15.02.2023

Urlaub: Verfall und Verjährung von Urlaubsansprüchen

Am 20.12.2022 war das Bundesarbeitsgericht ziemlich fleißig und hat zwei grundsätzliche Entscheidungen getroffen. Das Thema: Urlaub!

Verfall und Verjährung von Urlaubsansprüchen

Im ersten Entscheidungsfall ging es darum, inwieweit der gesetzliche Urlaubsanspruch verfällt, wenn der Mitarbeiter erwerbsunfähig krank war. Der Kläger – ein Frachtfahrer einer Flughafengesellschaft – konnte in der Zeit von Dezember 2014 bis August 2019 wegen voller Erwerbsminderung aus gesundheitlichen Gründen seine Arbeitsleistung nicht erbringen und deshalb auch keinen Urlaub nehmen. Mit seiner Klage machte er seinen Resturlaub aus dem Jahr 2014 geltend. Dieser sei nicht verfallen, weil der Arbeitgeber nicht seinen Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten nachgekommen wäre.

Während die Vorinstanzen die Klagen abgewiesen hatten, hatte der Kläger vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg – zumindest was den Resturlaub aus 2014 angeht.

Wann erlöschen Urlaubsansprüche?

Grundsätzlich erlöschen Urlaubsansprüche am Ende des Kalenderjahrs oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 1 und 3 BUrlG), wenn der Arbeitgeber seinen Hinweispflichten nachgekommen ist und den Mitarbeiter in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Etwas anderes gilt, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaub aus gesundheitlichen Gründen nicht nehmen konnte. Bislang gingen die gesetzlichen Urlaubsansprüche bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit ohne Weiteres mit Ablauf des 31.03. des zweiten Folgejahrs unter („15-Monats-Frist“).

Nach dem neuen BAG-Urteil verfällt der Urlaubsanspruch weiterhin mit Ablauf der 15-Monats-Frist, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahrs durchgehend bis zum 31.03. des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahrs aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert war, seinen Urlaub anzutreten. Hier soll es nicht darauf ankommen, ob der Arbeitgeber seinen Hinweispflichten nachgekommen ist.

Wenn der Mitarbeiter im Urlaubsjahr gearbeitet hat

Anders ist der Fall jedoch zu bewerten, wenn der Arbeitnehmer im Urlaubsjahr tatsächlich gearbeitet hat, bevor er arbeitsunfähig wurde. Hier kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub tatsächlich zu nehmen. Im Entscheidungsfall war der Urlaubsanspruch aus 2014 noch nicht erloschen (BAG, 20.12.2022 – 9 AZR 245/19).

Urlaubsanspruch: Verjährt er oder verjährt er nicht?

Der zweite am 20.12.2022 entschiedene Fall drehte sich um die Verjährung von Urlaubsansprüchen. Geklagt hatte eine langjährige Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin auf die Abgeltung von Urlaubsansprüchen. Der Arbeitgeber war der Meinung, der Anspruch wäre bereits verjährt.

Die Erfurter Richter erklärten die Verjährungsvorschriften (§ 214 Abs. 1, § 194 Abs. 1 BGB) auf den gesetzlichen Mindesturlaub für grundsätzlich anwendbar. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginne jedoch nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahrs. Sie beginnt erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen hingewiesen und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat (BAG, 20.12.2022 – 9 AZR 266/20).

Autor*in: Dr. Stephanie Kaufmann-Jirsa