10.11.2017

Obdachlosenunterkunft: Einschränkung der Wohnansprüche?

In der Zuweisung einer neuen Obdachlosenunterkunft liegt zugleich die konkludente Beendigung der Unterbringung in der alten Obdachlosenunterkunft. Obdachlose Personen müssen, weil ihre Unterbringung nur eine Notlösung sein kann, eine weitgehende Einschränkung ihrer Wohnansprüche hinnehmen. Dabei liegt die Grenze zumutbarer Einschränkungen freilich dort, wo die Anforderungen an eine menschenwürdige, das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit achtende Unterbringung nicht mehr eingehalten sind (VG München, Beschluss vom 24.07.2017, Az. M 22 S 17.3263).

Obdachlosenunterkunft Wohnansprüche

Die Antragsgegnerin stellte den Antragstellern eine Unterkunft in einer Gaststätte zur Verfügung, um die Obdachlosigkeit der Antragsteller zu vermeiden, wies sie danach in eine Gemeinschaftsunterkunft ein und wegen Einlegung von Rechtsmitteln wiederum in eine andere Gemeinschaftsunterkunft, welche im Eilverfahren für eine fünfköpfige Familie als unzumutbar angesehen wurde.

Danach waren die Antragsteller wiederum in der ursprünglichen Gaststätte untergebracht, wobei die Antragsgegnerin hierfür keinen neuen Bescheid erließ. Die Behörde erließ folgend eine befristete Einweisungsverfügung in eine Gemeinschaftsunterkunft mit Anordnung der sofortigen Vollziehung.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Antragsteller Klage und auch, die aufschiebende Wirkung des Bescheids wiederherzustellen.

Das Verwaltungsgericht gab der Klage zwar Recht, aber dies nur aus formalen Gründen.

Entscheidungsgründe

  • Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist zulässig und auch in der Sache begründet. Der Bescheid der Behörde beinhaltet auch die Beendigung der Unterbringung in der Gaststätte. Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs erweist sich insoweit aber als unzureichend.
  • Der Behördenbescheid beinhaltet zum einen eine Regelung zur Beendigung der Unterbringung der Antragsteller in der bisherigen Gaststätte, zum anderen die Zuweisung bzw. Einweisung in eine Gemeinschaftsunterkunft.
    Bei der Zuweisung einer Obdachlosenwohnung handelt es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt. Die Antragsteller können von diesem Verwaltungsakt nach Belieben Gebrauch machen. Es besteht hingegen keine Pflicht, tatsächlich in die zur Verfügung gestellte Unterkunft einzuziehen und diese durch Anordnung zwangsweise durchzusetzen. Diesbezüglich kann der sofortige Vollzug nicht angeordnet werden.
  • In der Regelung zur Beendigung der Unterbringung in der Pension liegt hingegen eine eigenständige Belastung für die Antragsteller. Diesbezüglich besteht auch Raum für die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO, hier mit der möglichen Antragstellung auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.
  • Die Anordnung des Sofortvollzugs entspricht nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung i.S.d. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO und ist somit formell rechtwidrig. Die Behörde hat sich hier nicht hinreichend mit dem konkreten Einzelfall auseinandergesetzt. Zudem ist mangels Androhung von Zwangsmaßnahmen nicht ersichtlich, dass und wie die Anordnung überhaupt zwangsweise durchgesetzt werden könnte.
  • Die Behörde ist grundsätzlich nicht am Erlass eines neuen Bescheids mit rechtmäßiger Vollziehungsanordnung gehindert.
  • Vorliegend ist nach der gebotenen summarischen Prüfung nicht ersichtlich, dass die Gemeinschaftsunterkunft nicht den Mindestanforderungen, die an eine Obdachlosenunterkunft zu stellen sind, genügt. Auch steht der Behörde ein weites Ermessen bei der Auswahl an Möglichkeiten der Unterbringung von Obdachlosen zu. Besondere Umstände, die dieses Ermessen einschränken, sind vorliegend nicht ersichtlich.
Autor*in: Georg Huttner (Oberamtsrat a.D. Georg Huttner ist Autor für die Titel Ordnungsamts- und Gewerbeamtspraxis.)