08.01.2019

Kein Anspruch auf behindertengerechte Obdachlosenunterbringung

Problemlagen, die über die Gewährung eines vorübergehenden menschenwürdigen Obdachs hinausgehen – insbesondere auch die Erfüllung spezieller Unterbringungs- und Sorgeerfordernisse –, sind nicht von der Obdachlosenbehörde, sondern gegebenenfalls von den Sozialleistungsträgern, der zuständigen Kranken- oder Pflegeversicherung bzw. unter Umständen auch unter Einsetzung eines Betreuers zu bewältigen (VG München, Beschluss vom 15.11.2018, Az. M 22 E 18.3411).

behindertengerechte Obdachlosenunterbringung

Die Antragsteller begehren die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihnen im Rahmen der Obdachlosenfürsorge eine andere, den besonderen Bedürfnissen der Antragstellerin Rechnung tragende Unterkunft zuzuweisen.

Behindertengerechte Unterkunft

Die Antragsteller sind beide erheblich gehbehindert und benutzen Rollstühle.

Nach Räumung der bisher von den Antragstellern genutzten Unterkunft (einer nicht behindertengerecht ausgestatteten Ferienwohnung) wies die Antragsgegnerin den Antragstellern im Rahmen der Obdachlosenfürsorge eine Unterkunft in einer für diese Zwecke von der Antragsgegnerin unterhaltenen Wohncontaineranlage zu. Das Modul mit einer Gesamtfläche von ca. 16 m² ist mit einer Toilette, Strom, Heizung und Warmwasseranschluss ausgestattet. Den Antragstellern wurden weiter ein Kühlschrank und eine Kochplatte zur Verfügung gestellt. Der Zugang zu dem Modul wurde barrierefrei gestaltet und der Innenraum durch die Herausnahme einer Wand den Erfordernissen zum Befahren mit einem Rollstuhl angepasst.

Der vertretungsberechtigte Betreuer beantragte eine andere Unterkunft, die Unterkunft sei nicht menschenwürdig (mit Hinweis auf Erkrankungen der Antragsteller).

Ungeeigneter Betreuer?

Der Antragsteller hat sich im Verlauf des Verfahrens wiederholt an das Gericht gewandt und dabei sowohl zur Sache (benötigt würden Container in Rautenform) wie auch dazu vorgetragen, dass der bestellte Betreuer ungeeignet sei. Deshalb solle die Korrespondenz künftig über die Antragsteller abgewickelt werden. Das Amtsgericht lehnte den Betreuerwechsel ab.

Begehren der Antragsteller abgelehnt

Die Verfahrensführung obliegt alleine dem Betreuer, da dieser weiterhin bestellt ist. Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.

Aufgabe der Gefahrenabwehr

Die Antragsgegnerin hat als örtlich zuständige Sicherheitsbehörde die Aufgabe der Gefahrenabwehr. Hierzu zählt auch die Beseitigung einer unfreiwilligen Obdachlosigkeit. Aus dieser gesetzlichen Verpflichtung ergibt sich ein Anspruch des Betroffenen auf ermessenfehlerfreie Entscheidung über die Unterbringung durch die Behörde. Ein solcher Anspruch besteht allerdings nur, soweit und solange der Betroffene die Gefahr nicht selbst aus eigenen Kräften oder mit Hilfe der Sozialleistungsträger beheben kann.

Obdachlosenfürsorge: vorübergehende Unterkunft einfacher Art

Die von der Sicherheitsbehörde zu leistende Obdachlosenfürsorge dient dabei nicht der wohnungsmäßigen Versorgung – der Obdachlose hat also keinen Anspruch darauf, dass ihm die Obdachlosenbehörde eine Wohnung zur Verfügung stellt oder vermittelt –, sondern allein der Verschaffung lediglich einer vorübergehenden Unterkunft einfacher Art. Auch unter Berücksichtigung der humanitären Zielsetzung des Grundgesetzes ist es ausreichend, wenn obdachlosen Personen eine Unterkunft zugewiesen wird, die vorübergehend Schutz vor den Unbilden des Wetters bietet und Raum für die notwendigen Lebensbedürfnisse lässt. Obdachlose müssen, weil ihre Unterbringung nur eine Notlösung sein kann, daher eine weitgehende Einschränkung ihrer Wohnansprüche hinnehmen, wobei die Grenze der zumutbaren Einschränkungen dort liegt, wo die Anforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung nicht mehr eingehalten sind. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass Problemlagen, die über die Gewährung eines Obdachs, das Raum für die notwendigen Lebensbedürfnisse lässt, hinausgehen – insbesondere auch die Erfüllung spezieller Unterbringungs- und Sorgeerfordernisse –, nicht von der Obdachlosenbehörde, sondern gegebenenfalls von den Sozialleistungsträgern, der zuständigen Kranken- oder Pflegeversicherung bzw. unter Umständen auch unter Einsetzung eines Betreuers zu bewältigen wären.

Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht

Ein Anordnungsanpruch ist vorliegend schon deshalb nicht glaubhaft gemacht, weil es an einem hinreichenden Vortrag sowie Belegen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Antragsteller fehlt und im Hinblick auf zumutbare Selbsthilfebemühungen – zumal die Antragsteller mittlerweile auch einen Betreuer haben – nicht dargetan ist, dass diese tatsächlich (weiterhin) der Hilfe der Antragsgegnerin zur Abwehr der Obdachlosigkeit bedürfen.

Unabhängig hiervon ist ein Anordnungsanspruch aber jedenfalls deshalb nicht gegeben, weil das Begehren der Antragssteller auf eine Leistung abzielt, zu deren Erbringung die Antragsgegnerin im Rahmen der Obdachlosenfürsorge nicht verpflichtet ist.

Zugewiesene Obdachlosenunterkunft ist zumutbar

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass sich die zur Verfügung gestellte Unterkunft im Grundsatz für ein Ehepaar, das auf die Nutzung von Rollstühlen angewiesen ist, mit Blick auf die niedrigen Standards bei einer Obdachlosenunterbring noch als zumutbar darstellt.

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Autor*in: Georg Huttner (Oberamtsrat a.D. Georg Huttner ist Autor für die Titel Ordnungsamts- und Gewerbeamtspraxis.)