17.05.2016

Haftstrafe kostet Schwerbehinderten den Job

Wird ein schwerbehinderter Arbeitnehmer wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, darf ihm sein Arbeitgeber – trotz tariflicher Unkündbarkeit – außerordentlich kündigen. Das geht aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hervor. BAG, Urteil vom 22.10.2015, Az.: 2 AZR 381/14

schwerbehinderter Arbeitnehmer

Worum geht es?

Arbeitsrecht. Ein schwerbehinderter Verwaltungsfachwirt arbeitete über 24 Jahre lang für das Land Nordrhein-Westfalen. Im Juli 2011 verurteilte ihn das Landgericht Aachen wegen schweren sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigung in mehreren Fällen zu einer siebeneinhalbjährigen Haftstrafe. Eine Woche nach Haftantritt, am 18.02.2013, erhielt der – tariflich unkündbare – Verwaltungsfachwirt die außerordentliche Kündigung seines Arbeitgebers „mit Auslauffrist“ zum 30.09.2013. Das Integrationsamt „bestätigte“ dem Land, dass es die Zustimmung zur Kündigung erteile. Der verurteilte Straftäter klagte gegen die Kündigung. Er meinte, es liege kein wichtiger Grund vor, der seinen Rauswurf rechtfertige. Er sei zu Unrecht verurteilt worden und rechne mit der Wiederaufnahme des Strafverfahrens. Auch die Zustimmung des Integrationsamtes sei nicht wirksam erteilt worden.

Das sagt das Gericht

Das BAG erklärte die Kündigung für rechtens. Wenn ein Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kündigung noch eine Freiheitsstrafe von über zwei Jahren zu verbüßen hat und eine vorzeitige Haftentlassung nicht zu erwarten ist, kann ihm der Arbeitgeber fristgerecht personenbedingt kündigen. Ist der Arbeitnehmer – wie hier – tariflich unkündbar, kommt eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist in Betracht. Im Streitfall liegt die Haftstrafe deutlich über zwei Jahre. Eine Weiterbeschäftigung des Straftäters ist dem Land deshalb nicht zuzumuten. Hinweise für eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens gibt es nicht. Zwar sind zugunsten des Beschäftigten seine 24-jährige beanstandungsfreie Betriebszugehörigkeit, seine Schwerbehinderung und seine künftigen schlechten Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Dennoch überwiegt das Interesse des Landes an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Schließlich hat der Beschäftigte seinen außergewöhnlich langen Ausfall selbst verschuldet. Auch die Zustimmung des Integrationsamtes erfolgte rechtzeitig und ordnungsgemäß. BAG, Urteil vom 22.10.2015, Az.: 2 AZR 381/14

Das bedeutet für Sie als Betriebsrat

Bei einer Verurteilung zu einer Haftstrafe von mehr als zwei Jahren, die nicht zur Bewährung ausgesetzt ist, darf der Arbeitgeber dem verurteilten Beschäftigten in der Regel personenbedingt kündigen und die Stelle neu besetzen (BAG, Urteil vom 24.03.2011, Az.: 2 AZR 790/09). Dem Arbeitgeber kann in diesem Fall nicht zugemutet werden, den Arbeitsplatz zu reservieren und Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen.

Hinweis

Reagiert das Integrationsamt innerhalb einer zweiwöchigen Frist nicht auf den Zustimmungsantrag des Arbeitgebers hinsichtlich einer außerordentlichen Kündigung, gilt die Zustimmung als erteilt.

So überprüfen Sie die Rechtsmäßigkeit einer personenbedingten Kündigung

Eine personenbedingte Kündigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner persönlichen Fähigkeiten und Eigenschaften nicht (mehr) in der Lage ist, seine Arbeitsleistung ganz oder teilweise zu erbringen.

Autor*in: Redaktion Mitbestimmung