25.04.2019

Aufhebungsvertrag: Kein Widerruf möglich!

Ein Arbeitnehmer kann einen Aufhebungsvertrag nicht widerrufen. Auch dann nicht, wenn dieser in einer Privatwohnung geschlossen wurde, sagt das BAG. Er kann jedoch unwirksam sein, wenn z.B. der Arbeitgeber das Gebot des fairen Verhandelns missachtet hat.

Eine Reinigungskraft hatte einen Aufhebungsvertrag widerrufen und war gerichtlich gegen ihn vorgegangen.

Laut BAG kann Aufhebungsvertrag nicht widerrufen werden

Aufhebungsverträge sind mittlerweile gang und gäbe im unternehmerischen Alltag. Die Vorteile für Arbeitgeber liegen auf der Hand: Kündigungsfristen sind uninteressant und Kündigungsgründe muss man auch keine parat haben. Ein solcher Vertrag ist ohne Grund wirksam und kann laut Bundesarbeitsgericht (BAG) auch nicht widerrufen werden – selbst wenn der Vertrag nicht am Unternehmensstandort, sondern in der Wohnung des Arbeitnehmers geschlossen wurde. Auch dann gilt beim Aufhebungsvertrag: Kein Widerruf möglich!

So war es in einem Fall, der gerade vor dem BAG entschieden wurde: Geklagt hatte eine Reinigungskraft, die bei sich zu Hause mit einem Aufhebungsvertrag konfrontiert worden war. Darin war die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgesehen, eine Abfindung hingegen nicht.

Reinigungskraft ging gerichtlich gegen Aufhebungsvertrag vor

Kurze Zeit, nachdem sie den Vertrag unterzeichnet hatte, ging sie gerichtlich gegen diese Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses vor. Ihrer Meinung nach sei der Aufhebungsvertrag wegen Irrtums, arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung anfechtbar und daher unwirksam. Hilfsweise widerrief sie den Aufhebungsvertrag.

Über den Anlass für den Aufhebungsvertrag und wie genau die Unterzeichnung stattgefunden hat, waren sich die Parteien offensichtlich nicht einig. Die Reinigungskraft erklärte vor Gericht, sie sei an diesem Tag krank und daher zu Hause gewesen.

Keine Anfechtung ohne Grund

Die Erfurter Richter bestätigten das Urteil der Vorinstanz, des LAG Niedersachsen, und erklärten, die Frau habe den Aufhebungsvertrag nicht wirksam anfechten können, da kein Anfechtungsgrund vorliege. Darüber hinaus sei auch ein Widerruf des Aufhebungsvertrags rechtlich nicht möglich.

Auch dass der Vertrag im Haushalt der Arbeitnehmerin unterzeichnet worden war, spiele keine Rolle. Vor allem könne ein Aufhebungsvertrag nicht nach Verbraucherschutzvorschriften als sog. „Haustürgeschäft“ widerrufen werden.

Auch wenn Arbeitnehmer grundsätzlich als Verbraucher betrachtet werden können – so die aktuelle Rechtsprechung des BAG –, gelte das Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen nicht für den Abschluss arbeitsrechtlicher Aufhebungsverträge. Nach dem Willen des Gesetzgebers seien diese nicht in den Anwendungsbereich der §§ 312 ff. BGB einzubeziehen, erklärten die Richter des obersten Arbeitsgerichts.

Hinweis

Verbraucher haben bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen gemäß § 312 Abs. 1 i.V.m. § 312g BGB ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB. Hierzu zählen auch Verträge, die in Privatwohnungen geschlossen werden.

Gebot des fairen Verhandelns

Ein Hintertürchen ließen die Richter jedoch offen. Das LAG Niedersachsen habe nicht geprüft, ob der Arbeitgeber das „Gebot fairen Verhandelns“ beachtet hat, als er der Arbeitnehmerin den Vertrag zu Hause vorlegte.

Dieses Gebot sei eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Diese werde verletzt, wenn eine Vertragspartei eine psychische Drucksituation ausnutzt und der Gegenseite damit eine freie und überlegte Entscheidung über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags erheblich erschwert. In so einem Fall könne der Aufhebungsvertrag unwirksam sein.

Schadensersatz und Weiterbeschäftigung

Die Erfurter Richter sahen es durchaus als möglich an, dass die Arbeitgeberseite hier eine krankheitsbedingte Schwäche der Reinigungskraft bewusst ausgenutzt habe. Sollte sich dies bewahrheiten, sei das Unternehmen schadensersatzpflichtig.

Juristen nennen dies „Naturalrestitution“: Nach § 249 Abs. 1 BGB muss der Arbeitgeber den Zustand herstellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand (die Pflichtverletzung) nicht eingetreten wäre. In diesem Fall bedeutet das konkret: Das Unternehmen muss die Reinigungskraft so stellen, als hätte es den Aufhebungsvertrag nicht gegeben, muss sie also weiterbeschäftigen.

Das LAG Niedersachsen hat die Sache jetzt wieder auf dem Tisch, um die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrags unter diesen Gesichtspunkten erneut zu beurteilen (BAG, Urteil vom 7.2.2019, Az. 6 AZR 75/18).

Autor*in: Dr. Stephanie Kaufmann-Jirsa