05.03.2015

Bußgeldbescheid auf Weisung

Das Ordnungsamt einer hessischen Stadt wurde von der Aufsichtsbehörde angewiesen, gegen eine Werbetafel mit barbusigen Frauen vorzugehen und einen Bußgeldbescheid zu erlassen. Dieser Fall wirft die Frage auf, ob den Verwaltungsbehörden in Bußgeldangelegenheiten Weisungen im Einzelfall erteilt werden dürfen.

Strafzettel

Der Fall

Eine Werbetafel mit barbusigen Frauen war der Aufsichtsbehörde einer Stadt in Hessen ein Dorn im Auge. Mit der Werbetafel wird für eine Erotikseite im Internet und für einen FKK-Club geworben, in dem der Prostitution nachgegangen wird. Die Aufsichtsbehörde wies das Ordnungsamt der Stadt an, gegen den Betreiber der Erotikseite und des FKK-Clubs einen Bußgeldbescheid zu erlassen. Die Stadt kam der Weisung nach und erließ einen Bußgeldbescheid über 300 Euro. Der Beschuldigte erhob Einspruch.

Werbeplakat mit halbnackten Frauen
Dieses Plakat brachte den Fall ins Rollen: Handelt es sich um erlaubnispflichtiges Schaustellen von Personen?

Die Gerichtsentscheidung

  • Nach § 120 Abs. 1 OWiG handelt ordnungswidrig, wer „… durch Verbreiten von Schriften, Ton- oder Bildträgern, Datenspeichern, Abbildungen oder Darstellungen Gelegenheit zu entgeltlichen sexuellen Handlungen anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekannt gibt.“
  • Der Bußgeldbescheid der Stadt gab seine Rechtsgrundlage an, begründete aber nicht, warum der Tatbestand in diesem Fall erfüllt sein sollte.
  • Das Amtsgericht Kassel bezog sich auf den Bundesgerichtshof (BGH), nach dessen Auffassung Werbeverbote nach § 120 Abs. 1 OWiG auf die Fälle zu beschränken sind, in denen eine konkrete Beeinträchtigung von Rechtsgütern der Allgemeinheit, insbesondere des Jugendschutzes, eintritt.
  • Weil die Stadt das nicht nachgewiesen hatte, sah das AG in der Werbetafel keinen Verstoß gegen § 120 Abs. 1 OWiG und hielt eine weitere Sachverhaltsaufklärung für nicht erforderlich.
  • Der Betreiber des FKK-Clubs wurde vom Tatvorwurf freigesprochen.

Dürfen Aufsichtsbehörden Weisungen im Einzelfall erteilen?

  • Das Einleiten eines Bußgeldverfahrens liegt im Ermessen der Verwaltungsbehörde (§ 47 OWiG).
  • Die Fachaufsichtsbehörde kann der Verwaltungsbehörde Weisungen erteilen, ob ein Bußgeldverfahren von ihr einzuleiten ist oder nicht.
  • Hält der Leiter der Verwaltungsbehörde die Weisung für rechtswidrig, kann er nach beamtenrechtlichen Vorschriften eine Gegenvorstellung abgeben. Bestätigt die vorgesetzte Behörde ihre Auffassung, ist der Leiter der Verwaltungsbehörde von der Verantwortung für das verlangte Handeln befreit.
  • Ist der Leiter der Verwaltungsbehörde von der Unschuld des Betroffenen überzeugt und leitet er trotzdem ein Bußgeldverfahren ein, begeht er selbst eine Straftat (Verfolgung Unschuldiger, § 344 Abs. 2 Satz 2 StGB). Das Strafmaß beträgt drei Monate bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe.

Auswirkungen auf die Verwaltungspraxis

Es gehört schon viel Mut dazu, der Weisung einer vorgesetzten Behörde zu widersprechen. Bedenken Sie aber, dass Sie sich selbst dem Verdacht einer Straftat aussetzen, wenn Sie gegen Ihre Überzeugung ein Bußgeldverfahren eröffnen. Beamte wandeln nicht nur auf einem dünnen Seil, sondern gleich auf zweien: Meist zieht ein Strafverfahren auch ein Disziplinarverfahren nach sich. Hierbei sind die Dienstherren und Disziplinarkammern im Regelfall nicht zimperlich, um der Öffentlichkeit zu demonstrieren, wie mit schwarzen Schafen umgegangen wird.

Die Mitarbeiter der Stadt haben sich für einen Mittelweg entschieden, der die Fachaufsicht trotzdem alt aussehen lässt: Sie betrieben das Verfahren nur halbherzig und begründeten ihren Bußgeldbescheid nicht. Leidtragende dieser Handlungsalternative waren die ohnehin verstopfte Gerichtsbarkeit und die Staatskasse, die die Kosten des Verfahrens und somit auch die des Beschuldigten zu übernehmen hat.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)