04.11.2016

Den bestimmungsgemäßen Gebrauch vernünftigerweise dokumentieren

Welche normativen Vorgaben gibt es zum bestimmungsgemäßen Gebrauch und zur vernünftigerweise vorhersehbaren Fehlanwendung? Warum ist es wichtig, dazu vollständige und korrekte Angaben in der Technik-Dokumentation zu machen? Antworten erhalten Sie in unserem Beitrag. Beispiele aus der Praxis lassen die Thematik lebendig werden und zeigen Ihnen, dass der Bereich weithin ziemlich vernachlässigt und in seiner Bedeutung unterschätzt wird.

Piktogramme

In diesem Beitrag verwenden wir den Begriff „bestimmungsgemäßer Gebrauch” gemäß der DIN EN 82079-1. Die Vorgaben der Maschinenrichtlinie im Zusammenhang mit der Risikoanalyse betrachten wir in diesem Beitrag nicht, dies könnte einen weiteren Beitrag füllen.

Um Anschauungsmaterial für diesen Beitrag zu sammeln, suche ich einige x-beliebige Anleitungen heraus. Weil ich Anleitungen nicht wegwerfe, sondern sie auch von Berufs wegen laufend begutachte und überall herumliegen habe, werde ich auch schnell fündig:

 

  • eine Gebrauchsanweisung für eine Funk-Abluftsteuerung
  • eine Gebrauchsanleitung für eine Zierbrunnen-Pumpe
  • eine Bedienungsanleitung für einen Föhn
  • Bedienungs- und Sicherheitshinweise für eine Laser-Wasserwaage
  • eine Anleitung als Produktaufkleber für einen Glasreiniger

 

Auf der Suche nach dem bestimmungsgemäßen Gebrauch

Von der Mutter aller Anleitungsnormen, der DIN EN 82079-1 weiß ich, dass der bestimmungsgemäße Gebrauch eines Produkts in der Anleitung nicht nur genannt, sondern vollständig aufgelistet werden muss. Damit ich die Abschnitte in den zu untersuchenden Anleitungen schnell finde, hoffe ich auf entsprechende Überschriften, werde jedoch zu 80 % enttäuscht.

Die Funk-Abluftsteuerung

Der bestimmungsgemäße Gebrauch wird unter der Überschrift „Anwendung” beschrieben, was sich dem Leser nicht sofort erschließt. Es wird zunächst nicht genannt, was das Gerät tut, sondern was es KANN. Auch im weiteren Text ist nur von Können die Rede. Es wird darauf hingewiesen, dass das Gerät zur „Überwachung der Frischluftzufuhr bei gleichzeitigem Betrieb einer Feuerstätte verwendet werden KANN” und dass der Rollladen geöffnet sein muss, damit die Luftzufuhr gewährleistet ist.

Kein Warnsymbol, kein Signalwort

Außerdem wird – immerhin fett gedruckt – darauf hingewiesen, dass die Selbstüberwachung zur Sicherstellung der Frischluftzufuhr durch das Gerät nicht ersetzt, sondern nur unterstützt wird. Der Hinweis ist nicht mit einem Warnsymbol oder einem entsprechenden Signalwort versehen und taucht auch im später folgenden Sicherheitskapitel nicht mehr auf. Immerhin besteht bei einer Fehlfunktion Lebensgefahr durch Ersticken, wenn ein Kamin betrieben wird und die Frischluftzufuhr nicht gewährleistet ist.

Der einzige Hinweis, der die Kategorie des bestimmungsgemäßen Gebrauchs trifft, ist die Aussage, dass das Gerät nicht für den gewerblichen Einsatz bestimmt ist.

Nach genauerem Studium der Anleitung entdecke ich doch noch einen Hinweis zu einer möglichen Fehlanwendung: Der Betrieb bzw. die Steuerung von Sicherheitseinrichtungen, wie Notruf- oder Not-AUS-Einrichtungen wird als „nicht geeignet” bezeichnet. Ein klarer Ausschluss wäre hier hilfreicher.

Im Sicherheitskapitel finde ich dann noch einen dieser in Anleitungen weit verbreiteten Haftungsausschlüsse: „Haftungen oder weitergehende andere Ansprüche […] sind ausgeschlossen.” Man kann sich so natürlich nicht aus der Verantwortung stehlen, denn im Schadensfall entscheidet nicht dieser Satz, sondern die Faktenlage und vor allem das Gericht darüber, wer haften muss.

Alle weiteren getesteten Anleitungen finden Sie ausführlich und anschaulich geschildert im Produkt „Technische Dokumentation“.

Autor*in: Kornelius R. Böcher (Technik-Redakteur in einem Maschinenbauunternehmen)