26.09.2022

Was das neue Lieferkettengesetz für Betriebsräte bedeutet

Ziel des ab 2023 geltenden Gesetzes ist, den Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten zu verbessern. Dabei geht es darum, überall in der Welt grundlegende Menschenrechtsstandards wie das Verbot von Kinderarbeit und Zwangsarbeit zu sichern. Somit müssen deutsche Unternehmen ebenfalls dafür Sorge tragen, dass in ihren Lieferketten die Menschenrechte eingehalten werden. Auch der Betriebsrat kann und sollte sich hier einbringen.

Lieferkettensorgfaltsgesetz

Das Gesetz gilt ab 2023 für Unternehmen mit Hauptverwaltung, Hauptniederlassung, Verwaltungssitz, satzungsmäßigem Sitz oder Zweigniederlassung sowie 3.000 Arbeitnehmern im Inland, ab 2024 dann auch für Unternehmen ab 1.000 Arbeitnehmern im Inland.

Dennoch ist das Gesetz ebenso für Unternehmen von Bedeutung, die nicht in den direkten Anwendungsbereich fallen. Denn diese können mittelbar betroffen sein, etwa als Zulieferer eines in der gesetzlichen Verantwortung stehenden Unternehmens. Unternehmen außerhalb des Anwendungsbereichs sind jedoch nicht Adressaten von Bußgeldern oder gesetzlichen Verpflichtungen.

Definition des Begriffs der Lieferkette

Die Lieferkette im Sinne des Gesetzes bezieht sich auf alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens. Sie umfasst alle Schritte im In- und Ausland, die zur Herstellung der Produkte und zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlich sind, angefangen bei der Gewinnung der Rohstoffe bis hin zu der Lieferung an den Endkunden, und erfasst

  • das Handeln eines Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich,
  • das Handeln eines unmittelbaren Zulieferers und
  • das Handeln eines mittelbaren Zulieferers.

Dazu gehört auch die Inanspruchnahme von notwendigen Dienstleistungen wie zum Beispiel der Transport oder die Zwischenlagerung von Waren.

Neben dem eigenen Geschäftsbereich müssen auch Geschäftsbeziehungen und Produktionsweisen der unmittelbaren Zulieferer in den Blick genommen werden. Liegen einem Unternehmen tatsächliche Anhaltspunkte vor, die eine Verletzung einer menschenrechts- oder umweltbezogenen Pflicht bei mittelbaren Zulieferern möglich erscheinen lassen, so hat es anlassbezogen auch dort tätig zu werden.

So läuft der Beschwerdemechanismus ab

Die Unternehmen müssen gemäß § 8 LfSG ein angemessenes unternehmensinternes Beschwerdeverfahren einrichten. Das Beschwerdeverfahren gibt Arbeitnehmern die Möglichkeit, auf menschenrechtliche oder umweltbezogene Risiken sowie auf Verletzungen menschenrechtsbezogener oder umweltbezogener Pflichten hinzuweisen, die durch das wirtschaftliche Handeln eines Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich oder eines unmittelbaren Zulieferers entstanden sind, und soll in der gesamten Lieferkette zugänglich sein. Alternativ können sich Unternehmen an einem entsprechenden externen Beschwerdeverfahren beteiligen.

Beim Beschwerdemechanismus bestimmt der Betriebsrat mit

Da der Beschwerdemechanismus zu den Fragen der Ordnung im Betrieb zählt, kann der Betriebsrat hier gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmen. D. h., er hat Einfluss auf die konkrete Gestaltung und den Ablauf des Beschwerdemechanismus im Betrieb. Die praktische Umsetzung des Beschwerdeverfahrens wird zum einen die Einführung des Beschwerdeverfahrens im Unternehmen und zum anderen notwendige Schulungsmaßnahmen der Mitarbeiter zur Folge haben.

Drängen Sie als Betriebsrat bei der Implementierung des Beschwerdeverfahrens auf eine Betriebsvereinbarung, in der alle Details verbindlich geregelt werden. Da § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG Ihnen ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht verleiht, können Sie eine entsprechende Regelung sogar notfalls gegen den Willen des Arbeitgebers vor der Einigungsstelle durchsetzen.

Setzen Sie sich als Betriebsrat für ausreichende Schulungen der Kollegen ein

8 LkSG sieht nicht nur die Einführung eines Beschwerdeverfahrens im Unternehmen vor, sondern auch notwendige Schulungsmaßnahmen der Beschäftigten, um sie für dieses Thema zu sensibilisieren. Somit kann der Betriebsrat auch bei den Qualifizierungsmaßnahmen Einfluss nehmen.

Anknüpfungspunkte in der Arbeit von Betriebsräten nutzen

Bei vielen Betriebsräten gibt es bereits Anknüpfungspunkte zu menschenrechtlicher Sorgfalt. Arbeitsbereiche, die typischerweise bereits mit Menschenrechten zu tun haben, sind Beschwerdemanagement und Mitarbeit bei Sozialstandards.

Arbeitnehmervertretungen werden teilweise aber auch eingebunden, wenn es um das schriftlich formulierte Menschenrechtsverständnis (Grundsatzerklärung) des Unternehmens und das Lieferantenmanagement geht.

Konkrete Aufgaben des Betriebsrats im Rahmen des Beschwerdemechanismus

  • Der Betriebsrat kann sich dafür einsetzen und aktiv dazu beitragen, dass bei eingegangenen Beschwerden wirksame Abhilfe geschaffen wird.
  • Der Betriebsrat kann Ansprechpartner sein und bei konkreten Fällen ein offenes Ohr für die Anliegen Beschäftigter an Abhilfemaßnahmen haben.
  • Der Betriebsrat sollte sich dafür einsetzen, dass Betroffene in den Abhilfeprozess mit eingebunden werden und bei der Entwicklung von Lösungen und Abhilfemaßnahmen eine aktive Rolle spielen.
  • Der Betriebsrat kann bei der Erarbeitung von Abhilfemaßnahmen die Interessen der Beschäftigten vertreten.
  • Der Betriebsrat kann überprüfen, wie zufrieden die Beschäftigten mit dem Abhilfeprozess und dem Ergebnis sind, bei Bedarf Anpassungen fordern und Verbesserungsvorschläge einbringen.

Unterrichtungsrecht gemäß LkSG und BetrVG

Menschenrechtliche Sorgfalt gehört in Deutschland ab 2023 ausdrücklich zum Aufgabenprofil von Betriebsräten in Unternehmen, die unter das LkSG fallen. Der Wirtschaftsausschuss erhält ein umfassendes Unterrichtungsrecht, das sich auf alle Fragen des LkSG erstreckt. Zum Hintergrund: Nach § 106 Abs. 1 BetrVG ist in allen Unternehmen mit in der Regel mehr als 100 ständig beschäftigten Arbeitnehmern ein Wirtschaftsausschuss zu bilden. Der Wirtschaftsausschuss hat die Aufgabe, wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem Unternehmer zu beraten und den Betriebsrat zu unterrichten.

Die durch das Lieferkettengesetz neu eingefügte Regelung des § 106 Abs. 3 Nr. 5b BetrVG besagt, dass zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten im Sinne dieser Vorschrift nunmehr auch Fragen der unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten zählen.

Umfang des Unterrichtungsrechts des Wirtschaftsausschusses

Der Arbeitgeber hat rechtzeitig und umfassend zu informieren und gegebenenfalls jegliche erforderlichen Unterlagen im Rahmen der Unterrichtung vorzulegen. Insbesondere sind dem Wirtschaftsausschuss etwaige Auswirkungen auf die Personalplanung mitzuteilen. Die Unterrichtungspflichten des Arbeitgebers erstrecken sich im Zusammenhang mit dem neuen Gesetz auf folgende Bereiche:

  • allgemein umfassend auf die konkrete Umsetzung der Pflichten des Unternehmens aus dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
  • insbesondere auf das Risikomanagement (§ 4), die Risikoanalyse (§ 5) sowie Präventionsmaßnahmen (§ 6) und Abhilfemaßnahmen (§ 7)

Die Unterrichtungspflichten werden inhaltlich auch über die Dokumentations- und Berichtspflicht des Unternehmens aus § 10 Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes hinausgehen, da die erforderlichen Unterlagen umfassender sind.

Achtung: Weil das LkSG nur das Informationsrecht festlegt, besteht kein Mitbestimmungsrecht zur Einhaltung der unternehmerischen Sorgfalt im Unternehmen, mit dem der Betriebsrat echte Verbesserungen durchsetzen könnte.

Dennoch sollte der Unterrichtungsanspruch von Betriebsräten genutzt werden, um die menschenrechtliche Sorgfalt positiv zu beeinflussen. Betriebsräte können ausdrücklich die Stärkung von Sozialstandards, Menschenrechten und Umweltpflichten fördern – und zwar nicht nur für den eigenen Standort, sondern über Unternehmensgrenzen hinweg auch für (potenziell) Betroffene in der Wertschöpfungskette.

Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrats

Zusätzlich zum Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG kann das Gremium viele weitere Maßnahmen ergreifen:

  • Thema auf die Agenda setzen: Der erste Schritt ist, dass der Betriebsrat das neue Gesetz zum Anlass nimmt, um überhaupt über Lieferketten zu sprechen. Durch unterschiedliche Aktionen, wie etwa auf Betriebsversammlungen oder spezielle Beiträge am Schwarzen Brett bzw. im Intranet, kann er die Kollegen hier sensibilisieren und Aufmerksamkeit erzeugen.
  • Verantwortlichkeiten bestimmen und Fokus festlegen: Die Beschäftigung mit Lieferketten und möglichen Problemen damit ist eine dauerhafte Aufgabe des Betriebsrats. Deshalb ist es sinnvoll, gleich von Anfang an mindestens ein Gremiumsmitglied zu finden, das sich hier einarbeiten möchte. Dann kann dieses den Betriebsrat insgesamt immer wieder auf dem Laufenden halten und eventuelle Aktionen können geplant werden. Wichtig ist auch eine Zielklärung des Gremiums: Was sind die absoluten Prioritäten? Was sollte unbedingt erreicht werden?
  • Für angemessene Qualifizierung sorgen: 8 LkSG bietet die Möglichkeit, dass Betriebsräte bei der Qualifizierung der Beschäftigten im Hinblick auf die Probleme bei Lieferketten mitbestimmen können. Deshalb gilt auch hier: Schließen Sie eine entsprechende Betriebsvereinbarung ab.

Dieser Beitrag wurde unter anderem mit Material von Thomas Steins und Anne-Sophie Becker von der Betriebsratsberatung CAIDAO, Berlin, erstellt (www.caidao.de).

Autor*innen: Silke Rohde (ist Rechtsanwältin & Journalistin sowie Chefredakteurin des Fachmagazins Betriebsrat KOMPAKT.), Thomas Steins (Gesellschafter und Geschäftsführer von CAIDAO Institut für Betriebsratsberatung), Anne-Sophie Becker (Beraterin CAIDAO Institut für Betriebsratsberatung)