05.04.2023

Erkrankung: Fristen bis zum letzten Tag ausschöpfen?

Verhindert eine Erkrankung am letzten Tag einer Frist das Einlegen eines Einspruchs, stellt sich die Frage, ob das Versäumen der Frist dem Betroffenen vorgehalten werden kann. Das BVerfG (Beschl. vom 14.02.2023, Az. 2 BvR 653/20) traf hierzu eine überzeugende Entscheidung.

Erkrankung Fristen

Erkrankung am Tag des Fristablaufs

Ein Betroffener erhielt einen Bußgeldbescheid und beschloss, Einspruch einzulegen. Am Tag des Fristablaufs erkrankte er und war nicht in der Lage, den beabsichtigten Einspruch einzulegen. Fünf Tage nach seiner Genesung holte er dies nach und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Sein Einspruch wurde mit der Begründung zurückgewiesen, er hätte den Einspruch vor seiner Krankheit einlegen können. Das AG schloss sich dieser Entscheidung an. Nach dem Ausschöpfen des Rechtswegs wandte sich der Betroffene an das Bundesverfassungsgericht.

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Vorwurf wegen Untätigkeit bis zum Tag vor dem Fristablauf unzulässig

Das Setzen von Fristen ist zulässig, um rechtliche Einwände gegen den Bescheid vorzubringen und Rechtsfrieden eintreten zu lassen, blieb das Gericht seiner bisherigen Linie treu. Diese Fristen dürfen auch bis zum letzten Tag in Anspruch genommen werden. Einem Betroffenen darf kein Vorwurf daraus gemacht werden, wenn er bis zum Tag vor dem Fristablauf nicht tätig geworden ist. Das Zurückweisen des Einspruchs hat den Einspruchsführer in seinen Rechten aus Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, befand das Gericht.

Das fehlerhafte Versagen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat seine effektive Rechtsverfolgung und damit die Möglichkeit, Einwände gegen den Bußgeldbescheid wirksam vorzubringen, verhindert.

Eine Woche Zeit zum Nachholen des Einspruchs

Auch dass der Betroffene erst fünf Tage nach seiner Genesung den Einspruch eingelegt hat, führt nicht zum Versagen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Nach § 52 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO muss einem Betroffenen eine Woche nach der schuldlosen Fristversäumnis eingeräumt werden, um den unterbliebenen Einspruch nachzuholen.

Ergebnis

Das BVerfG entschied, die Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des AG ist zulässig und offensichtlich begründet. Die Entscheidung des AG wurde aufgehoben und zur Neuentscheidung an das Gericht zurückverwiesen.

Hinweis

Für das Widerspruchsverfahren schreibt § 60 Abs. 2 VwGO vor, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen ist. Insoweit ist die Entscheidung des BVerfG im Widerspruchsverfahren entsprechend anzuwenden.

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Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)