12.11.2018

Obdachlose Familie im Clearinghaus: Darf Unterkunft gekündigt werden?

Das VG München (Beschl. vom 06.08.2018, Az. M 22 S 18.3631) musste darüber befinden, ob Obdachlose in einen Clearinghaus befristet untergebracht werden dürfen und ihnen gekündigt sowie die Unterkunft geräumt werden darf.

Clearinghaus Obdachlosigkeit

Eine obdachlose Familie wurde befristet für 6 Monate in einem Clearinghaus aufgenommen. Weil innerhalb dieser Zeit keine andere Unterkunft gefunden wurde, verlängerte die Stadt den Aufenthalt um weitere 6 Monate. Nachdem sich auch in dieser Zeit keine annehmbare Wohnungsperspektive ergab, kündigte die Stadt und erließ einen Räumungsbescheid.

Die Familie klagte gegen den Räumungsbescheid vor dem VG München.

Was ist ein Clearinghaus?

Die Aufgabe eines Clearinghauses ist es,

  • akut wohnungslos gewordene Menschen vorübergehend aufzunehmen,
  • ihre Wohnungssituation und -perspektive abzuklären und
  • sie in geeignete Wohnformen zu vermitteln.

In Gesprächen mit Sozialarbeitern werden die Gründe aufgearbeitet, die zum Wohnungsverlust geführt haben, und realistische Wohnperspektiven gesucht, z.B. betreutes Wohnen, Aufenthalt in einer Suchtklinik, Finden einer Mietwohnung. Gleichzeitig erhalten die Obdachlosen Unterstützung durch die Ämter der Verwaltung hinsichtlich ihrer beruflichen, familiären, gesundheitlichen und finanziellen Situation.

Entscheidungsgründe

  • Ein Anspruch auf dauerhafte wohnungsmäßige Versorgung von Obdachlosen in einem Clearinghaus besteht nicht.
  • Die befristete Unterbringung von Obdachlosen in einem Clearinghaus ist nicht zu beanstanden.
  • Die nahtlose und schnelle Erarbeitung einer Wohnperspektive als wesentliche Zielsetzung der vorübergehenden Unterbringung im Clearinghaus erscheint im Fall der obdachlosen Familie nun nicht mehr möglich. Die Stadt hat daher der Familie eine weitere Verlängerung des Benutzungsverhältnisses nicht ermessensfehlerhaft bzw. willkürlich verweigert.
  • Die Stadt hat bei der Auswahl der Unterkunft einen weiten Ermessensspielraum. Daher hat der Obdachlose grundsätzlich keinen Anspruch auf Zuweisung einer bestimmten Unterkunft oder auf den Verbleib in dieser.
  • Ist er auch nach Auslaufen einer Zuweisung unverändert nicht in der Lage, seine Obdachlosigkeit aus eigener Kraft zu beseitigen, hat er lediglich Anspruch auf ein neuerliches Einschreiten der zuständigen Ordnungsbehörde, das in der erneuten Zuweisung einer anderen Unterkunft bestehen kann.
  • Ein Anspruch der Familie auf Verlängerung der Zuweisung und Verbleib in dieser Unterkunft ergibt sich weder aus dem Ordnungsrecht noch aus der Benutzungssatzung des Clearinghauses. Die Räumungsanordnung ist somit rechtmäßig ergangen.
  • Nach der Räumung der Unterkunft wird die Familie nicht wieder obdachlos, sondern in einer anderen Unterkunft untergebracht.

Unsere Meinung

Das Einrichten und der Betrieb eines Clearinghauses ist eine gute Idee, um der Obdachlosigkeit mit einem ganzeinheitlichen Ansatz zu begegnen und damit ihre meist verhaltensbedingten Gründe nachhaltig zu beseitigen. Weil Unterkünfte in Clearinghäusern nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen, ist es konsequent, die richtigen Schlüsse aus 12 Monate dauernden vergeblichen Bemühungen zu ziehen, gemeinsam eine Wohnperspektive zu entwickeln. So bedauerlich es ist, dass Menschen ohne Obdach sind, so erfreulich ist es andererseits, dass das Gericht der Verwaltung den Rücken gestärkt und ihre nachvollziehbare Verwaltungspraxis als rechtmäßig anerkannt hat.

Hinweis

Der Beschluss ist abrufbar unter http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-18897?hl=true

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)