05.12.2018

Ist ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid per E-Mail rechtens?

Die Einlegung des Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid wegen Missachtung eines Überholverbots per E-Mail ist zulässig, so das LG Mosbach (LG Mosbach, Beschluss vom 30.08.2018, Az. 1 Qs 22/18).

Einspruch gegen Bußgeldbescheid E-Mail

Die Bußgeldbehörde hatte gegen den Beschwerdeführer einen Bußgeldbescheid wegen Missachtung eines durch Zeichen 272 angeordneten Überholverbots erlassen und gegen ihn ein Bußgeld in Höhe von 70 Euro festgesetzt.

DOWNLOAD: Einspruch gegen Bußgeldbescheid
Wer ist einspruchsberechtigt und in welcher Form kann Einspruch eingelegt werden?

Unterhalb der nicht zu beanstandenden Rechtsbehelfsbelehrung enthält der Bußgeldbescheid den Hinweis, dass das Bußgeld online („ePayment only via this URL“) via PayPal, GiroPay oder Kreditkarte bezahlt werden könne; neben diesem Hinweis sind ein QR- und ein Giro-Code abgedruckt, die einen direkten Zugang zur Online-Bezahlplattform ermöglichen.

In der Fußzeile des Bußgeldbescheids heißt es abschließend: „Hinweis: Aus rechtlichen Gründen sind Rechtsmittel per E-Mail nicht zulässig.“

Der Bußgeldbescheid wurde dem Beschwerdeführer ausweislich zugestellt. Auch ein Beweisfoto wurde noch per E-Mail übersandt.

Per E-Mail, adressiert an die Sachbearbeiterin der Behörde, legte der Beschwerdeführer einen als solchen auch bezeichneten Einspruch ein. Daraufhin antwortete die Sachbearbeiterin dem Beschwerdeführer per E-Mail und führte unter anderem aus: „Ein per E-Mail eingelegter Einspruch kann nur dann als zulässig anerkannt werden, wenn dieser anschließend unverzüglich schriftlich mit eigenhändiger Unterschrift bestätigt wird.“

Der Beschwerdeführer legte dann per Brief erneut Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein, welcher jedoch erst nach Ende der Einspruchsfrist bei der Behörde einging.

Das Amtsgericht verwarf den Einspruch nach § 70 Abs. 1 OWiG als unzulässig und zur Begründung ausgeführt, der per E-Mail eingelegte Einspruch genüge nicht den Formvorschriften und der Einspruch per Schreiben sei erst nach Ablauf der Frist eingegangen.

Der Beschwerde hiergegen hat das Landgericht im Beschwerdeverfahren stattgegeben.

Entscheidungsgründe

  • Die Beschwerde des Betroffenen ist statthaft und auch sonst zulässig. Das Rechtsmittel hat Erfolg, denn der Beschwerdeführer hat mit seiner E-Mail form- und fristgerecht Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt.
    § 67 OWiG bestimmt, dass der Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid schriftlich oder zur Niederschrift bei der Verwaltungsbehörde, die den Bußgeldbescheid erlassen hat, zu erheben ist.
  • Das Formerfordernis der Schriftlichkeit ist nicht gleichzusetzen mit den Vorgaben des § 126 BGB; Formvorschriften des bürgerlichen Rechts sind wegen der Eigenständigkeit des Prozessrechts weder unmittelbar noch entsprechend auf Prozesshandlungen anzuwenden.
  • Das Gebot der Schriftlichkeit in § 67 OWiG soll sicherstellen, dass der Erklärungsinhalt und die Person, von welcher die Erklärung herrührt, hinreichend zuverlässig bestimmt werden können. Als das Gebot der Schriftform wahrend wurde bislang der Abdruck eines Faksimilestempels oder der Abdruck allein des maschinenschriftlichen Diktatzeichens eines Rechtsanwalts angesehen; auf eine eigenhändige Unterschrift kommt es deshalb bereits für die Wahrung der Schriftform nicht an, weil § 126 BGB keine Anwendung findet. Entscheidend ist daher allein, dass in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ersichtlich wird, von wem die Erklärung herrührt, ob sie endgültig gedacht war sowie ernstlich und willentlich in den Rechtsverkehr gebracht wurde.
  • Dem Gebot der schriftlichen Einspruchseinlegung i.S.d. § 67 OWiG ist auch dann Genüge getan, wenn der Einspruch per E-Mail übermittelt wird. Auch bei einer E-Mail kann die Verwaltungsbehörde erkennen, welche Erklärung abgegeben wird und von wem diese herrührt.
  • Für die Anforderungen an die Zugänglichkeit des Inhalts spielt es keine Rolle, ob der Einspruch per E-Mail, Telefax oder Telegramm eingeht. Ebenso wenig hängt von der Form der Übermittlung ab, mit welcher Deutlichkeit die Person des Erklärenden aus dem Schriftsatz hervorgeht. Den Erklärenden bestimmt vor allem der zu Beginn oder am Ende des Schriftsatzes mitgeteilte Name. Diese Mitteilung enthält ein per E-Mail übertragenes Dokument genauso wie ein gefaxter oder telegrafierter Schriftsatz.
  • Das Schriftformgebot, wie es in § 67 OWiG normiert ist, ist ein dem Fortschritt der Technik zugänglicher und insoweit offener Begriff, der seit langer Zeit durch richterliche Rechtsfortbildung den technischen Möglichkeiten der jeweiligen Zeit angepasst und ergänzend ausgelegt wurde. Mit Fortschritt und Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten der Fernkommunikation hat die Rechtsprechung bislang anerkannt, dass auch eine Einlegung per Depesche, per Telegramm (dieses kann auch nur fernmündlich aufgegeben werden), per Telefax und Computerfax, ja sogar die nur elektronisch gespeicherte Sendung dem Gebot der Schriftlichkeit genügt.
  • Das Argument, dass eine E-Mail auch Missbrauchsmöglichkeiten eröffnet, die Identität des Erklärenden erschlichen oder missbräuchlich genutzt werden könne und E-Mail-Adressen sehr oft nicht den Klarnamen enthalten, kann nicht überzeugen. Die besonderen technischen Risiken eines Kommunikationsmittels dürfen nicht generell dem Bürger angelastet werden. Das Risiko, dass die als Erklärender ausgewiesene Person in Wahrheit überhaupt keine Erklärung abgegeben hat, mithin ein Missbrauch durch einen Dritten vorliegt, besteht unabhängig von der Übermittlungsform. Die Nutzung einer Fantasie-E-Mail-Adresse führt auch zu keiner anderen Bewertung, denn nicht der Absender, sondern der Erklärende muss aus der Erklärung ersichtlich sein. Das Übermittlungsrisiko sowie das Risiko von Missverständnissen fallen dem Betroffenen, wie auch bei den anderen Übersendungsarten, anheim.
  • Der gerichtlichen Gegenmeinung, die ausführt, dass es keinen Anlass dafür gebe, eine Einspruchseinlegung per E-Mail zuzulassen, kann nicht gefolgt werden. Ausschlaggebend kann schon nicht sein, ob die Verwaltungsbehörde auf ihrem Bußgeldbescheid eine E-Mail-Adresse abdruckt oder nicht, sondern ob durch die Einspruchseinlegung per E-Mail für die Verwaltungsbehörde der Erklärungsinhalt und die Person des Erklärenden zuverlässig bestimmt werden können. Es gilt vielmehr, dass durch den Abdruck einer E-Mail-Adresse, wie im vorliegenden Fall gegeben, die Verwaltungsbehörde in ihrem Bußgeldbescheid zu erkennen gibt, dass sie diese Form der Kommunikation nutzt und Erklärungen hierüber entgegennimmt.
  • Dass die Bußgeldbehörde in der Fußzeile des Bußgeldbescheids den Hinweis erteilt hat, dass Rechtsmittel per E-Mail nicht zulässig seien, kann an der formwirksamen Einspruchseinlegung nichts ändern. Eine einseitige Beschränkung des E-Mail-Verkehrs durch die Verwaltungsbehörde dahingehend, dass bestimmte Anträge nicht per E-Mail übermittelt werden dürfen, ist rechtlich nicht anerkennenswert, denn die Verwaltungsbehörde kann nicht einseitig bestimmen, wenn sie, wie im vorliegenden Fall, einen E-Mail-Verkehr eröffnet und zudem mit dem Beschwerdeführer per E-Mail korrespondiert, welche Erklärungen per E-Mail sie als verbindlich und welche als unverbindlich ansieht. Wenn die Verwaltungsbehörde die Zahlung eines Bußgelds – bürgerfreundlich – via PayPal, GiroPay oder Kreditkarte zulässt und zur Zahlungsvereinfachung und -erleichterung auf den Bußgeldbescheid einen QR- und einen Giro-Code abdruckt, zeigt sich, dass die Verwaltungsbehörde die neuesten technischen Möglichkeiten einsetzt und nutzt. Dass allein die Einspruchseinlegung per E-Mail durch die Verwaltungsbehörde als nicht zulässig bezeichnet wird und die Sachbearbeiterin dem Beschwerdeführer noch dazu per E-Mail – entgegen der Rechtsprechung – mitteilt, sein Einspruch per E-Mail sei nur dann zulässig, wenn dieser unverzüglich schriftlich mit eigenhändiger Unterschrift bestätigt werde, stellt einen Anachronismus dar, der von dem Erfordernis der Schriftlichkeit der Einspruchseinlegung nicht mehr gedeckt ist.

Hinweis

Der Beschluss ist abrufbar unter https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Text=1%20Qs%2022/18

Autor*in: Georg Huttner (Oberamtsrat a.D. Georg Huttner ist Autor für die Titel Ordnungsamts- und Gewerbeamtspraxis.)