohnansprüche hinnehmen, wobei die Grenze zumutbarer Einschränkungen dort liegt, wo die Anforderungen an eine menschenwürdige, das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit achtende Unterbringung nicht mehr eingehalten wird.

Gemessen an diesem Maßstab ist die dem Antragsteller gegenüber bisher ergangene Zuweisungsentscheidung durch die Antragsgegnerin nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte, aufgrund derer das weite Unterbringungsermessen der Beklagten vorliegend auf eine Unterbringung des Antragstellers (und von Ehefrau) in einer Wohnung in einem Clearinghaus reduziert wäre, sind unter keinem in Betracht kommenden Aspekt ersichtlich und wurden vom Antragsteller auch in Bezug auf seine aktuelle Unterkunft nicht vorgetragen.

Eigene Mittel Obdachloser

Angesichts der Höhe der Rentenbezüge des Antragstellers entbehrt insbesondere auch der Wunsch des Antragstellers nach einer kostenlosen Zurverfügungstellung einer Wohnung jeder Grundlage.

Hilfe des Sozialhilfeträgers

Dem Antragsteller bleibt es weiterhin unbenommen, sich – gegebenenfalls mit Unterstützung der Sozialleistungsträger – bei der Antragsgegnerin um die Berücksichtigung bei der Vergabe öffentlich geförderter, entgeltpflichtiger Wohnungen zu bemühen.

Hinweis

Im Beschluss wird auf mehrere Gerichtsentscheidungen zu diesem Thema hingewiesen.

Der Beschluss ist abrufbar unter http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-18897?hl=true

Autor*in: Georg Huttner (Oberamtsrat a.D. Georg Huttner ist Autor für die Titel Ordnungsamts- und Gewerbeamtspraxis.)