09.02.2016

BAG: Praktikum zählt nicht zur Probezeit

Hat ein Auszubildender vor Beginn seines Ausbildungsverhältnisses bereits ein Praktikum im Ausbildungsbetrieb absolviert, wird die Praktikumszeit nicht auf die Probezeit angerechnet. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. BAG, Urteil vom 19.11.2015, Az.: 6 AZR 844/14

Praktikum Probezeit Kündigung

Worum geht es?

Arbeitsrecht. Ein junger Mann hatte sich im Frühjahr 2013 erfolgreich um eine Ausbildungsstelle beworben. Das Ausbildungsverhältnis sollte am 01.08.2013 beginnen. Um die Zeit bis dahin zu überbrücken, schloss der angehende Azubi mit seinem künftigen Arbeitgeber einen „Praktikantenvertrag“ mit einer Laufzeit bis zum 31.07.2013. Nachdem er das Praktikum absolviert hatte, begann sein Ausbildungsverhältnis. Der Ausbildungsvertrag sah eine dreimonatige Probezeit vor. Zum 29.10.2013 kündigte der Arbeitgeber das Ausbildungsverhältnis. Der Azubi klagte dagegen. Er meinte, die grundlose Kündigung sei unwirksam, weil der Arbeitgeber sie erst nach Ablauf der Probezeit erklärt habe. Schließlich sei das dem Ausbildungsverhältnis vorausgegangene Praktikum auf die Probezeit anzurechnen.

Das sagt das Gericht

Das BAG war anderer Meinung und erklärte die Kündigung für rechtens. Gemäß § 22 Abs. 1 Berufsbildungsgesetz (BBiG) kann ein Berufsausbildungsverhältnis während der Probezeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Die Kündigung erfolgte im Streitfall noch innerhalb der dreimonatigen Probezeit, die entgegen der Meinung des Auszubildenden erst mit dem Ausbildungsstart am 01.08.2013 zu laufen begonnen hatte. Das vor dem Ausbildungsverhältnis absolvierte Praktikum war hier nicht auf die Probezeit anzurechnen. Dasselbe hätte im Übrigen auch im Falle eines vorgeschalteten Arbeitsverhältnisses gegolten, betonten die Bundesrichter, weil das Berufsbildungsgesetz zwingend anordnet, dass ein Ausbildungsverhältnis mit einer Probezeit beginnt. BAG, Urteil vom 19.11.2015, Az.: 6 AZR 844/14

Das bedeutet für Sie als Betriebsrat

Beachten Sie, dass ausnahmslos jedes Ausbildungsverhältnis zwingend mit einer Probezeit beginnt. So steht es in § 20 BBiG. Arbeitgeber und Azubi können lediglich darüber entscheiden, wie lange die Probezeit dauern soll. Möglich ist eine Probezeit von einem Monat bis zu vier Monaten.

Betriebsrat ist wichtiger Ansprechpartner für Azubis

Als Betriebsrat haben Sie gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG die Aufgabe, die Interessen der Jugendlichen und Auszubildenden in Ihrem Betrieb zu wahren und zu fördern. Eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) ist vor diesem Hintergrund unerlässlich. Die JAV hat die Aufgabe, die speziellen Interessen der Jugendlichen und Auszubildenden gegenüber dem Betriebsrat zum Ausdruck zu bringen, um auf diese Weise sicherzustellen, dass deren Belange im Rahmen der Betriebsratsarbeit entsprechend berücksichtigt werden.

Hinweis: Azubis genießen besonderen Kündigungsschutz

Auszubildende genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Ein Ausbildungsverhältnis kann deshalb nur außerordentlich gemäß § 626 Abs. 1 BGB gekündigt werden. Der Arbeitgeber muss die Kündigung schriftlich begründen.

 

Übersicht: So setzt sich der Betriebsrat für Auszubildende ein

  • Mitgestaltung und Festlegung der betrieblichen Ausbildungspläne
  • Sicherstellung einer qualifizierten Ausbildung
  • Beachtung des besonderen Kündigungsschutzes von Auszubildenden
  • Förderung moderner Ausbildungsmethoden
  • Mitgestaltung von azubifreundlichen Urlaubsgrundsätzen
  • Bereitstellung von kostenfreier Arbeitskleidung und Lehrmitteln
  • Gewährung von Fahrtkostenzuschüssen
  • Eintreten für eine qualifizierte und unbefristete Übernahme nach Ausbildungsende

 

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Autor*in: Redaktion Mitbestimmung