11.03.2021

Von der Abmahnung zur Kündigung: Die wichtigsten Infos für Arbeitgeber

Vor Gericht befindet sich der Mensch zwar nicht in Gottes Hand. Aber um auch das geringste Gefühl, es sei dem so, zu vermeiden, sollte er ein paar wichtige Verfahrensschritte kennen. Denn: was Gerichte gar nicht mögen, ist, wenn Sie als betroffener Arbeitgeber sich nicht an die Regeln halten.

Kündigung

Wenn Sie einen straffälligen Mitarbeiter kündigen: was soll da vor Gericht schiefgehen?

Eine ganze Menge kann da schiefgehen. Da kann Ihr Mitarbeiter noch so stichhaltig belastet sein, z.B. seine arbeitsvertragliche Pflichten bewiesener Maßen verletzt haben oder eine Straftat begangen haben: wenn Sie als Arbeitgeber ihn deswegen kündigen, landet die Sache meistens vor Gericht. Und hierfür gilt es vorzusorgen. Wenn Sie das nicht sorgfältigst vorbereiten, kann es für Sie vor Gericht ein böses Erwachen geben.

Welche Vorsorge sollten Sie als Arbeitgeber bei Kündigung eines Arbeitnehmers treffen?

Bereiten Sie sich zunächst darauf vor, dass Ihr Mitarbeiter sich nach dem Kündigungsschutzgesetz gegen Ihre Kündigung zu wehren versuchen wird!

Was bedeutet Kündigungsschutz?

Nicht jeder Mitarbeiter genießt ihn. Davon aber hängt in erster Linie davon ab, ob eine Kündigung durch Sie als Arbeitgeber Probleme mit sich bringt oder nicht. Wenn Sie einen Kleinbetrieb haben und nicht mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigen, sind Sie hier privilegiert. Der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) gilt dann für sie nicht; er lässt eine Kündigung nur zu aus:

  • verhaltens-,
  • personen- oder
  • betriebsbedingten Gründen.

In Ihrem Kleinbetrieb können Sie als Arbeitgeber einem Mitarbeiter daher ordentlich – also unter Einhaltung der jeweils geltenden Kündigungsfrist – kündigen und brauchen die Kündigung sachlich nicht zu rechtfertigen.

Ihr Kleinbetrieb als rechtsfreier Raum?

Nein. Auch Sie als Arbeitgeber eines Kleinbetriebes können nicht grenzenlos schalten und walten. Außerordentlich fristlos können Sie – ebenso wie in größeren Unternehmen – nur, wenn ein wichtiger Grund nach § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorliegt. Außerdem gibt es auch im Kleinbetrieb der Sonderkündigungsschutz, d. h., die grundsätzlich mögliche Kündigung von

  • Schwangeren,
  • in Elternzeit befindlichen Mitarbeitern oder
  • schwerbehinderten Mitarbeitern unter besonderen und erschwerten Bedingungen.

Vorsicht ist überdies geboten, wenn Sie die Kündigung eines Mitarbeiters erwägen, der seinen Pflichten nicht vertragsgemäß nachkommt, sich aber ständig auf seine Rechte beruft. Auch im Kleinbetrieb gilt nämlich das Maßregelungsverbot des § 612a BGB. Danach wäre eine Kündigung durch Sie als Arbeitgeber unwirksam, weil ein Mitarbeiter in zulässiger Weise seine Rechte verfolgt hat. Um zu vermeiden, dass sich ein Mitarbeiter auf das Maßregelungsverbot beruft, sollte Sie als Arbeitgeber ihm zeitlich nicht zu nah nach der Geltendmachung von Rechten durch ihn kündigen.

Was also, wenn es zu einem Kündigungsschutzprozess kommt?

Angenommen, Sie werfen ihm arbeitsvertragswidriges Verhalten vor. Dann hängt es von mehreren Faktoren ab, ob Ihre Kündigung vor dem Arbeitsgericht Bestand hat. Um Ihre Chancen dafür besser abschätzen zu können, sollten Sie die Art des Fehlverhaltens bestimmen. Handelt es sich um:

  • Verletzung arbeitsvertraglicher Hauptleistungspflichten, z. B.:
    • Arbeitsverweigerung,
    • unentschuldigtes Fehlen,
    • Schlechtleistung,
  • Verstöße gegen Nebenleistungspflichten, z. B.:
    • der Anzeige- oder Nachweispflichten bei Krankheit,
    • die Betriebsordnung,
    • betriebliche Corona-Arbeitsschutzanordnungen,
  • Verletzungen im Vertrauens- oder Verhaltensbereich, z. B.:
    • Eigentums- oder Vermögensdelikte zulasten des Arbeitgebers,
    • Arbeitszeitbetrug,
    • sexuelle Übergriffe?

Welche Art von Fehlverhalten könnte Ihre Kündigung am ehesten begründen?

Darüber lässt sich keine allgemeingültige Feststellung treffen. Vielleicht so viel: In der Regel sehen die Gerichte Verstöße gegen arbeitsvertragliche Hauptleistungspflichten oder Pflichtverletzungen im Vertrauensbereich als schwerwiegender an als die Verletzung von Nebenpflichten. Bevor Sie als Arbeitgeber eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen, sollten Sie ein Fehlverhalten Ihres Mitarbeiters sorgfältig prüfen:

  • mit kühlem Kopf
  • gewichten und
  • auf seine Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis abklopfen.

Kann jede Art von Verhalten eine verhaltensbedingte Kündigung begründen?

Nein, aufgrund einer Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten nur ein Verhalten, dass Ihr Mitarbeiter hätte steuern können. Ist zum Beispiel Ihr Mitarbeiter nicht ausreichend geeignet und hätte daher sein Verhalten nicht beeinflussen können, liegt möglicherweise ein personenbedingter Kündigungsgrund vor. Einen solchen würde das Gericht anhand anderer Kriterien bewerten. Um das eine vom anderen unterscheiden zu können, fragen Sie sich als Personalverantwortlicher vor Ausspruch einer Kündigung:

  • Will der Mitarbeiter seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht erfüllen: hier läge ein verhaltensbedingter Grund vor; oder
  • Kann er sie nicht erfüllen: was einen personenbedingten Grund naheläge.

Wann ist eine Kündigung arbeitsrechtlich gerechtfertigt?

Wenn Sie als Arbeitgeber bei dem von Ihnen gekündigten Mitarbeiter auch in Zukunft damit rechnen müssen, dass er ähnliche Vertragsverstöße begeht und Ihnen daher eine Fortsetzung Ihres Arbeitsverhältnisses mit ihm nicht zuzumuten wäre.

Worauf können Sie als Arbeitgeber so eine negative Prognose stützen?

Ein Gericht würde sie anerkennen, wenn:

  • Sie als Arbeitgeber Ihren gekündigten Mitarbeiter vorher abgemahnt hätten,
  • dieser dann weitere Vertragsverstöße begangen hätte oder
  • zu erwarten wäre, dass sein Vertragsverstoß sich auch zukünftig belastend auf Ihr Arbeitsverhältnis auswirken wird.

Vorherige Abmahnung – muss das sein?

Ja, ohne eine solche wäre Ihre Kündigung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit chancenlos. Denn: Kommt es zu einem Kündigungsschutzprozess, so stellt sich dem Gericht bei jeder verhaltensbedingten Kündigung unweigerlich die Frage nach einer oder mehrerer solcher vorher ergangenen Abmahnungen, und seien sie auch noch so erfolglos.

Ohne vorherige erfolglose Abmahnung ist eine Kündigung nur bei besonders schwerwiegenden Vertragsverstößen möglich. Ein Mitarbeiter hätte von vorneherein nicht davon ausgehen können müssen, dass Sie als Arbeitgeber sie dulden würden. Dies bejahten die Gerichten früher bereits bei Kleinstdiebstählen. Seit einigen Jahren verlangen die Arbeitsgerichte bei kleineren Diebstählen jedoch das Vorliegen einer Abmahnung und insbesondere dann, wenn ein Arbeitsverhältnis bereits viele Jahre bestanden hat.

Was ist der Denkansatz hinter dieser Frage?

Nach der Rechtsprechung soll eine Kündigung nicht als Sanktion für ein Verhalten aus der Vergangenheit dienen, sondern wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit immer nur ultima ratio sein, das letzte Mittel, um Vertragsverstößen zu begegnen. Solange die begründete Möglichkeit besteht, Ihr Mitarbeiter könnte sich durch ein milderes Mittel von weiteren Pflichtverletzungen abhalten lassen, ist eine Kündigung ungerechtfertigt. Ein milderes Mittel könnte beispielsweise sein:

  • Abmahnung oder
  • Versetzung.

Begeht Ihr Mitarbeiter nach einer Abmahnung dann einen oder mehrere gleichartige Vertragsverstöße, lässt sich eher prognostizieren, dass ein milderes Mittel als die Kündigung nicht mehr greifen dürfte und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber wegen einer negativen Zukunftsprognose nicht mehr zuzumuten wäre.

Ist es egal, wie Sie die Abmahnung abfassen?

Nein, nicht jede Abmahnung hat vor Gericht Bestand, sondern nur eine korrekte – selbst wenn Sie sie ausdrücklich als Abmahnung bezeichnet haben und ihr der Mitarbeiter in der Vergangenheit nicht widersprochen hat. Ob Ihre Abmahnung formal und inhaltlich korrekt gewesen ist, kann das Arbeitsgericht noch Jahre nach dem abgemahnten Vorfall in einem Kündigungsschutzprozesses überprüfen. Deswegen sollten Sie als Arbeitgeber Ihre Abmahnung daher in jedem Fall schriftlich erteilen; sie sollte folgende Bestandteile enthalten:

  • Genaue Dokumentation des beanstandeten Verhaltens:
    • Zeit- und Datumsangabe
    • genaueste Beschreibung des von Ihnen Ihrem Mitarbeiter gemachten Vorwurfes
    • keine schlagwortartigen Umschreibungen.
  • Hinweis auf Wertung als Vertragsverstoß: Weisen Sie in Ihrer Abmahnung Ihren Arbeitnehmer darauf hin, dass Sie als Arbeitgeber:
    • sein beanstandetes Verhalten als Vertragsverstoß ansehen und
    • daher künftig Vertragstreue von ihm erwarten.
  • Warnung und Androhung von Konsequenzen: Warnen Sie in Ihrer Abmahnung Ihren Arbeitnehmer ausdrücklich davor, dass ihm im Wiederholungsfall Konsequenzen und Kündigung des Arbeitsverhältnisses drohen.

Müssen Sie als Arbeitgeber in einer Abmahnung Fristen einhalten?

Nein, Sie brauchen bei einer ordentlichen, verhaltensbedingten Kündigung grundsätzlich keine Vorgaben einzuhalten, in welchem Zeitrahmen Sie die Kündigung nach dem Vorfall auszusprechen gedenken. Sie sollten aber mit der Erteilung einer Abmahnung nach einem Vertragsverstoß nicht zu lange zuwarten. Sie können nur nach erfolgter Abmahnung einen weiteren Verstoß zur Kündigung heranziehen. Sie müssen allerdings eine außerordentliche Kündigung innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen aussprechen. Versäumen Sie als Arbeitgeber diese Frist, ist die Kündigung unheilbar, also unveränderlich, unwirksam. In diesem Fall bliebe Ihnen als Arbeitgeber nur die ordentliche Kündigung, sofern diese nicht wegen eines Sonderkündigungsschutzes des Mitarbeiters ausgeschlossen wäre.

Was kann eine Interessenabwägung für sie als kündigender Arbeitgeber bedeuten?

Sie kann noch wieder alles auf den Kopf stellen. Wie bei einer außerordentlichen Kündigung muss sie bei einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung umfangreich sein. Da kommt alles in die Waagschale:

  • Ihre berechtigten Interessen als Arbeitgeber an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ebenso wie
  • die Belange Ihres Arbeitnehmers an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.

Eine Kündigung mag Ihnen zunächst als gerechtfertigt erscheinen, und dann kann sie sich unter Umständen doch noch als unwirksam erweisen. Je schwerwiegender der Verstoß ist, desto mehr müssen die Interessen des Mitarbeiters jedoch in den Hintergrund treten.

Welche Gründe berechtigen eine außerordentliche im Unterschied zu einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung?

Grundsätzlich keine. Kündigungsgründe für die eine können grundsätzlich auch die andere rechtfertigen. Kündigungsgründe für Letztere begründen aber nur dann eine außerordentliche, fristlose Kündigung im Sinne des § 626 BGB, wenn

  • der Vertragsverstoß
    • besonders schwerwiegend und
    • daher geeignet ist, überhaupt einen Grund zur fristlosen Kündigung darzustellen und
  • im Einzelfall eine umfangreiche Abwägung der beiderseitigen Interessen zugunsten des Arbeitgebers ausfällt.

Als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB gelten insbesondere:

  • Straftaten,
  • rassistisches Verhalten,
  • sexuelle Übergriffe oder
  • Wettbewerbsverstöße.

Grundsätzlich halten aber auch hier die Gerichte vielfach eine Abmahnung für erforderlich.

Über Risiken einer krankheitsbedingten Kündigung informiert Sie unser Beitrag „Überschaubares Risiko bei der krankheitsbedingten Kündigung“.

In dem Beitrag „Sonderkündigungsschutz – wichtig für Arbeitgeber!“ geben wir Ihnen eine Reihe mit weiterführenden Lesetipps an die Hand für den Fall, dass Sie sich näher mit Kündigung befassen wollen.

Kein Inhalt ohne Form. Wie Sie als Arbeitgeber sozusagen formvollendet in Ihren Kündigungsprozess gehen, erfahren Sie in unserem Beitrag „Diese Formalitäten müssen Arbeitgeber bei der Kündigung beachten!“.

Autor*in: Franz Höllriegel