07.09.2009

Welche und wie viele Tiere darf man im reinen Wohngebiet halten?

Ponys, Ziegen und Gänse hielt ein Tierfreund in einem reinen Wohngebiet. Die Behörden schauten zuerst jahrelang zu. Doch dann erstatten die Nachbarn eine Anzeige und die Bauverwaltung untersagte die Tierhaltung. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren rief der Tierfreund das VG Lüneburg an und berief sich u.a. darauf, dass die Behörden diesen Zustand jahrelang geduldet haben. Was gestern richtig war, so der Tierfreund, kann heute nicht falsch sein (VG Lüneburg, Beschluss vom 21.04.2009, Az. 2 B 37/09).

Tiere Wohngebiet

Tierhaltung im reinen Wohngebiet nach Nachbarbeschwerde untersagt

Tierfreund T. ist gemeinsam mit dem Ehegatten Eigentümer eines Grundstücks in der Größe von rund 1900 m² in der Gemarkung der Gemeinde G. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans, der das Gebiet als ein reines Wohngebiet ausweist. Auf eine Nachbarbeschwerde hin führte die Gemeindeverwaltung eine Ortsbesichtigung durch und stellte fest, dass auf einem Teil des Grundstücks von 150 m²

    • 2 kleine Ponys (80 cm hohe Mini Shetlands),
    • 3 Ziegen (48 cm hoch) und
    • 4 Gänse

gehalten wurden.

Auf der Fläche war kein Grün mehr vorhanden. Bei nassem Wetter wurde der Boden matschig und eine Geruchsbelästigung nicht auszuschließen. Zum Unterbringen der Tiere und des Futters waren mehrere kleine Schuppen errichtet worden.

In der Anhörung trug T. vor, seit knapp neun Jahren würde Nachbar N. auf der Weide und in einem großen Stall ebenfalls Pferde bzw. Großziegen halten. Das Vorgehen gegen ihn verletze den Gleichheitsgrundsatz.

Mit Bescheid vom September 2008 untersagte die Baubehörde T. mit einer Frist von 14 Tagen unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Tierhaltung auf dem Grundstück, namentlich die Haltung von drei Ziegen, vier Gänsen und zwei Ponys und drohte für den Fall der Nichtbeachtung ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500 Euro an.

Der Widerspruch von T. blieb erfolglos.

Unsere Empfehlung

Ordnungsamtspraxis von A-Z online

Hier finden Sie eine Rechtsgrundlage zur Tierhaltung aus baurechtlicher Sicht.

€ 669.00Jahrespreis zzgl. MwSt.

Online-Version

Das Urteil

Das VG hatte zu prüfen, ob die Nutzungsuntersagung an T. rechtmäßig ergangen ist. Rechtsgrundlage der Verfügung ist § 89 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 5 NBauO bzw. entsprechende Regelung in der jeweiligen Bauordnung. Danach kann die Baubehörde die Benutzung von baulichen Anlagen untersagen, wenn sie dem öffentlichen Baurecht widersprechen oder dies zu besorgen ist. Fraglich war somit, ob das Halten von zwei Ponys, drei Ziegen und vier Gänsen in dem durch Bebauungsplan festgesetzten reinen Wohngebiet zulässig ist.

Keine „übliche“ Nutzung

Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sind in den Baugebieten untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Zu diesen untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen gehören auch solche für die Kleintierhaltung.

Die Zulässigkeit von Anlagen für die Kleintierhaltung setzt daher ebenso wie die aller übrigen Nebenanlagen und Einrichtungen zum einen voraus, dass die Anlage sowohl in ihrer Funktion als auch in ihrem räumlichgegenständlichen Erscheinungsbild der primären Nutzung der Grundstücke im Baugebiet dienend zu- und untergeordnet ist. Zum anderen hängt die Zulässigkeit von Anlagen für die Kleintierhaltung aber auch davon ab, dass sie nicht der Eigenart des Gebiets widersprechen. Es muss sich danach stets um eine Nutzung handeln, die ihrem Umfang nach nicht über das hinausgeht, was nach der Verkehrsanschauung in dem jeweiligen Baugebiet üblich ist.

Ein Pony ist ein Kleinpferd mit einem Stockmaß bis 148 cm, erkannte das Gericht. Und kam dann zum Kern des Rechtsstreits:

  • Das Halten von Pferden entspricht nicht der Eigenart eines allgemeinen oder gar reinen Wohngebiets, stellte das VG fest und zitierte dabei VGH Mannheim, Urteil vom 10.10.2003 – 5 S 1692/02 –, VBlBW 2004, 181; auch nicht eines Mischgebiets: OVG Lüneburg, Urteil vom 25.07.1988 – 1 A 46/87 –, BauR 1989, 63 und weitere Entscheidungen.
  • Auch das Halten von Ziegen in einem überwiegend von Wohnnutzung geprägtem Gebiet ist regelmäßig mit der Eigenart des Baugebiets unvereinbar. Ziegen, erkannte das VG praxisgerecht, besitzen einen spezifischen Geruch, der „nicht jedermanns Sache ist“. Außerdem verursachen Ziegen auch beim Auslauf ins Freie Mist und ziehen dadurch Fliegen an.
  • Das Halten von vier Gänsen ist in einem reinen Wohngebiet ebenfalls generell unzulässig, da diese wie Wachhunde bei Störungen jeglicher Art laute Geräusche von sich geben und dadurch u.a. die Nachtruhe des Wohngebiets stören können. Die Bewohner eines reinen Wohngebiets brauchen mit einer Gänsehaltung weder zu rechnen noch sie hinzunehmen.

Ermessensfehler?

Nun konnte T. nur noch seinen Kopf aus der Schlinge ziehen, wenn er nachweisen konnte, dass die Baubehörde einen Ermessensfehler begangen hat. Denn immerhin ließ sie die Tierhaltung auf einem anderen Grundstück zu.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz, urteilte das VG munter weiter, verpflichte die Baubehörde zu einem nach Zeitpunkt und Modalitäten gleichmäßigen Vorgehen gegen rechtswidrige Zustände, soweit nicht in der Sache begründete Unterschiede Abweichungen rechtfertigen. Dessen Verletzung führt aber nur dann zur Aufhebung der Maßnahme, wenn die Baubehörde in räumlich benachbarten Fällen unterschiedlich vorgeht.

Gleichwohl, differenzierte das VG, ist eine unterschiedliche Behandlung nicht zwingend ermessensfehlerhaft, da im Vergleichsfall nur ein einziges Tier gehalten wird, die Haltungsbedingungen anders sind und keine Nachbarbeschwerden vorliegen. Im Übrigen liegt das Grundstück im Geltungsbereich eines anderen Bebauungsplans, sodass der räumliche Bezug zum Grundstück der Antragstellerin nicht gegeben ist.

Die Nutzungsuntersagung trifft T. auch nicht unverhältnismäßig, kam das VG nun zum Schluss, da er genügend Zeit hatte, für eine anderweitige Unterbringung der Tiere zu sorgen. Zudem hatte die Baubehörde nachvollziehbar dargelegt, dass die sofortige Vollziehung im Hinblick auf Vorbildwirkung für andere Bauherren geboten ist.

Somit hielt das VG Lüneburg die Nutzungsuntersagung in allen Punkten für rechtmäßig.

Den Beschluss können Sie hier nachlesen.

Autor*in: WEKA Redaktion