02.03.2023

BFH: GmbH-Geschäftsführer haftet für pauschalierte Lohnsteuer!

Lohnsteuer – pünktlich angemeldet und abgeliefert, sind Sie als GmbH-Geschäftsführer auf der sicheren Seite. Doch nicht immer ist das so. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte Gelegenheit, sich dazu zu äußern. Er nimmt Geschäftsführer in persönliche Haftung – unter einem ganz neuen Aspekt.

pauschalierte Lohnsteuer

Was ist neu an der BFH Entscheidung?

Dass der Geschäftsführer für eine im Nachhinein pauschalisiert abgeführte Lohnsteuer einstehen muss. Damit gibt der BFH seine Rechtsprechung aus dem Jahr 1990 auf.

Worum geht es in dem vom BFH entschiedenen Fall?

Eine GmbH hatte für die Jahre 2015 bis 2017 für die private Nutzung eines Firmen-Kfz und für an die Arbeitnehmer erstattete Verpflegungsmehraufwendungen Lohnsteuer nicht einbehalten und nicht abgeführt. Das kam bei einer Lohnsteueraußenprüfung heraus. Das Finanzamt und die GmbH einigten sich auf eine pauschale Nachversteuerung. Darauf erließ das Finanzamt für das Jahr 2018 einen Nachforderungsbescheid über pauschale Lohnsteuer. Darüber hinaus meldete die GmbH für die Anmeldezeiträume 12/2017 und 1/2018 Lohnsteuer zwar an, aber führte sie teilweise nicht ab. Im Dezember 2017 stellte die GmbH Insolvenzantrag. Damit konnte das Finanzamt seine Forderungen gegen die GmbH nicht realisieren. Daher erließ es gegen die Geschäftsführerin der GmbH Haftungsbescheide:

  • einerseits für die pauschale Lohnsteuer nach der Außenprüfung und
  • andererseits für die individuelle Lohnsteuer 12/2017 und 1/2018.

Wie reagierte die Geschäftsführerin der GmbH?

Sie klagte ohne Erfolg vor dem Finanzgericht (FG) gegen die Haftungsbescheide des Finanzamtes. Daraufhin ging sie in Revision vor dem BFH (BFH, Urteil vom 14.12.2021, Az.: VII R 32/20, veröffentlicht am 28.04.2022).

Wie argumentierte sie?

Sie rügte die Entscheidung des FG:

  • dessen Annahme einer groben Pflichtverletzung sei rechtsfehlerhaft. Dies gelte insbesondere bezüglich der durch die Außenprüfung festgestellten Lohnsteuerbeträge.
  • Sie habe sich auf die Ausführungen ihres Steuerberaters verlassen dürfen.
  • Dass Zahlungen anfallen würden, habe sie erst infolge der Prüfung erfahren.

Zudem habe das FG übersehen, dass die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung vom 01.02.2018 die Einziehung von Außenständen mit erfasst habe. In der Folge habe der vorläufige Insolvenzverwalter ein Anderkonto eingerichtet, über welches die GmbH bzw. die Geschäftsführerin nicht habe verfügen können. Der Insolvenzverwalter sei zur Sicherung der Masse regelmäßig gehalten, keine Zustimmungen zu Zahlungen an Gläubiger zu erteilen. Deshalb wertete die Geschäftsführerin es als eine „Förmelei“, von ihr die Einholung einer Zustimmung zu verlangen.

Die Klägerin verweist zudem auf die Neufassung des § 15b Insolvenzordnung (InsO). Darin habe der Gesetzgeber deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine Verletzung steuerlicher Pflichten spätestens nach Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ausscheide.

GmbH-Brief − Steuervorteile, Haftungsschutz und Finanzsicherheit für Geschäftsführer

Wichtige rechtliche Informationen, Expertenwissen und Handlungsempfehlungen für Ihre Geschäftsführung

€ 439.00Jahrespreis zzgl. € 24,95 Versandpauschale und MwSt.

Newsletter

Schließlich sei die Auffassung des FG unzutreffend, dass Bezugspunkt für die Haftung der Zufluss des Arbeitslohns und nicht die Fälligkeit der mit Nachforderungsbescheid vom 09.03.2018 festgesetzten pauschalen Lohnsteuer gewesen sei. Tatsächlich könne die Steuerschuld erst mit der Pauschalierung berechnet werden und die Steuer dem Finanzamt frühestens ab diesem Zeitpunkt zufließen. Die Geschäftsführerin verwies hierbei auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 06.05.1994 (VI R 47/93).

Wie begründet der BFH seine Entscheidung?

Er sieht – wie das FG – in der Nichtabführung einzubehaltender und anzumeldender Lohnsteuer zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten in der Regel zumindest eine grob fahrlässige Verletzung der Pflichten einer GmbH-Geschäftsführerin. Gemäß §§ 69 Satz 1 und 34 Abs. 1 AO haften Sie als gesetzlicher Vertreter einer GmbH, soweit Sie

  • Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis
  • infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung
  • der Ihnen auferlegten Pflichten
  • nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt haben.

Danach trifft Sie als solcher die Pflicht, für eine fristgerechte Anmeldung und Abführung der von der GmbH geschuldeten Lohnsteuer zu sorgen (§ 41a Abs. 1 EStG). Im Streitfall sah der BFH diese Voraussetzungen erfüllt.

Wann liegt eine grob fahrlässige Verletzung vor?

Wenn Sie als Antragspflichtiger Ihrer Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO nicht nachkommen. Seit dem 01.01.2021 regelt § 15b Abs. 8 InsO neu, dass eine Verletzung steuerrechtlicher Zahlungspflichten nicht vorliegt, wenn zwischen dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO oder der Überschuldung nach § 19 InsO und der Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Insolvenzantrag Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden.

Wodurch hat die Geschäftsführerin ihre Pflichten konkret verletzt?

  • Zum einen dadurch, dass sie die für die Monate Dezember 2017 und Januar 2018 angemeldete Lohnsteuer nicht bzw. nicht vollständig abgeführt hat.
  • Zum anderen dadurch, dass sie die mit Nachforderungsbescheid vom 09.03.2018 für die Monate September 2014 bis Juni 2017 festgesetzte Lohnsteuer und die Nebenleistungen weder korrekt angemeldet noch gezahlt hat.

Diese Nichtanmeldung und Nichtabführung der Lohnsteuer beruht, so der BFH, auf einer zumindest grob fahrlässigen Verletzung der Pflichten der Geschäftsführerin. Das FG ist für den BFH zutreffend zu dem Schluss gelangt, dass die Klägerin keine Gründe glaubhaft gemacht habe, welche im Einzelfall die Pflichtverletzung entschuldigen oder den Vorwurf grober Fahrlässigkeit hätten entkräften können.

Verhält es sich im Fall der nachträglichen Pauschalierung der Lohnsteuer nicht anders?

Nein. Bei der pauschalierten Lohnsteuer handele es sich nicht um eine Unternehmenssteuer eigener Art, sondern um die durch die Tatbestandsverwirklichung des Arbeitnehmers entstandene und vom Arbeitgeber lediglich übernommene Lohnsteuer.

Worauf kommt es für den BFH dabei besonders an, was ist der besondere Aspekt seiner Entscheidung?

Für den BFH entscheidend ist die Pflichtverletzung im jeweiligen Lohnanmeldungszeitraum. Seiner Ansicht nach käme es sowohl für die individuelle als auch für die pauschalierte Lohnsteuer für die Pflichtverletzung nach der Entstehung der Steuer und damit nach dem Zeitpunkt des Zuflusses an. Die GmbH-Geschäftsführerin hätte eigens für die mit Nachforderungsbescheid im Jahr 2018 festgesetzte pauschale Lohnsteuer die Abzugsbeträge in die monatlichen Lohnsteueranmeldungen 2015 bis 2017 aufnehmen müssen. Der Bezugspunkt für die Haftung läge auch hier im Zufluss des Arbeitslohns. Deswegen käme es nicht darauf an, dass die Außenprüfung erst 2018 beendet gewesen und die pauschale Steuer damit erst am 12.04.2018 zu einem Zeitpunkt fällig geworden sei, in dem die GmbH infolge der vorläufigen Insolvenzverwaltung am 01.02.2018 bereits zahlungsunfähig war.

Wie sah der BFH das denn früher?

Bisher meinten die Münchener Richter, dass sich Pflichtverletzung und Verschulden des Haftungsschuldners bei der Lohnsteuerpauschalierung nach dem Zeitpunkt der Fälligkeit der durch den Pauschalierungs-Nachforderungs-Bescheid festgesetzten pauschalen Lohnsteuer richten. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH stelle die Nichtabführung einzubehaltender und anzumeldender Lohnsteuer zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten regelmäßig eine zumindest grob fahrlässige Verletzung der Geschäftsführerpflichten dar. Es kam ihm also nicht wie bei der Haftung für die individuelle Lohnsteuer auf den in § 41a Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) geregelten Zeitpunkt der Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer an. Diese Ansicht hat der BFH nun aufgegeben.

Die pauschale Lohnsteuer entsteht also durch Zufluss beim Arbeitnehmer?

Ja, der Arbeitgeber übernimmt sie lediglich. Davon ausgehend sei im Entscheidungsfall von einer schuldhaften Pflichtverletzung der GmbH-Geschäftsführerin auszugehen. Sie habe die Lohnabzugsbeträge in den Jahren 2015 bis 2017 nicht angemeldet und nicht abgeführt. Zudem hätten zu diesen Anmeldezeitpunkten keine Zahlungsschwierigkeiten der GmbH vorgelegen.

Könnten Sie als Geschäftsführer der GmbH Zahlungsschwierigkeiten als mildernde Umstände geltend machen?

Nein, Zahlungsschwierigkeiten der GmbH ändern weder etwas an Ihrer Pflichtenstellung als GmbH-Geschäftsführer noch schließen sie ein Verschulden Ihrerseits bei Nichterfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH aus. Soweit Ihre Mittel als GmbH-Geschäftsführer zur Befriedigung der arbeitsrechtlich geschuldeten Löhne einschließlich des in ihnen enthaltenen Steueranteils nicht ausreichen, dürfen Sie als Geschäftsführer die Löhne nur gekürzt auszahlen. Sie führen die auf die gekürzten Netto-Löhne entfallende Lohnsteuer an das Finanzamt ab (ständige Rechtsprechung, etwa BFH, Urteil vom 01.08.2000, Az.: VII R 110/99).

Wie verhält sich der BFH im Hinblick auf den Haftungsbescheid wegen Lohnsteuer Januar 2017 u.a.?

Dazu habe die Geschäftsführerin schon nicht vorgetragen, dass sich die GmbH im für die Haftung laut Haftungsbescheid maßgeblichen Zeitraum September 2014 bis Juni 2017 in Zahlungsschwierigkeiten befand. Entgegen deren Ansicht komme es im Streitfall nicht auf den Fälligkeitszeitpunkt der pauschalierten Lohnsteuer laut Nachforderungsbescheid vom 09.03.2018 an, sondern auf die Pflichtverletzung durch Nichtanmeldung und Nichtabführung der Lohnsteuer zu den gesetzlich vorgesehenen Fälligkeitszeitpunkten.

Nach § 40 Abs. 2 EStG können Sie als Arbeitgeber die Lohnsteuer in bestimmten Fällen mit einem Pauschsteuersatz von 25 Prozent erheben. Sie übernehmen dann die pauschale Lohnsteuer. Nach § 40 Abs. 3 EStG sind Sie dann Schuldner der pauschalen Lohnsteuer. Der pauschal besteuerte Arbeitslohn und die pauschale Lohnsteuer bleiben bei einer Veranlagung zur Einkommensteuer und beim Lohnsteuer-Jahresausgleich unberücksichtigt. Die pauschale Lohnsteuer ist laut BFH weder auf die Einkommensteuer noch auf die Jahreslohnsteuer anzurechnen. § 40 EStG regele ein Besteuerungsverfahren besonderer Art. Es handele sich um eine von der Steuer des Arbeitnehmers abgeleitete Steuer. Die Steuerschuldnerschaft von Ihnen als Arbeitgeber sei formeller steuertechnischer Art.

Übrigens: bei einer Außenprüfung durch das Finanzamt kann sich auch herausstellen, ob Sie z.B. Ihr Fahrtenbuch immer ordnungsgemäß geführt haben. Lesen Sie dazu unseren Beitrag „Geschäftsführer-Haftung bei der Privatnutzung von Firmenwagen – Vermeiden Sie diese Falle!“. Ein weiteres lohnsteuerrechtliches Problem kann sich ergeben, wenn Sie als Arbeitgeber Arbeitnehmer an andere Unternehmen verleihen. Ob Sie dann für die Lohnsteuer haften und mit welchem Risiko, haben wir für Sie in unserem Beitrag „Lohnsteuerhaftung bei Arbeitnehmerüberlassung“ aufbereitet. Trimm Dich – unter dieser Parole wollte der Deutsche Sportbund die Deutschen Anfang der 1970er Jahre auf Trab bringen. In Trab bringen und halten wollen auch Sie als Unternehmen Ihre Mitarbeiter. Sport erhöht deren Leistungskraft. Das geht auch lohnsteuerfrei. Wie, lesen Sie in unserem Beitrag „Betriebssport: wann er lohnsteuerpflichtig ist – und wann nicht“.

Autor*in: Franz Höllriegel