29.11.2016

EuGH: Keine Kettenbefristungen für dauerhaften Personalbedarf

Arbeitgeber dürfen Kettenbefristungen zur Deckung eines zeitweiligen Personalbedarfs nicht dazu nutzen, einen ständig bestehenden Bedarf zu decken. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden. Danach dienen befristete Verträge nicht dazu, einen strukturellen Mangel an Planstellen zu beheben.

Kettenbefristungen

Worum geht es?

Arbeitsrecht. Eine spanische Arbeitnehmerin war von Februar 2009 bis Juni 2013 auf Basis von acht befristeten Arbeitsverträgen ununterbrochen für ein Krankenhaus in Madrid als Krankenschwester tätig. Die Befristung wurde jeweils mit dem Hinweis „Ausführung bestimmter zeitlich begrenzter, konjunktureller oder außerordentlicher Dienste“ gerechtfertigt. Nach Auslaufen der letzten Befristung klagte die Beschäftigte gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, weil die Befristungen ihres Erachtens nicht der Deckung eines konjunkturellen oder außerordentlichen Bedarfs gedient hätten, sondern in Wirklichkeit einer dauerhaften Tätigkeit entsprächen. Das zuständige spanische Gericht fragte beim EuGH nach, ob die spanische Regelung, die die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge im Bereich der Gesundheitsdienste zulässt, mit dem EU-Recht vereinbar ist.

Das sagt das Gericht

Der EuGH verneinte die Frage. Einer nationalen Regelung, die eine Verlängerung befristeter Arbeitsverträge zur Deckung eines zeitweiligen Personalbedarfs ermöglicht, während dieser Bedarf in Wirklichkeit ständig besteht, stehe EU-Recht entgegen. Verträge dürften nicht für ständige und dauerhafte Aufgaben verlängert werden, die zur normalen Tätigkeit des festen Krankenhauspersonals gehören. Im Streitfall beruhten die aufeinanderfolgenden Verträge offensichtlich nicht auf einem bloß zeitweiligen Bedarf des Arbeitgebers, sondern auf einem strukturellen Mangel an Planstellen im Bereich der Gesundheitsdienste. EuGH, Urteil vom 14.09.2016, Rs.: C-16/15

Das bedeutet für Sie als Betriebsrat

Zwar erkennt das höchste europäische Gericht an, dass die vorübergehende Vertretung eines Arbeitnehmers zur Deckung eines zeitweiligen Bedarfs einen sachlichen Grund darstellen kann. Der sachliche Grund muss aber die Erforderlichkeit der Deckung eines zeitweiligen und nicht eines ständigen Bedarfs konkret rechtfertigen können. Mit dieser Entscheidung des EuGH sind die Arbeitgeber künftig noch stärker dazu gezwungen, darauf zu achten, dass die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge bzw. die Aneinanderreihung mehrerer befristeter Arbeitsverträge nicht der Abdeckung eines dauerhaften Bedarfs dient.

Hinweis: Ab wann Rechtsmissbrauch?

Für einen Rechtsmissbrauch sprechen nach der Rechtsprechung des EuGH vor allem eine sehr lange Gesamtdauer und/oder eine außergewöhnlich hohe Anzahl von aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen mit demselben Arbeitgeber.

Missbrauchskontrolle: Zahl und Dauer sind Indizien für Rechtsmissbrauch

Von einer Kettenbefristung spricht man, wenn ein Arbeitsverhältnis bei demselben Arbeitgeber immer wieder durch einen neuen befristeten Arbeitsvertrag verlängert wird. Trotz des Vorliegens eines sachlichen Grundes für eine Befristung kann diese rechtsmissbräuchlich und somit unwirksam sein. An einen solchen – nur ausnahmsweise anzunehmenden – Rechtsmissbrauch stellt der EuGH hohe Anforderungen (EuGH, Urteil vom 26.01.2012, Az.: C-586/10). Es müssen alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere jedoch die Gesamtdauer und die Anzahl der in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber geschlossenen aufeinander folgenden befristeten Verträge, berücksichtigt werden.

Hinweis: Gesamtdauer ist entscheidend

Eine Gesamtdauer von über elf Jahren und die Anzahl von 13 Befristungen sprechen dafür, dass der Arbeitgeber die Möglichkeit der Vertretungsbefristung rechtsmissbräuchlich ausgenutzt hat (BAG, Urteil vom 18.07.2012, Az.: 7 AZR 443/09).

Autor*in: Redaktion Mitbestimmung