01.04.2021

Logistikbetrieb im Wohngebiet: Empfehlung für Gewerbeämter

Ein Gewerbeamt bestätigte die Anmeldung eines „Logistikunternehmens“ in einem allgemeinen Wohngebiet. Wen wundert es, dass dies erst der Anfang einer Reihe von Problemen ist?

Logistikbetrieb Wohngebiet

Gewerbeanmeldung bestätigt

Der Eigentümer eines Wohngrundstücks in einer Gemeinde in Nordhessen meldete vor 2 Jahren ein Gewerbe mit dem Tätigkeitsbereich „Logistik“ auf diesem Grundstück im Gewerbeamt an. Das Gewerbeamt bestätigte die Anmeldung und stellte eine Empfangsbescheinigung aus.

Nachbarbeschwerden

Nachdem das Logistikunternehmen seinen Betrieb aufgenommen hatte, stellten sich die ersten Nachbarbeschwerden ein: Mitten in der Nacht würden Waren mit LKWs angeliefert und geräuschvoll entladen, das Grundstück würde sich in einen Schrottplatz verwandeln, Reifen gestapelt, abgemeldete Fahrzeuge abgestellt usw. Das Anliefern, umladen und der Abtransport der Waren würde die Straße zeitweise unpassierbar machen. Ein Doppeldeckerbus (offensichtlich aus Großbritannien) ist für den Hof zu lang und ragt teilweise auf den Gehweg.

Logistikbetrieb Wohngebiet

Logistikbetrieb im Wohngebiet zulässig?

Ein allgemeines Wohngebiet nach der Baunutzungsverordnung (BauNVO) dient vorwiegend dem Wohnen. Die zulässigen Bauvorhaben ergeben sich aus § 4 BauNVO. Das allgemeine Wohngebiet ist geprägt durch Wohngebäude, Läden, Gastwirtschaften und nicht störende Handwerksbetriebe. Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke können aber errichtet werden. Hierzu zählen Betriebe des Beherbergungsgewerbes ohne Größenbegrenzung, z.B. Pensionen, sowie nicht störende Gewerbebetriebe, Verwaltungsgebäude, Gärtnereien und auch Tankstellen.

Fraglich ist, welcher Gewerbebetrieb nicht stört bzw. in welchen Fällen von einem störenden Gewerbebetrieb auszugehen ist. Als Immissionsrichtwerte gelten tagsüber 55 Dezibel und nachts 40 Dezibel. Störungsquellen sind aber nicht nur Lärmimmissionen, sondern auch Beeinträchtigungen durch Gerüche.

Tätigkeiten, die einen verstärkten, in Wohngebieten störenden Ziel- und Quellverkehr erwarten lassen, sowie Nutzungen, für die nicht ausreichend Parkplätze bereitgestellt werden können, sind unzulässig.

Dürfen Altfahrzeuge auf dem Grundstück dauerhaft abgestellt werden?

Nicht angemeldete Fahrzeuge dürfen grundsätzlich auf eingezäunten Grundstücken abgestellt werden. Fehlt eine Umzäunung, wird der Parkplatz als öffentlicher Verkehrsraum angesehen, auch wenn das Fahrzeug nicht stört. Denn die Fläche ist für Dritte zugänglich und kann für sie eine Gefahr darstellen.

Wird ein Fahrzeug oder mehrere über längere Zeit auf einem Grundstück (ob eingezäunt oder nicht) abgestellt, stellt sich die Frage, ob das Grundstück zur Abfallentsorgung genutzt wird. Nach dem Abfallrecht ist ein Fahrzeug Abfall, wenn sich der Besitzer des Fahrzeugs entledigt, entledigen will oder entledigen muss.

Unsere Empfehlung

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Die Anlaufstellen-Leitlinien Nr. 9 des Bundesumweltamtes beschreiben die Kriterien, die dafür maßgeblich sind, ob ein Fahrzeug noch als Gebrauchtwagen oder als Abfall anzusehen ist. Kann ein Fahrzeug z.B. nicht repariert werden oder ist es nicht betriebsbereit, laufen Betriebsflüssigkeiten aus, sind wesentliche Bauteile beschädigt oder ist der Termin für die Hauptuntersuchung länger als zwei Jahre überzogen, handelt es sich um Abfall. Das Fahrzeug ist als Abfall einzustufen und entsprechend der Altautoverordnung an einen zertifizierten Verwertungsbetrieb zu übergeben.

Logistikbetrieb Wohngebiet

Können gelagerte Paletten auf dem Gehweg akzeptiert werden?

Das Lagern von Paletten auf einem Gehweg gehört nicht mehr zum Gemeingebrauch der Straße und ist Sondernutzung. Das Erteilen einer Sondernutzungserlaubnis scheidet aus, weil von den Paletten eine Gefahr für die Passanten ausgeht, die auch nicht durch Nebenbestimmungen ausgeräumt werden kann. Dies gilt auch für den Doppeldeckerbus, der für Passanten ein Hindernis darstellt.

Wie können die Probleme gelöst werden?

Die Gemeinde informiert die Bauaufsicht des Landkreises und die zuständige Abfallbehörde:

  • Die Bauaufsicht prüft, ob eine Nutzungsänderung des Grundstücks vorliegt. Ist das der Fall – wovon hier auszugehen ist –, wird sie eine Nutzungsuntersagung auf der Grundlage der Landesbauordnung aussprechen.
  • Die zuständige Abfallbehörde prüft, ob die Altfahrzeuge und die auf dem Grundstück gelagerten Gegenstände, z.B. Altreifen, Paletten oder Holzreste, als Abfall zu werten sind. Ist das der Fall, wird sie die fachgerechte Entsorgung des Abfalls verfügen und ggf. ein Bußgeldverfahren eröffnen bzw. einen Antrag auf Eröffnung eines Strafverfahrens bei der Staatsanwaltschaft stellen.
    Hinweis: § 69 Abs. 2 KrWG sieht bei Erfüllung eines von 15 aufgeführten Tatbeständen Bußgelder bis zu 100.000 Euro vor. Der unerlaubte Umgang mit Abfällen wird nach § 326 BGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
  • Die Ordnungsbehörde der Gemeinde wird die unerlaubte Sondernutzung nach den Vorschriften des Landesstraßengesetzes untersagen.

Unsere Empfehlung

Weil die Wohngebiete baurechtlich einen besonders hohen Schutz genießen und sich dort gewerbliche Tätigkeiten störend auswirken können, sollten die Mitarbeiter der Gewerbeämter, die Gewerbeanmeldungen annehmen, in diesen Fällen das Bauamt über die Aufnahme des Gewerbes in Kenntnis setzen. Denn niemand kann verlangen, dass der Sachbearbeiter im Gewerbeamt rechtssicher entscheiden kann, ob von der gewerblichen Nutzung des Grundeigentums Störungen ausgehen. Es empfiehlt sich, die Weitergabe der Information zu dokumentieren.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)