09.11.2022

Aufbau der kleinen AG

Hauptversammlung, Vorstand, Aufsichtsrat: das heilige Dreigespann der Aktiengesellschaft, es macht auch vor deren abgespeckter Version der kleinen AG nicht Halt. Diese ist nun einmal eine juristische Person und dementsprechend körperschaftlich aufgebaut, mit allen Besonderheiten.

Aufbau der kleinen AG

Wann tritt die Hauptversammlung (HV) regelmäßig zusammen?

Jährlich. Das ist Pflicht. Da kommen alle Aktionäre der Gesellschaft zusammen und üben ihre Rechte als Teilhaber und Gesellschafter des Unternehmens aus. Nach § 119 Aktiengesetz (AktG) entscheidet die Hauptversammlung über

  • die Bestimmung der Aktionärsvertreter im Aufsichtsrat,
  • die Verwendung des Bilanzgewinns,
  • die Entlastung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder,
  • die Bestellung von Anschlussprüfern,
  • Satzungsänderungen,
  • Maßnahmen zur Kapitalbeschaffung und -herabsetzung und
  • Auflösung der Gesellschaft.

Eine Versammlung kennt auch die GmbH. Sie heißt dort Gesellschafterversammlung. sie ist das höchste Willensbildungsorgan der GmbH. Sie ist mit allumfassender Zuständigkeit ausgestattet. Näheres hierzu lesen Sie in unserem Beitrag „Gesellschafterversammlung: außerordentliche Versammlung“.

Mit was für einer Mehrheit entscheidet die HV über die Auflösung?

Mit einfacher Mehrheit – wie übrigens grundsätzlich über alle Entscheidungen (§ 133 AktG). Es besteht jedoch die Möglichkeit, andere Voraussetzungen für Beschlüsse der Hauptversammlung wie z.B. eine qualifizierte Mehrheit in der Satzung zu regeln.

Wie werden die Beschlüsse festgelegt?

  • Im Normalfall reicht für die kleine Aktiengesellschaft die Protokollierung durch den Aufsichtsratsvorsitzenden.
  • Grundsätzlich bei einer Kapitalgesellschaft mit einer notariellen Beurkundung.
  • Bei einer kleinen Aktiengesellschaft ist dies jedoch nur in bestimmten Ausnahmefällen von weitreichender Bedeutung notwendig.

Tipp der Redaktion

GmbH-Brief AKTUELL – der beliebte Infodienst hilft Ihnen (rein digital oder auch als Print) mit praxisnahen Handlungs-Empfehlungen, Musterformulierungen, vergleichbaren Urteilen und dem direkten Kontakt zu unseren Experten bei Fragen. So schützen Sie sich selbst und Ihre GmbH! Wir zeigen Ihnen, wie Sie steuerliche Gestaltungsspielräume rechtssicher ausschöpfen, Haftungsrisiken vermeiden und rechtssicher handeln. So erhalten Sie volle Finanzsicherheit und genießen maximierte Steuervorteile!

Können die Aktionäre als Eigentümer des Unternehmens in die Geschäftsführung eingreifen?

Nein. Eigentlich sind sie zwar die Anteilseigner und somit die Eigentümer des Unternehmens. Im Gegensatz zur GmbH, bei der der Eigentümer in die Geschäftsführung eingreift, haben sie bei der AG keine Möglichkeit, in die Geschäftsführung einzugreifen. Die Aktiengesellschaft kennt eine strikte Trennung zwischen

  • der Geschäftsleitung und
  • dem Kapital, also den Anteilseignern.

Eine Ausnahme bildet die Ein-Mann-Aktiengesellschaft. Diese Möglichkeit ist ein Merkmal der kleinen Aktiengesellschaft. Hierbei bilden Aktionär und Vorstand einer Personenidentität mit der Folge, dass der Aktionär in seiner Personalunion mit dem Vorstand der Ein-Mann-Aktiengesellschaft in die Geschäftsführung eingreift im Sinne von: sie ihm alleinig obliegt.

Bei wem also liegt die Geschäftsführung der kleinen AG?

Beim Vorstand:

  • Er vertritt die Aktiengesellschaft unbeschränkt nach außen.
  • Er leitet ihre Geschäfte im Innenverhältnis.
  • Er hat die alleinige Vertretungsmacht und Geschäftsführungsbefugnis (§§ 77, 78 AktG).
  • Er stellt das zentrale Organ der Aktiengesellschaft dar.
  • Er arbeitet in eigener Verantwortung und weisungsfrei.

Einzige Ausnahme:

  • Der Vorstand ist an die Beschlüsse der Hauptversammlung gebunden – und nur an diese.

Beruft die HV den Vorstand auch?

Nein, das macht der Aufsichtsrat. Dieser beruft den Vorstand auf fünf Jahre und kann diese Berufung des Vorstandes nach Ablauf der Zeit erneuern. Das Verhältnis der Aktiengesellschaft zum Vorstand beruht nicht auf einem herkömmlichen Arbeitsvertrag, sondern auf einem Dienstvertrag, wie bei selbstständigen Mitarbeitern.

Aus wem besteht der Vorstand: aus juristischen Personen?

Nein, aus den einzelnen Vorstandsmitgliedern, allesamt natürliche Personen.

Ist die Bestellung des Vorstandes die einzige Aufgabe des Aufsichtsrates?

Nein. Der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft kontrolliert darüber hinaus den Vorstand. Schwerpunkt der Kontrolle bildet die Art der Geschäftsführung:

  • Erfolgt sie ordnungsgemäß?
  • Erfolgt sie entsprechend den gesetzlichen Regelungen?
  • Sind Art der Geschäftsführung und Entscheidungen des Vorstands dabei zweckmäßig nach dem Satzungszweck?
  • Trifft der Vorstand seine Entscheidungen unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit?

Weitere Aufgaben des Aufsichtsrats bestehen in:

  • der Wahl,
  • der Überwachung und
  • gegebenenfalls Abberufung des Vorstands und
  • der Bestellung des Abschlussprüfers für den Jahres- und Konzernabschluss (§§ 88, 111 AktG).

Welche Mittel stehen dem Aufsichtsrat dabei zur Verfügung?

Er erfüllt seine Kontrollpflicht mittels:

  • Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung
  • Bestellung und Abberufung von Mitgliedern des Vorstands
  • Prüfung aller Bücher des Unternehmens

Wer kontrolliert die Kontrolleure?

Den Aufsichtsrat bestellt grundsätzlich die Hauptversammlung auf vier Jahre (§ 102 AktG).

Sitzen im Aufsichtsrat ebenfalls natürliche Personen wie im Vorstand?

Ja, jede natürliche Person kann in den Aufsichtsrat berufen werden. Er besteht aus mindestens drei Personen, je nach Kapitalumfang oder vertraglichen Regelungen auch mehr, auf jeden Fall teilbar durch drei. Die Leitung hat der Vorsitzende des Aufsichtsrates.

Die kleine Aktiengesellschaft hat hier wieder eine Besonderheit bezüglich der Besetzung des Aufsichtsrats. Nach dem Mitbestimmungsgesetz von 1976 setzt er sich paritätisch zusammen aus gewählten Mitgliedern jeweils:

  • der Anteilseigner
  • der Arbeitnehmer.

Für kleine Aktiengesellschaften mit einer regelmäßigen Mitarbeiterzahl von nicht mehr als 500 sind die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat nicht verpflichtend. Dies hat seinen Grund in der personalistisch strukturierten Herangehensweise der kleinen Aktiengesellschaft. Auch bei der Ein-Mann-Aktiengesellschaft sind drei Personen für den Aufsichtsrat verpflichtend.

Was heißt personalistisch strukturierte Herangehensweise der kleinen Aktiengesellschaft?

Wenn Sie als Eigentümer eines Unternehmens – als Einzelperson oder als Familie – wesentlichen Einfluss auf das Unternehmen ausüben. Näheres hierzu zusammen mit einem prominenten Beispiel aus der Vergangenheit finden Sie in unserem Beitrag „Was unterscheidet die kleine AG von der großen?

Was stellt die Vergütung von Aufsichtsratsmitgliedern steuerrechtlich dar?

Die Vergütung oder die Aufwandsentschädigung für Aufsichtsratsmitglieder stellen auf Ebene der auszahlenden Körperschaft ertragsteuerlich Betriebsausgaben dar. Nach dem Teilabzugsverbot des § 10 Nr. 4 KStG sind diese nur zur Hälfte steuermindernd zu berücksichtigen. Die Aufsichtsratsmitglieder erzielen ertragsteuerlich Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit. Für Zwecke der Umsatzsteuer wurden Aufsichtsratsmitglieder in Deutschland bislang in der Regel als Unternehmer angesehen. Der Bundesfinanzhof (BFH) stufte Aufsichtsratsmitglieder als Unternehmer ein. Unternehmer ist demnach, wer selbstständig ausübt:

  • eine gewerbliche oder
  • berufliche Tätigkeit.

Nicht selbstständig hingegen wird eine Tätigkeit ausgeübt, soweit eine natürliche Person so in ein Unternehmen eingegliedert ist, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet ist. Eine solche Eingliederung in das Unternehmen der Gesellschaft wurde für Aufsichtsratsmitglieder früher verneint und die Selbstständigkeit bejaht.

Worauf stellte der BFH dabei ab?

Darauf, dass der Aufsichtsrat nach § 111 AktG mit der Überwachung der Geschäftsführung betraut ist. Der Aufsichtsrat selbst und seine Mitglieder seien daher nicht an Weisungen des Vorstands gebunden. Zwar bestände mit der Annahme des Aufsichtsratsamts ein Vertragsverhältnis zu der Gesellschaft. Es fehle jedoch ein Auftraggeber oder Dienstherr, nach dessen Weisung und Willen das Aufsichtsratsmitglied zu handeln habe.

Und? Gilt das nicht mehr?

Dieser Rechtsauffassung widersprach der Europäische Gerichtshof (EuGH). In seinem Urteil vom 13.06.2019 (Rechtssache „IO“, Az.: C – 420/18) zur Unternehmereigenschaft eines Aufsichtsratsmitglieds einer niederländischen Stiftung hat er die Unternehmereigenschaft mangels Selbstständigkeit des Aufsichtsratsmitglieds verneint. Ein Aufsichtsratsmitglied könne nicht selbst, sondern nur im Verbund tätig werden. Die Tätigkeit sei daher zwar wirtschaftlich, sie werde aber nicht selbstständig ausgeführt. Ein Aufsichtsratsmitglied sei nicht als Unternehmer anzusehen, wenn es:

  • nicht im eigenen Namen und
  • für eigene Rechnung oder
  • in eigener Verantwortung tätig sei,
  • sondern seine Tätigkeit für Rechnung und
  • unter der Verantwortung des Aufsichtsrats ausübe.

Als weiteres wichtiges Kriterium war entscheidend, dass das Aufsichtsratsmitglied kein wirtschaftliches Risiko im Rahmen seiner Tätigkeit für den Aufsichtsrat trug. Denn es wurde eine Festvergütung bezahlt, die weder von der Teilnahme an Sitzungen noch von tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden abhängig war. Es habe somit keinen Einfluss auf seine Einnahmen oder Ausgaben. Ebenso hatten mögliche fahrlässige Handlungen keine unmittelbare Auswirkung auf die Vergütung. Dieser Auffassung schloss sich der BFH an und schränkt seine bisherige Rechtsprechung zur Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern insoweit ein.

Worum ging es in dem zu entscheidenden Fall?

Dabei war ein leitender Angestellter einer Mutter-AG zugleich Aufsichtsratsmitglied in deren hundertprozentiger Tochter-AG. Nach deren Satzung erhielt jedes Aufsichtsratsmitglied für seine Tätigkeit eine jährliche Festvergütung von 20.000 Euro oder einen zeitanteiligen Anteil hiervon. Diese Vergütung musste das Aufsichtsratsmitglied seinem Arbeitsvertrag folgend an die Muttergesellschaft abführen. Dennoch ging das zuständige Finanzamt davon aus, dass die von ihm erbrachten Leistungen umsatzsteuerpflichtig seien. Diese Einschätzung teilte auch das Finanzgericht (FG) und wies die Klage des Aufsichtsrats ab. Obwohl das FG in seiner Entscheidung auf die bisherige Rechtsprechung des BFH verwies, ging das Aufsichtsratsmitglied in Revision. Dies begründete das Aufsichtsratsmitglied mit seinem Arbeitsvertrag als leitender Angestellter bei der Muttergesellschaft. Durch diesen sei er weisungsabhängig in seiner Funktion als Aufsichtsrat und daher nicht selbstständig tätig.

Über die besonderen Aufgaben von Eigentümer und Aufsichtsrat bei Gründung einer kleinen Aktiengesellschaft erfahren Sie alles Wissenswerte in unserem Beitrag „Gründung einer kleinen AG“.

Haben Sie als GmbH schon mal Ihren geschäftsführenden Gesellschafter von der Haftung für eine Tätigkeit im Aufsichtsrat einer AG freigestellt? Dabei sollten Sie auf jeden Fall Vorsicht walten lassen. Das kann ins Auge gehen, sowohl für Sie als GmbH als auch für Ihren Geschäftsführer, wie Sie unserem Beitrag „vGA bei Übernahme von Haftungsrisiken aus einer Aufsichtsratstätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers“ entnehmen können.

Autor*in: Franz Höllriegel