13.07.2022

Eichenprozessionsspinner: Müssen Eigentümer Nester beseitigen?

Der Eichenprozessionsspinner dringt infolge des Klimawandels immer weiter nach Norden vor. Das VG Saarlouis stellte klar, wie die Ordnungsbehörden vorgehen können (Urteile vom 31.05.2022, Az. 6 K 343/20 und 6 K 344/20).

Eichenprozessionsspinner Nester beseitigen

Eichen als Naturdenkmäler befallen

Eine Gemeinde erfuhr aufgrund von Hinweisen von Anwohnern, dass mehrere Eichen auf einem Privatgrundstück Ende Mai / Anfang Juni von dem Eichenprozessionsspinner befallen waren. Die Bäume sind als Naturdenkmäler ausgewiesen. Das Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz als untere Naturschutzbehörde teilte auf Anfrage der Gemeinde mit, dass keine Bedenken gegen die Beseitigung der Eichenprozessionsspinner-Gespinste bestehen und dass davon ausgegangen wird, dass eine Fachfirma die Beseitigung übernimmt und diese baumschonend vorgeht.

Die Gemeinde forderte den Eigentümer des Grundstücks auf, „die vom Eichenprozessionsspinner befallenen Eichen auf seinem Grundstück abzusaugen oder durch andere geeignete Maßnahmen zu beseitigen“. Gleichzeitig ordnete sie die sofortige Vollziehbarkeit ihrer Anordnung an. Für den Fall, dass der Eigentümer der Aufforderung innerhalb von 10 Tagen nicht nachkommt, drohte die Gemeinde ihm zudem die Ersatzvornahme durch einen Dritten an und veranschlagte die Kosten hierfür auf voraussichtlich 3.500 Euro.

Der Eigentümer befolgte die Aufforderung nicht. Die Gemeinde ließ daraufhin den Befall mit dem Eichenprozessionsspinner von einem Fachbetrieb für Baumpflege und Baumfällung fachgerecht entfernen und entsorgen. Der Fachbetrieb stellte hierfür eine Rechnung in Höhe von 2.151,52 Euro aus.

Der Eigentümer klagte gegen die Anordnung zum Beseitigen des Befalls mit dem Eichenprozessionsspinner.

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Hier finden Sie ein Musterschreiben, mit dem Sie die Bewohner der Gemeinde über die Gefährlichkeit des Eichenprozessionsspinners unterrichten und gleichzeitig mitteilen, welche Vorsichtsmaßnahmen zu beachten sind, welche Maßnahmen getroffen werden können und wer bei dem Feststellen des Befalls zu benachrichtigen ist.

€ 669.00Jahrespreis zzgl. MwSt.

Online-Version

Rechtsgrundlage Polizei- und Ordnungsbehördengesetz

Rechtsgrundlage der Anordnung zum Beseitigen des Befalls mit dem Eichenprozessionsspinner ist das Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (POG, hier § 8 Abs. 1 SPolG). Nach dem POG (hier § 8 Abs. 1 SPolG) können die notwendigen Maßnahmen getroffen werden, um eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren.

Gespinstnester als Gefahrenquelle

Die Brennhaare der Raupen des Eichenprozessionsspinners brechen leicht und werden bei günstiger Witterung durch Luftströmungen über weite Strecken getragen. Die alten Larvenhäute bleiben nach der Häutung in den Nestern hängen, weshalb die Konzentration an Brennhaaren oft sehr hoch ist. Alte Gespinstnester, ob am Baum haftend oder am Boden liegend, sind eine anhaltende Gefahrenquelle. Die Raupenhaare sind lange haltbar und reichern sich über mehrere Jahre in der Umgebung an, besonders im Unterholz und im Bodenbewuchs.

Für den Menschen gefährlich sind die Haare des dritten Larvenstadiums (Mai/Juni) des Eichenprozessionsspinners. Sie heften sich auch an Kleider sowie Schuhe und lösen bei Berührungen stets neue toxische Reaktionen aus. Die (fast unsichtbaren) Brennhaare dringen leicht in die Haut und Schleimhaut ein und setzen sich dort mit ihren Häkchen fest. Die durch sie ausgelöste Raupendermatitis kann sich hierbei in drei verschiedenen klinischen Erscheinungsbildern zeigen, nämlich in Quaddeln, Hautentzündung und anhaltenden Papeln (Knötchen), die an Insektenstichreaktionen erinnern. Die Hautreaktionen halten (unbehandelt) oft ein bis zwei Wochen an. Des Weiteren können Reizungen an Mund- und Nasenschleimhaut durch Einatmen der Haare zu Bronchitis, schmerzhaftem Husten und Asthma führen. Begleitend treten Allgemeinsymptome wie Schwindel, Fieber, Müdigkeit und Bindehautentzündung auf. In Einzelfällen neigen überempfindliche Personen zu allergischen Schockreaktionen.

Erhebliche Gesundheitsgefahr

Es besteht (allgemein) eine erhebliche Gesundheitsgefahr für die Anwohner sowie für sonstige Personen, die sich in dem fraglichen Gebiet im Freien aufhalten. In diesem speziellen Fall befinden sich in unmittelbarer Nähe zu den befallenen Eichen eine Bushaltestelle sowie ein Rad- und Fußgängerweg, sodass Passanten, Radfahrer und Fahrgäste dieser Gefahr ausgesetzt sind.

Ergebnis

Die Ordnungsbehörde durfte dem Eigentümer der Bäume aufgeben, die Nester abzusaugen und zu entsorgen. Dieser ist auch verpflichtet, die Kosten der durchgeführte Ersatzvornahme zu tragen.

Das Urteil finden Sie hier.

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Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)