21.02.2019

Als Betriebsrat Umstrukturierungen konstruktiv begleiten

Betriebsteile werden geschlossen oder neu eröffnet, Abteilungen neu organisiert oder gar vollständig outgesourct: Das sind nur einige Beispiele für Umstrukturierungsvorhaben, die in vielen Unternehmen stattfinden. Vom Betriebsrat wird erwartet, dass er die betroffenen Arbeitnehmer so weit wie möglich vor negativen Auswirkungen schützt. Dazu muss er schlagkräftig sein und gleichzeitig nach konstruktiven Lösungen suchen.

Betriebsrat Betriebsänderung

Mitbestimmung. Nicht selten werden Betriebsräte von Umstrukturierungen überrascht und stehen deshalb von Anfang an unter erheblichem Zeitdruck. Schließlich muss verhindert werden, dass der Arbeitgeber einfach Tatsachen schafft, die später nicht mehr zu ändern sind.

Warnzeichen erkennen

Es gilt, die Frühwarnzeichen zu sehen und rechtzeitig darauf zu reagieren. Veränderungen sind zum Beispiel zu erwarten, wenn der Arbeitgeber Berater engagiert, die Prozessabläufe optimieren sollen. Ein weiteres Warnzeichen ist eine schwierige wirtschaftliche Situation des Unternehmens. Prüfen Sie ggf. im Wirtschaftsausschuss oder anhand veröffentlichter Daten die Zahlen des abgelaufenen Jahres. Manchmal veranlasst bereits die Erwartung, dass es in Zukunft schlechter oder anders laufen könnte, den Arbeitgeber zu Veränderungen.

Praxistipp: Unruhe kann für den Betriebsrat nützlich sein

Arbeitgeber sind häufig darauf bedacht, Unruhe im Betrieb zu vermeiden. Hier kann es für Betriebsräte strategisch geschickt sein, diese Unruhe gegebenenfalls z.B. durch Abteilungs- und Betriebsversammlungen sowie die Kommunikation über die Betriebsratsmedien zu schüren.

Oft sind nicht alle Arbeitnehmer von einer Umstrukturierung betroffen. Ziel muss es aber sein, eine übergreifende Solidarität und gegebenenfalls Mobilisierung zu erreichen. Damit verschaffen Sie sich beim Arbeitgeber Respekt und fördern seine Verhandlungsbereitschaft. Aber selbst wenn es unwahrscheinlich ist, dass der Betriebsrat wirklich Einfluss auf Arbeitgeberentscheidungen nehmen kann, sollte er aktiv und vernehmlich Stellung beziehen. Das erzeugt in der Belegschaft das Vertrauen, dass ihre Interessen vertreten werden.

Abteilungsübergreifend mobilisieren

Informieren Sie die Arbeitnehmer möglichst zeitnah über bevorstehende Umstrukturierungen und damit verbundene Ereignisse. Entwickeln Sie auch Szenarien, wohin dies im negativen Fall führt und was Sie anstreben (z.B. Umstrukturierung ohne Kündigungen). Eine übergreifende Mobilisation aller ist nur dann möglich, wenn Sie aufzeigen können, dass diese auch für alle einen Vorteil bringt – auch für diejenigen, die bei oberflächlicher Betrachtung zunächst nicht betroffen sind. Stellen Sie die Mobilisierung unter die Überschrift „Die nächste Umstrukturierung kommt bestimmt“ und appellieren Sie an alle, den Betriebsrat zu stärken, damit dieser auch zukünftig im Sinne der Arbeitnehmer aktiv werden kann.

To-do-Liste des Betriebsrats für Umstrukturierungen

  • Fordern Sie frühestmögliche Einbindung in Entscheidungsprozesse.
  • Holen Sie sich unbedingt externe Unterstützung, z.B. durch Anwälte und Sachverständige.
  • Verabreden Sie klar definierte Leitlinien zur mitbestimmten Begleitung und Umsetzung der Umstrukturierung.
  • Informieren Sie Ihre Belegschaft regelmäßig über Ihre Aktivitäten im Umstrukturierungsprozess.

Rechtliche Möglichkeiten der Mitbestimmung nutzen

Bei einer Umstrukturierung kann der Betriebsrat eine Menge mitreden. Das „Gewicht“ der Mitbestimmung ist abhängig davon, ob es sich um kleinere Umstrukturierungen handelt oder um solche, die die gesamte Belegschaft oder wesentliche Teile betreffen. Bei kleineren Umstrukturierungen gibt es keine klaren Regelungen. Ist die gesamte Belegschaft (oder wesentliche Teile) betroffen, bietet das BetrVG einige Regelungen, die dabei helfen können, den Prozess mitzugestalten oder zumindest die Nachteile für die Belegschaft auszugleichen. Neben dem generellen Informations- und Beratungsrecht nach BetrVG § 80,2 sowie dem Wirtschaftsausschuss bietet §111 ff. BetrVG bei Betrieben mit mindestens 20 Arbeitnehmern die Möglichkeit zur Verhandlung eines Interessenausgleichs und eines Sozialplans. Betriebsräte können zudem nach § 92a BetrVG eigene Vorschläge für die Umstrukturierung unterbreiten. Der Arbeitgeber ist dazu verpflichtet, diese Vorschläge zu prüfen und Ablehnungen zu begründen. Der stärkste Trumpf für Betriebsräte, die 300 Arbeitnehmer oder mehr vertreten, ist § 111 Satz 2 BetrVG. Hier ist geregelt, dass der Betriebsrat auf Kosten des Arbeitgebers eigene Berater hinzuziehen kann. Alleine diese Absicht des Betriebsrats entlockt dem Arbeitgeber oft Zugeständnisse.

Für Augenhöhe zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber sorgen

Wenn Betriebsrat und Arbeitgeber über Umstrukturierungen verhandeln, geschieht dies selten auf Augenhöhe. Die Arbeitgeberseite ist mit Anwälten vertreten, die die Mitspracherechte des Betriebsrats minimieren sollen. Aber auch auf technischer Seite ist es häufig kompliziert zu verstehen, ob das Vorgehen des Arbeitgebers wirklich unumgänglich ist oder ob es sinnvolle, arbeitnehmerfreundliche Alternativen dazu gibt. Präventiv kann ein Betriebsrat seine Mitglieder immer weiter qualifizieren. Wenn Mitglieder ein besonderes technisches Verständnis besitzen, sollten diese bei den Verhandlungen natürlich dabei sein.

Nutzen Sie als Betriebsrat interne Berater

Lassen Sie sich bei größeren Umstrukturierungsprojekten beraten. Wenn die Zeit drängt, auch durch einen betriebsinternen Experten. Dies ist auch hinsichtlich der Pflicht, keine unnötigen Beratungskosten entstehen zu lassen, sinnvoll. Allerdings werden die betriebsinternen Experten, die ja meist vom Arbeitgeber benannt werden, häufig das Umstrukturierungsprojekt befürworten. Entsprechend sollten deren Aussagen bewertet werden.

Kooperation mit dem Betriebsrat belohnen

Aus Sicht des Arbeitgebers gibt es bei Umstrukturierungen zwei Grundstrategien: Entweder er ignoriert bzw. bekämpft den Betriebsrat und kommt ihm nur dort entgegen, wo es gar nicht anders geht. Oder er kooperiert mit ihm und sucht im Idealfall nach Lösungen, die für beide Seiten akzeptabel sind. Betriebsräte wünschen sich natürlich, kooperative Arbeitgeber. Versuchen Sie also grundsätzlich, kooperatives Verhalten zu belohnen, indem Sie Kompromisse eingehen und sich immer dann flexibel zeigen, wenn es nicht zu Lasten der Arbeitnehmer geht.

Chancen ausloten

Je nach betrieblicher Situation und Thema kann das Entgegenkommen des Arbeitgebers unterschiedliche Ausmaße annehmen. Bei der Einschätzung helfen Ihnen folgende Faustformeln:

  • Je weiter ein Entgegenkommen den Arbeitgeber von seinen ursprünglichen Zielen abbringt, desto weniger wird er dazu bereit sein. Entscheidend ist also, die eigentlichen Ziele des Arbeitgebers zu kennen (schnellere Servicezeiten, weniger Fehler, geringere Kosten etc.). Ihre Vorschläge haben umso eher eine Chance auf Berücksichtigung, wenn sie das Arbeitgeberziel möglichst wenig in Frage stellen.
  • Je eher der Betriebsrat Umstrukturierungsprojekte behindern, verlangsamen und kostspieliger machen kann, desto mehr wird der Arbeitgeber bereit sein, von seinem Ziel abzuweichen. Wenn Sie als Betriebsrat Arbeitnehmer gut mobilisieren können und im Einzelfall über klare Mitbestimmungsrechte verfügen, wird sich der Arbeitgeber schneller von seinen ursprünglichen Zielen abbringen lassen.

Hinweis: Meilensteine helfen dem Betriebsrat bei der Kontrolle

Versuchen Sie in einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber über den Ablauf der Umstrukturierung schon genaue Meilensteine unterzubringen. Fragen Sie sich: Woran kann man erkennen,  dass die Lösung auch umgesetzt wird? Dies ist wichtig, wenn Arbeitgeber Vereinbarungen nicht einhalten und der Betriebsrat die Umsetzung einklagen muss.

Mehr als zwei Lösungen

Im Konflikt zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmern auf der einen und dem Arbeitgeber auf der anderen Seite werden mögliche Lösungen meist im beiderseitigen Nachgeben gesucht (z.B. Zustimmung des Betriebsrats versus eine geringere Zahl von Kündigungen). Dabei gibt es immer mindestens vier Lösungen, von denen zwei auf der Hand liegen: Der Arbeitgeber setzt sich mit seinen Zielen durch oder der Betriebsrat bringt ein Vorhaben komplett zu Fall. Es lohnt sich aber, sich mit den anderen Möglichkeiten zu befassen:

  • Sowohl als auch: Damit sind nicht die üblichen Kompromisse gemeint. Vielmehr geht es darum, ein Maßnahmenbündel zu entwickeln, das sowohl die Ziele des Betriebsrats als auch die des Arbeitgebers vollständig erfüllt.
  • Keines von beiden: Die Lösung kann auch darin liegen, dass beide Seiten ihre Vorhaben (Umstrukturierung versus deren Blockade) aufgeben und nach einem eigenen Weg suchen.

Praxisbeispiel: Auflösung des Gefahrstofflagers

Der Arbeitgeber will das Gefahrstofflager auf Grund der gesetzlichen Auflagen und damit verbundenen Kosten aufgeben und sich benötigte Gefahrstoffe bei Bedarf direkt an die Arbeitsplätze liefern lassen. Mindestens drei Arbeitsplätze würden entfallen.

  1. Im ersten Schritt hinterfragen beide Seiten die jeweiligen Ziele. Der Arbeitgeber will Kosten und Aufwand senken, der Betriebsrat die Arbeitsplätze der Arbeitnehmer erhalten bzw. Kündigungen verhindern.
  2. Die klassische „Sowohl als auch“-Lösung wäre, die betroffenen Arbeitnehmer an anderer Stelle im Betrieb weiterzubeschäftigen.
  3. Es kann aber auch anders gelöst werden: Die bisher outgesourcte Reinigung von Tanks wird wieder ins Unternehmen zurückgeholt und damit die notwendigen Arbeitsplätze geschaffen.
  4. Oder aber der Arbeitgeber lässt sich die Gefahrstoffe nicht liefern, sondern von einem eigenen Fahrdienst, bestehend aus den bisherigen Arbeitnehmern, abholen.
  5. Nach dem Motto „Keines von beidem“ behält der Arbeitgeber das Gefahrstofflager mit reduziertem Aufwand bei. Er entfernt jene Stoffe, die wegen ihrer Gefährlichkeit den größten Aufwand verursachen. Diese lässt er sich künftig liefern.
Autor*in: Martin Buttenmüller (ist Journalist und Chefredakteur des Fachmagazins Betriebsrat INTERN.)