26.08.2024

Chaos um die Lieferketten: CSDDD vs. LkSG – was jetzt gilt

Am 24.05.2024 hat der Europäische Rat der EU-Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD) zugestimmt – die Zustimmung des Parlaments wurde schon einen Monat vorher erteilt. Am 5. Juli 2024 wurde dann die CSDDD bezüglich der Sorgfaltspflichten in der Wertschöpfungskette von Unternehmen mit der amtlichen Bezeichnung Richtlinie (EU) 2024/1760 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Was bedeutet das für das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), kurz Lieferkettengesetz?

Deutsches Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz gilt schon seit 2023

Schon seit 2023 bzw. 2024 müssen deutsche Unternehmen mit in der Regel mehr als 3.000 bzw. 1.000 Beschäftigten das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) umsetzen. Am 29.04.2024 hat allerdings das für das LkSG zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eine Verlängerung der Schonfrist für die LkSG-Berichte bekannt gegeben. Diese werden damit erstmals ab dem 01.01. 2025 geprüft.

Praxistipp

Für Berichte, deren Übermittlung und Veröffentlichung bereits vor diesem Zeitpunkt fällig sind, gilt somit, dass Fristüberschreitungen nicht sanktioniert werden, wenn der Bericht spätestens zum 31.12.2024 beim BAFA vorliegt!

Ursächlich für die Verlängerung ist, dass Deutschland die europäische Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Richtlinie (EU) 2022/2464) derzeit in nationales Recht umsetzt, die sich auf die Berichterstattung nach dem LkSG auswirken wird.

Bundeswirtschaftsminister will Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz „pausieren“ lassen

Am 07.06.2024 kündigte Wirtschaftsminister Robert Habeck auf dem Tag des Familienunternehmens überraschend an, sich dafür einzusetzen, das LkSG für zwei Jahre auszusetzen. Dies begründete er sinngemäß damit, dass die Regelungen der CSDDD erst in zwei Jahren umgesetzt werden müssten.

O-Ton laut FAZ: „Wir können das Gesetz jetzt – auch mit Blick auf das, was dann europäisch irgendwann national umgesetzt werden wird in zwei Jahren ungefähr – pausieren.“ Die CSDDD solle dann schlank und bürokratiearm umgesetzt werden. Die Ankündigung des Wirtschaftsministers stieß vor allem bei der SPD, aber auch bei den Grünen auf erheblichen Widerstand.

Ob ein solches Moratorium zu einer tatsächlichen Bürokratieentlastung führt, wird von vielen Experten angezweifelt, da der Großteil der verpflichteten Unternehmen schon seit Längerem die Umsetzung des LkSG geplant und signifikante finanzielle und sachliche Ressourcen dafür eingesetzt hat.

Spätestens zum Jahresbeginn 2024 mussten diese Unternehmen nämlich schon interne Ressourcen für die Überwachung des Risikomanagements bereitstellen und ein LkSG-Beschwerdeverfahren einführen (siehe FAQ zum LkSG von BMWK, BMAS und BAFA).

Hinweis

Der künftige Umgang mit dem deutschen LkSG soll auch im Rahmen des sogenannten „Wachstumspakets“ geregelt werden.

Das Paket ist ein wichtiger Bestandteil des Haushaltskompromisses vom 05.07.2024. Wie eine Lösung im Einzelnen aussehen wird, werden die nächsten Wochen zeigen.

Lieferkettenrichtlinie enthält Stufenplan

Gemäß Artikel 37 Abs. 1 CSDDD wird der zeitliche Anwendungsbereich für Unternehmen gestaffelt:

  • Ab dem 26.07.2027 gilt die Richtlinie für EU-Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als 1.500 Millionen Euro (für Drittstaatenunternehmen gilt die Nettoumsatzgrenze bezogen auf europaweite Umsätze ebenfalls).
  • Ab dem 26.07.2028 gilt die Richtlinie für EU-Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als 900 Millionen Euro (für Drittstaatenunternehmen gilt die Nettoumsatzgrenze bezogen auf europaweite Umsätze ebenfalls).
  • Ab dem 26.07.2029 gilt die Richtlinie für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als 450 Millionen Euro (für Drittstaatenunternehmen gilt die Nettoumsatzgrenze bezogen auf europaweite Umsätze ebenfalls).

Außerdem müssen Unternehmen ebenfalls gestaffelt und frühestens für ab dem 01.01.2028 beginnende Geschäftsjahre jährlich einen Bericht über die Beachtung ihrer Sorgfaltspflichten auf ihrer Internetseite veröffentlichen (Artikel 16 Abs. 1 CSDDD).

Praxistipp

Unternehmen, die einen Nachhaltigkeitsbericht gemäß Artikel 19a, 29a und 40a der Bilanzrichtlinie 2013/34/EU aufstellen müssen, sind von der Veröffentlichung des CSDDD-Berichts befreit (Artikel 16 Abs. 2 CSDDD).

Schutzgüter der Lieferkettenrichtlinie

Laut CSDDD sollen die betroffenen europäischen Unternehmen gewährleisten, dass sie selbst, die Nutzer ihrer Produkte sowie ihre Zulieferer auf den Schutz der Menschenrechte, der Biodiversität und der Umwelt achten. Dies beinhaltet insbesondere die folgenden sechs Punkte:

  1. Achtung der grundsätzlichen Arbeitnehmerrechte, wie sie in den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) festgehalten sind (bspw. Vereinigungsfreiheit, Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit, Gleichheit des Entgelts, Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf etc.)
  2. Achtung der universalen Menschenrechte (bspw. Freiheit und Sicherheit der Person, körperliche Unversehrtheit, Rechtsfähigkeit und Gleichheit vor dem Gesetz, Privatsphäre, räumliche Freiheit, Essen und Grundversorgung sowie Erholung und Freizeit)
  3. Schutz der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme
  4. Schutz der Gewässer und der Luftqualität
  5. Bekämpfung des Klimawandels
  6. Vermeidung von Umweltverstößen, wie bspw. Treibhausgasemissionen, Umweltverschmutzung oder die Zerstörung der biologischen Vielfalt und die Zerstörung von Ökosystemen

Konkrete Unternehmensanforderungen

Betroffene Firmen müssen ihre unternehmerischen Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette und in Bezug auf Menschenrechte und Umwelt erfüllen. Dazu müssen sie u. a. den nachfolgenden Anforderungen nachkommen:

  • Ermittlung der tatsächlichen oder etwaigen negativen Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt, um dann geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um diese zu verhindern, abzuschwächen oder zu beheben
  • Integration der Sorgfaltspflichten in Unternehmenspolitik und Managementsysteme
  • Kontroll- und Überwachungspflicht bezüglich der Wirksamkeit dieser Maßnahmen
  • Einrichtung von Beschwerdeverfahren und Zugangsgewährung für alle Personen entlang der Lieferkette
  • transparente und öffentliche Information durch die Unternehmen über die Einhaltung der Sorgfaltspflichten (inklusive Jahresbericht)
  • Pflicht zur Erstellung eines Transformationsplans für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 150 Millionen, wie das Unternehmen einen Beitrag zu den Emissionsreduktionszielen des Pariser Klimaabkommens leisten will
  • Verpflichtung von Aufsichts- und Verwaltungsräten, auf die Einhaltung der Sorgfaltspflichten zu achten und entsprechende Auskünfte vom Management einzuholen

Achtung

Während sich das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz vor allem auf die eigenen Standorte und die unmittelbaren Lieferanten bezieht (mittelbare Lieferanten nur anlassbezogen aufgrund substanzieller Kenntnis), geht die CSDDD-Richtlinie weit darüber hinaus – sowohl vorgelagerte als auch nachgelagerte Tätigkeiten fallen in den Anwendungsbereich.

Dies bedeutet, dass auch mittelbare Lieferanten betroffen sind.

Vorsicht Falle: zivilrechtliche Haftung droht!

Die Richtlinie enthält – im Gegensatz zum deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – eine zivilrechtliche Haftungsklausel. Wenn es direkt verpflichtete Unternehmen versäumt haben, die vorgeschriebenen Präventions- und Abhilfemaßnahmen umzusetzen, können sie für Schäden haftbar gemacht werden, die einer natürlichen oder juristischen Person dadurch entstanden sind.

Fazit

Aktuell entstehen durch das Nebeneinander von europäischen und deutschen Lieferkettenanforderungen mehr Fragen als Antworten. Es ist zu hoffen, dass die Bundesregierung in den nächsten Monaten für Klarheit sorgen wird. In unseren Augen ist aber viel problematischer, dass die europäische Richtlinie mit ihrem Übermaß an bürokratischen Auflagen jetzt auch die kleinen Zulieferer miteinbezieht.

Unternehmen und QM sollten sich sofort mit dem neuen Rechtsrahmen vertraut machen.

Autor*in: Ernst Schneider