11.03.2020

Verurteilung zur Falschbeurkundung bei Geschwindigkeitsmessungen

Eine Falschbeurkundung im Amt liegt vor, wenn ein Hoheitsträger einem zur Geschwindigkeitsmessung eingesetzten privaten Dienstleister ein blanko unterzeichnetes Messprotokoll überlässt, das vervielfältigt und mit konkreten Datensätzen versehen zur Grundlage von Verwarngeldern wird (OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.01.2020, Az. 2 Ss 40/19). Die im Rahmen von Geschwindigkeitskontrollen zu stellenden Messprotokolle erfüllten die Eigenschaft einer öffentlichen Urkunde i.S.v. § 348 StGB.

Falschbeurkundung Geschwindigkeitsmessung

Privater Dienstleister führt Geschwindigkeitsmessung durch

Der Angeklagte S. war bei der Stadt der für die Verkehrsüberwachung zuständige Sachgebietsleiter des Ordnungsamts. Der Angeklagte K. ist mit seiner Firma selbstständiger privater Dienstleister im Bereich der Geschwindigkeitsmessungen. Die Stadt hatte durch den Angeklagten K. Messgeräte aufstellen und die Messung durchführen und (vor)auswerten lassen. Dafür erhielt er eine Zahlung „pro verwertbarem Fall“. Diese Vorgehensweise wurde vom OLG „kassiert“.

Umgehung der Entscheidung des OLG

Auch nach der Entscheidung des OLG wollten die Angeklagten an dieser Zusammenarbeit festhalten. Der Angeklagte S. versprach sich aufgrund der Vielzahl der Bußgeldverfahren eine Höhergruppierung; der Angeklagte K. wollte die lukrative Geschäftsbeziehung fortsetzen. Zu diesem Zweck vereinbarten die Angeklagten die Fortsetzung des Vorgehens mit der Abweichung, dass der Angeklagte S. dem Angeklagten K. ein von ihm blanko unterschriebenes Messprotokoll übergab, das der Angeklagte K. kopierte und bei der Einrichtung der jeweiligen Messstellen ausfüllte.

Eindruck der Bürger-Tätigkeit der Ortspolizei

Damit wurde den betroffenen Bürgern, der eigenen Behörde und den Gerichten gegenüber der unzutreffende Eindruck erweckt, dass der Angeklagte S. als Ortspolizei die Messung durchgeführt hatte. Im Weiteren wurden die Messungen, was die Angeklagten wussten, digitalisiert und in ausschließlich elektronischer Form weiterverarbeitet. Auf dieser Grundlage erging eine Vielzahl von Buß- und Verwarngeldern.

Revisionen als unbegründet verworfen

Gegen die strafrechtlichen Entscheidungen des LG legten die Angeklagten Revisionen ein.

Aber: Nach Auffassung des OLG stellen die im Rahmen von Geschwindigkeitskontrollen zu stellenden Messprotokolle öffentliche Urkunden i.S.v. § 348 StGB dar. Sie dienen dazu, Beweiskraft für und gegen jedermann zu erbringen. Die Verkehrsüberwachung und Sanktionierung bei Verstößen ist hoheitliche Kernaufgabe. Die Messung ist systematisch nur bedingt rekonstruierbar. Um den Nachweis führen zu können, ist daher ein ordnungsgemäß von einem Hoheitsträger im Rahmen seiner Zuständigkeit errichtetes, inhaltlich zutreffendes Messprotokoll eine maßgebliche Voraussetzung, gerade bei Massenverfahren. Dem Messprotokoll kommt damit besondere Beweiskraft im Sinne eines öffentlichen Glaubens zu.

Vorgehensweise rechtswidrig –

Geschwindigkeitsmessung ist Falschbeurkundung

Der Angeklagte K. hat in einer Vielzahl von Fällen als privater Dienstleister gesetzeswidrig Verkehrsmessungen vorgenommen, sie (vor)ausgewertet und Messprotokolle erstellt, die in einer Vielzahl von Bußgeld- und Verwarnungsgeldverfahren als Beweismittel Verwendung gefunden haben. Dies ist im bewussten, kollusiven Zusammenwirken mit dem Angeklagten S. als zuständigem Ordnungspolizisten erfolgt. Der Angeklagte S. hat zur Verschleierung dem Angeklagten K. eine von ihm unterzeichnete Kopie eines Blankomessprotokolls zur Verfügung gestellt. Da in diesen Messprotokollen der Angeklagte S. als Messbeamter aufgeführt war, sollte auf diese Weise suggeriert werden, dass die Messungen vom Hoheitsträger durchgeführt wurden.

Der Angeklagte S. muss sich die Angaben des Angeklagten K., die dieser im Namen des S. abgegeben hat, auch zurechnen lassen. Der Sinn der Absprache hat gerade darin bestanden, dass K. die Arbeit des S. durchführte und beide gewollt darüber täuschten, dass S. die Messung durchgeführt hat.

Urkundenfälschung

Die darin zum Ausdruck kommende hohe kriminelle Energie hätte bei einem „normalen“ Urkundsdelikt zur Straflosigkeit geführt. Eine Urkundenfälschung liegt vor, wenn über den Ersteller getäuscht wurde. Hier aber hat der Angeklagte S. gerade als Aussteller fungieren wollen. Unzutreffend ist der Inhalt der Urkunde. Die Richtigkeit des Inhalts einer Urkunde ist jedoch nur bei einer öffentlichen Urkunde geschützt, da nur dort der Inhalt für und gegen jedermann wirkt.

Hinweis: Der Beschluss ist rechtskräftig.

Der Beschluss ist abrufbar unter https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE200000093

Autor*in: Georg Huttner (Oberamtsrat a.D. Georg Huttner ist Autor für die Titel Ordnungsamts- und Gewerbeamtspraxis.)