04.07.2023

Muss der Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid elektronisch erhoben werden?

Die Einführung der Pflicht zum elektronischen Einreichen von Dokumenten löste einen Streit zwischen zwei hessischen Gerichten aus, den das OLG Frankfurt entschied (Beschl. vom 28.02.2023, Az.1 Ss-OWi 1460/22).

Ersatzzustellung Bußgeldbescheid GmbH

Einspruch per Telefax zurückgewiesen

Gegen einen Bußgeldbescheid wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 27 km/h mit einer Geldbuße in Höhe von 150 Euro legte die Betroffene durch Telefax Einspruch ein. Das AG verwarf den Einspruch als unzulässig, weil er mangels Wahrung der gesetzlichen Formvorschriften nach §§ 67, 110c OWiG, § 32d StPO unwirksam und unzulässig sei.

Dagegen erhob die Betroffene Rechtsbeschwerde vor dem OLG Frankfurt.

Was hat der Gesetzgeber beabsichtigt?

Das OLG hatte zu prüfen, ob die Vorschrift von § 32d Satz 2 StPO, die im Bußgeldverfahren gemäß § 110c OWiG entsprechend gilt, auch bei Einlegen eines Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid anzuwenden ist.

Das Gericht griff tief in seinen Werkzeugkasten und führte aus:

  • Ausweislich der Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 18/9416, S. 50, 51) sieht § 32d Satz 2 StPO eine Rechtspflicht zur elektronischen Einreichung von Dokumenten nur für bestimmte Verfahrenserklärungen vor, die aufgrund der Besonderheiten des Strafverfahrens auf die abschließend genannten Erklärungen beschränkt sind. Da die vorgenannte Drucksache auf diese Ausführungen verweist, sind diese Grundsätze auch für die entsprechende Anwendung von § 32d StPO im Bußgeldverfahren zugrunde zu legen.
  • Im Hinblick darauf, dass das Bußgeldverfahren Berufung, Privatklage und Nebenklage nicht kennt, können die in § 32d StPO abschließend aufgeführten Verfahrenserklärungen nur für den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, die Einlegung der Rechtsbeschwerde, ihre Begründung und die Gegenerklärung gelten.
  • Der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid und die Einspruchsbegründung gehören demgegenüber der Sache nach weder vom Wortlaut noch von der systematischen Einordnung her zu den in § 32d Satz 2 StPO abschließend aufgeführten Verfahrenserklärungen; vielmehr handelt es sich um einen „Rechtsbehelf eigener Art“, der die Streitigkeit aus einem Verfahren bei der Verwaltungsbehörde in das gerichtliche Verfahren bringt.
  • Zudem ist der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid in systematischer Hinsicht eher mit dem Einspruch gegen einen Strafbefehl vergleichbar, der in § 32d Satz 2 StPO keine Erwähnung findet. Dabei ist weiter zu bedenken, dass der Bußgeldbescheid von der Verwaltungsbehörde erlassen wird, den Strafbefehl aber ausschließlich das Gericht erlassen kann. Wenn man vor diesem Hintergrund bedenkt, dass § 32d Satz 2 StPO ausschließlich wesentliche Verfahrenshandlungen vor Gericht aufzählt und dabei den Einspruch gegen den (gerichtlichen) Strafbefehl auslässt, kann der Einspruch gegen den (verwaltungsbehördlichen) Bußgeldbescheid erst recht nicht unter diese Norm fallen.

Einspruch per Telefax weiterhin möglich

Das Einlegen eines Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid ist auch nach der am 01.01.2022 erfolgten Einführung der Pflicht zur elektronischen Übermittlung von Dokumenten weiterhin per Telefax von dem Faxgerät des Betroffenen oder eines Rechtsanwalts möglich und wirksam.

Ergebnis

Der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid durfte nicht als unzulässig verworfen werden. Die Entscheidung des LG war rechtsfehlerhaft. Das angefochtene Urteil wurde aufgehoben und der Streitfall an die Vorinstanz zurückverwiesen.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)