05.02.2020

Parken: Dürfen Angestellte privater Dienstleister Knöllchen verteilen?

Nachdem sich das OLG Frankfurt erst im November mit der Frage auseinandersetzen musste, ob private Dienstleister den fließenden Verkehr überwachen dürfen, musste das gleiche Gericht die Frage beantworten, ob dies zur Parkraumüberwachung zulässig ist (Urteil vom 03.01.2020, Az. 2 Ss-Owi 963/18).

privater Dienstleister Parken

Privater Dienstleister in Uniform stellt Verstoß beim Parken fest

Der Halter eines Pkw stellte diesen im eingeschränkten Halteverbot ab. Der Parkverstoß wurde von einem Zeugen festgestellt, der von der Stadt als „Stadtpolizist“ bestellt worden war, der Stadt aber von einer Privatfirma überlassen wurde. Der „Stadtpolizist“ war wie die bei der Stadt angestellten Ordnungskräfte in Uniform unterwegs. Der Oberbürgermeister der Stadt als Ortspolizeibehörde verhängte wegen unerlaubten Parkens im eingeschränkten Halteverbot ein Verwarnungsgeld in Höhe von 15 Euro gegen den Halter des Fahrzeugs. Dessen Einspruch gegen das Verwarnungsgeld blieb erfolglos. Der Halter gab sich unbeugsam und legte die strittige Angelegenheit dem OLG Frankfurt vor.

Ausleihen von Arbeitnehmern ist gängige Praxis

Das OLG bat zunächst das Innenministerium, die Rechtsstruktur des Vorgehens der Stadt zu erläutern. Die Stadt setze, erklärte das Innenministerium, für die Kontrolle des ruhenden Verkehrs Leiharbeitskräfte eines privaten Dienstleisters auf Basis einer Stundenvergütung ein. Die von der privaten Firma überlassenen Leiharbeitskräfte würden „unter dem Einsatz des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) sowie einer physisch-räumlichen und organisatorischen Integration in die Gemeindeverwaltung“ durch das Regierungspräsidium Darmstadt gemäß § 99 Abs. 3 Nr. 4e HSOG zu Hilfspolizeibeamtinnen und -beamten bestellt.

Gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 HSOG hätten Hilfspolizeibeamte im Rahmen ihrer Aufgaben die Befugnisse von Polizeivollzugsbeamten, erläuterte das Ministerium dem OLG weiter. Neben der betroffenen Stadt hätten auch weitere Kommunen in Hessen Aufgaben zur Überwachung des ruhenden Verkehrs an Leiharbeitskräfte übertragen. Diese seien alle zu Hilfspolizeibeamten bestellt worden und würden teilweise ihren Dienst in der Uniform des Rechtsträgers verrichten.

Verkehrsüberwachung ist hoheitliche Aufgabe

Die dem Oberbürgermeister als Ortspolizeibehörde gesetzlich zugewiesenen Verpflichtungen, den ruhenden Verkehr zu überwachen und Verstöße zu ahnden, sind hoheitliche Aufgaben, erkannte das Gericht. Es ist keine vom Landtag erlassene Ermächtigungsgrundlage vorhanden, die es der Stadt erlaubt, die Aufgabe der Überwachung des ruhenden Verkehrs auf „Dritte“ zu übertragen. Wegen der fehlenden Ermächtigungsgrundlage dürfen diese Aufgaben nicht von privaten Dienstleistern wahrgenommen werden. Das AÜG dient dazu, führt das OLG weiter aus, den Missbrauch von Arbeitnehmerüberlassungen im privatwirtschaftlichen Bereich einzudämmen. Allein die Wirtschaftsunternehmen dürfen kurzfristig auftretende Tätigkeitsspitzen durch das temporäre Hinzuziehen fremder Arbeitskräfte ausgleichen. In diesem Fall muss der entliehene Arbeitnehmer im verleihenden Unternehmen verbleiben. Das Überlassen privater Mitarbeiter nach dem AÜG zum Wahrnehmen hoheitlicher Aufgaben stuft das OLG daher als unzulässig ein.

Außerdem ist das Regierungspräsidium zum Bestellen eines überlassenen Arbeitnehmers zu einem „Stadtpolizisten“ nicht zuständig, so das OLG weiter. § 99 HSOG erfüllt nicht die Voraussetzungen einer Ermächtigungsnorm. Die Vorschrift regelt lediglich die Frage einer möglichen landesspezifischen Umsetzung bei der Durchführung, wenn dies in einer Ermächtigungsgrundlage vorgesehen ist. Für die Verkehrsüberwachung ist eine solche Ermächtigung aber nicht vorhanden. Denn mithilfe des Polizeirechts der Länder können verfassungsrechtlich verankerte und in Bundesgesetzen geregelte Kompetenz-, Regelungs- und Sanktionierungszuweisungen nicht umgangen oder außer Kraft gesetzt werden.

§ 99 Abs. 3 HSOG ist daher nach Sinn und Zweck der Vorschrift und gemäß der gesetzgeberischen Konstruktion vor dem Hintergrund seines eng auszulegenden Ausnahmecharakters zu Art. 33 Abs. 4 GG so aufgebaut, dass die jeweilige Behörde für die ihr übertragenen (polizeilichen) Tätigkeiten jeweils eigene Bedienstete und Bedienstete der jeweils nachgeordneten Behörden als „Hilfspolizeibeamte“ bestellen kann. Eine Stadt oder Gemeinde ist daher nur nach § 99 Abs. 3 HSOG berechtigt, eigene Bedienstete zu Hilfspolizeibeamten zu bestellen.

Schein an Rechtsstaatlichkeit

Verschärfend kommt hinzu, so das OLG sichtlich erbost, dass die Stadt die Verkehrsüberwachung durch private Dienstleister im Gewand einer Polizeiuniform hat durchführen lassen. Nach außen wurde der Schein der Rechststaatlichkeit erweckt, um den Bürgern und den Gerichten gegenüber den Eindruck polizeilicher Handlungen zu vermitteln, schrieb das OLG der Stadt und dem Ministerium ins Stammbuch. Der „private Dienstleister“, so das Gericht, finanziert sich selbst durch Verwarngelder, deren zugrunde liegende Verstöße er selbst ermittelt. Der erzeugte täuschende Schein der Rechtsstaatlichkeit ist strafbar (§§ 132, 132a StGB).

Die Entscheidung des OLG

Das Bestellen ausgeliehener Personen nach § 99 HSOG zu Hilfspolizeibeamten der Ortspolizeibehörden ist mithin rechtswidrig. Die von diesen Personen getroffenen Feststellungen unterliegen einem absolutem Beweisverwertungsverbot.

Das Urteil ist abrufbar unter https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=OLG%20Frankfurt&Datum=03.01.2020&Aktenzeichen=2%20Ss%20OWi%20963%2F18

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)