08.04.2019

Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid per E-Mail ist nicht zulässig

Das Landgericht Tübingen hat klargestellt, dass im Bußgeldverfahren ein Einspruch gegen den Bescheid per E-Mail nicht den Erfordernissen der Gesetzeslage entspricht (LG Tübingen, Beschluss vom 28.01.2019, Az. 9 Qs 6/19).

Einspruch Bußgeld E-Mail

Bußgeldbescheid und Einspruch

Mit Bußgeldbescheid wurde gegen den Betroffenen wegen Geschwindigkeitsüberschreitung am 13.06.2018 eine Geldbuße in Höhe von 108,50 Euro verhängt. Der Bescheid wurde dem Betroffenen am 24.07.2018 zugestellt. Hiergegen legte der Betroffene am 06.08.2018 per E-Mail Einspruch ein. Mit Schreiben vom 13.08.2018 wies die Stadt Reutlingen den Betroffenen darauf hin, dass der Einspruch per E-Mail nicht formwirksam war, und forderte ihn dazu auf, bis spätestens zum 23.08.2018 einen formgerechten Einspruch einzulegen. In ihrem Schreiben führte die Bußgeldbehörde weiterhin aus, dass andernfalls der Einspruch nicht gewertet und die Einwände des Betroffenen nicht berücksichtigt werden. Am 10.10.2018 legitimierte sich Herr Rechtsanwalt pp. für den Betroffenen und legte nunmehr vorsorglich erneut Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein. Mit Beschluss vom 20.12.2018 hat das Amtsgericht, an welches das Verfahren abgegeben wurde, den Einspruch des Betroffenen als unzulässig verworfen.

Die Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts wurde vom Landgericht als unbegründet verworfen.

Einspruch war verspätet

Zutreffend geht das Amtsgericht davon aus, dass der Einspruch vom 10.10.2018 verspätet war. Die zweiwöchige Frist sowie die durch die Bußgeldbehörde nachträglich eingeräumte Frist zum 23.08.2018 waren bereits abgelaufen.

Einspruch per E-Mail entspricht nicht gesetzlicher Erfordernis

Der Einspruch vom 06.08.2018 war wegen Verstoßes gegen das Formerfordernis nach § 67 Abs. 1 Satz 1 OWiG unwirksam. § 67 Abs. 1 Satz 1 OWiG sieht vor, dass der Einspruch schriftlich oder zur Niederschrift bei der Verwaltungsbehörde, die den Bußgeldbescheid erlassen hat, eingelegt werden kann. Hierfür genügt die Einlegung per E-Mail nicht.

Übergangsregelung des Landesgesetzgebers

Mit Verordnung der Landesregierung zur Übergangsregelung zum Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs und zur Änderung der Subdelegationsverordnung Justiz vom 05.12.2017 wird geregelt, dass § 110a OWiG in der am 31.12.2017 geltenden Fassung bis zum 31.12.2018 weiter Anwendung findet. Nach § 110a Abs. 1 Satz 1 OWiG in der bis zum 31.12.2018 in Baden-Württemberg geltenden Fassung können an die Behörde oder das Gericht gerichtete Erklärungen, Anträge oder deren Begründung, die nach diesem Gesetz ausdrücklich schriftlich abzufassen sind, als elektronisches Dokument eingereicht werden, wenn dieses mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist oder anstelle der Übermittlung eines elektronischen Dokuments mit einer qualifizierten elektronischen Signatur die Übermittlung auch auf einem sicheren Übermittlungsweg erfolgen kann.

Die Verordnung des Justizministeriums über den elektronischen Rechtsverkehr in Baden-Württemberg (Landes-Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – LERVVO) vom 21.03.2018 (gültig bis 31.12.2018) regelt in § 7, dass anstelle der Übermittlung eines elektronischen Dokuments mit einer qualifizierten elektronischen Signatur die Übermittlung auch auf einem sicheren Übermittlungsweg erfolgen kann.

Eine einfache E-Mail genügt diesen Formerfordernissen nicht.

Sinn und Zweck des Formerfordernisses

Sinn und Zweck des Formerfordernisses in § 67 OWiG ist es, zu gewährleisten, dass der Erklärungsinhalt dem konkreten Absender zugeordnet werden kann und sein Erklärungswille klar hervortritt. Eine E-Mail identifiziert den Absender nicht ausreichend, weshalb hier die besondere Missbrauchsanfälligkeit erhebliche Sicherheitsbedenken gegen die Zulässigkeit des Einspruchs per E-Mail aufkommen lässt.

Hinweis der Bußgeldbehörde zur Rechtsbehelfsbelehrung nicht zu beanstanden

Auch hat die Bußgeldbehörde vorliegend durch die Angabe ihrer E-Mail-Adresse im Briefkopf keine zusätzliche Form der Rechtsbehelfseinlegung geschaffen. Im Gegenteil wird in der Rechtsbehelfsbelehrung auf das Formerfordernis „schriftlich bzw. zur Niederschrift bei der oben genannten Behörde“ hingewiesen. Jedenfalls gab die Bußgeldbehörde dem Betroffenen mit ihrem Schreiben vom 13.08.2018 unmissverständlich zu verstehen, dass sein per E-Mail eingelegter Einspruch nicht wirksam war, und setzte ihm eine Frist bis zum 23.08.2018, um formwirksam Einspruch einzulegen. Diese Frist ließ der Betroffene jedoch verstreichen. Der am 10.10.2018 eingelegte Einspruch durch seinen Rechtsanwalt war mithin verfristet. Unschädlich ist hierbei auch, dass die Bußgeldbehörde den Rechtsanwalt des Betroffenen mit Schreiben vom 15.11.2018 zur Begründung des Einspruchs auffordert, da dies die zuvor mit Schreiben vom 13.08.2018 getroffene Einschätzung zur Formunwirksamkeit des Einspruchs unberührt lässt.

Hinweise

Siehe auch:

  • LG Münster, Beschluss vom 12.10.2015, Az. 2 Qs-89 Js 1834/15-76/15;
  • LG Fulda, Beschluss vom 02.07.2012, Az. 2 Qs 65/12;
  • LG Heidelberg, Beschluss vom 18.01.2008, Az. 11 Qs 2/08 OWi;
  • AG Hünfeld, Beschluss vom 26.11.2012, Az. 3 OWi 32 Js 17217/12;
  • a.A. LG Mosbach, Beschluss vom 30.08.2018, Az. 1 Qs 22/18.

Den Beschluss können Sie hier abrufen.

Autor*in: Georg Huttner (Oberamtsrat a.D. Georg Huttner ist Autor für die Titel Ordnungsamts- und Gewerbeamtspraxis.)