14.03.2017

Kippt der EuGH den Urlaubsverfall?

Arbeitnehmer, die am Jahresende noch Urlaub offen haben, schauen vielfach in die Röhre, weil nicht beantragter Urlaub in der Regel verfällt. Das BAG hegt Zweifel, ob diese Regelung mit EU-Recht vereinbar ist und legte dem EuGH die Frage vor, ob ein Arbeitnehmer seinen Urlaub beantragen muss, damit er nicht verfällt.

Urlaubsverfall

Worum geht es?

Arbeitsrecht. Ein Arbeitnehmer war 13 Jahre lang aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge in einem Institut als Wissenschaftler beschäftigt. Zum 31.12.2013 sollte das Arbeitsverhältnis enden. Im Oktober 2013 forderte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf, seinen Urlaub vor Ablauf des Arbeitsverhältnisses zu nehmen. Der Arbeitnehmer nahm daraufhin im November und Dezember jeweils einen Tag Urlaub und verlangte kurz vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Abgeltung von 51 nicht genommenen Urlaubstagen. Der Arbeitgeber lehnte die Urlaubsabgeltung mit der Begründung ab, der Arbeitnehmer hätte seinen Urlaub im Hinblick auf das bekannte Arbeitsvertragsende am 31.12.2013 rechtzeitig beantragen müssen. Die Vorinstanzen gaben der Klage auf Urlaubsabgeltung statt. Sie meinten, dass der Abgeltungsanspruch bereits dann entstehe, wenn der Arbeitgeber den Urlaub von sich aus nicht rechtzeitig erteile.

Das sagt das Gericht

Das vom Arbeitgeber angerufene BAG hat bezüglich dieser Argumentation jedoch erhebliche Zweifel und legte den Fall dem EuGH vor. Es könne noch nicht abschließend entschieden werden, ob die Urlaubsansprüche mit Ablauf des Urlaubsjahres 2013 verfallen waren. Betrachte man nur das deutsche Recht, so wäre dies der Fall. Denn danach verfalle der im Urlaubsjahr nicht genommene Urlaub grundsätzlich am Ende des Urlaubsjahres, sofern – wie hier – keine Übertragungsgründe vorlägen. Arbeitgeber seien nach deutschem Recht auch nicht verpflichtet, Urlaub ohne expliziten Antrag des Arbeitnehmers zu gewähren und somit dem Arbeitnehmer den Urlaub aufzuzwingen, damit dieser nicht verfällt. Fraglich sei aber, ob sich etwas anderes aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie (RL) 2003/88/EG ergebe. Deshalb die Frage an die Luxemburger Richter (vereinfacht ausgedrückt): Muss ein Arbeitgeber Urlaub notfalls anordnen, damit er nicht verfällt? BAG, Beschluss vom 13.12.2016, Az.: 9 AZR 541/15 (A)

Das bedeutet für Sie als Betriebsrat

Im deutschen Urlaubsrecht verfällt der Urlaubsanspruch gemäß § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), wenn der Arbeitnehmer keinen expliziten Urlaubsantrag gestellt hat. D. h. der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, von sich aus Urlaub zu gewähren. Sollten die Luxemburger Richter zu dem Ergebnis kommen, dass diese Rechtslage nicht mit EU-Recht vereinbar ist, könnte das für die Zukunft bedeuten, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, für den Arbeitnehmer verbindlich die zeitliche Lage des Urlaubs innerhalb des Bezugszeitraums festzulegen, sofern der Arbeitnehmer von sich aus keinen Urlaub beantragt. Eine solche Pflicht des Arbeitgebers zur Urlaubsgewährung ohne Urlaubsantrag hätte zur Folge, dass die Personalabteilung künftig sehr sorgfältig darauf achtet, dass alle Beschäftigten bis zum Jahresende zumindest ihren vierwöchigen Mindesturlaub nehmen, was unter Umständen zu einer Renaissance der unbeliebten Betriebsferien führen könnte. Sobald der EuGH eine Entscheidung gefällt hat, erfahren Sie es hier.

Expertentipp: Vom Anwalt beraten lassen

Aus dem Betrieb ausscheidende Arbeitnehmer sollten sich hinsichtlich etwaiger Urlaubsabgeltungsansprüche aufgrund der Komplexität der Materie unbedingt anwaltlich beraten lassen und Abgeltungsbeträge frühzeitig beim Arbeitgeber anmahnen, um tarifliche und/oder arbeitsvertragliche Ausschlussfristen einzuhalten.

 Über diese Urlaubsfragen entscheidet der Betriebsrat mit

Das Thema Urlaub birgt naturgemäß enormes Konfliktpotenzial. Auch deshalb hat der Gesetzgeber die Betriebsräte hier mit einem umfangreichen Mitbestimmungsrecht in § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG ausgestattet, wonach die Gremien

  1. bei der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze,
  2. bei der Aufstellung des Urlaubsplans und
  3. bei der Festlegung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Beschäftigte, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Beschäftigten kein Einverständnis erzielt wird,

mitbestimmen.

Autor*in: Redaktion Mitbestimmung