02.02.2015

Ordnungsamt vollstreckt nicht bekannt gegebene Verwaltungsakte – und kassiert dafür eine kräftige Ohrfeige

Eine deftige Backpfeife musste das Ordnungsamt einer hessischen Großstadt von dem VG Wiesbaden einstecken, weil es rechtswidrig den Abtransport von Abfallcontainern im Wege der Vollstreckung vornahm (VG Wiesbaden, (Beschluss vom 09.01.2015, Az. 7 L 1563/14.WI; 7 L 1576/14.WI).

Rechtsprechung

Ein Unternehmen stellte Altkleidercontainer auf privaten Grundstücken auf. In den meisten Fällen standen die Container mehr als 30 cm tief auf dem Privatgrund. An den Containern waren Adresse bzw. Telefonnummer des Unternehmens angebracht.

Die Ordnungsbehörde heftete Zettel an die Container und verlangte deren Entfernen innerhalb einer Woche. Für den Fall der Nichtbeachtung wurde das Entfernen der Altkleidercontainer aus dem öffentlichen Raum mit der Ersatzvornahme angedroht. Tatsächlich entfernte die Ordnungsbehörde die Container nach Fristablauf und brachte diese auf das Gelände der Entsorgungsbetriebe.

Das Unternehmen erfuhr erst aus den Medien und einer Mitteilung auf der Homepage der Entsorgungsbetriebe vom Verbleib der Container.

Die Ordnungsbehörde verlangte 330 Euro für die Ersatzvornahme und das Verwahren der Container.

Entscheidungsgründe

  • Die an die Container gehefteten Aufkleber mit der Beseitigungsaufforderung sind Verwaltungsakte, begann das VG seine Lehrstunde für die Ordnungsbehörde. Verwaltungsakte können formlos erlassen werden.
  • Da das Unternehmen einen Teil der Aufkleber nicht gesehen hatte, sind diese Verwaltungsakte gar nicht bekannt gegeben, somit nicht wirksam und aus diesem Grund nicht vollstreckbar.
  • In den anderen Fällen hat das Unternehmen die Aufkleber gelesen. Sie enthielten aber keine Rechtsbehelfsbelehrung. Daher beträgt die Widerspruchsfrist ein Jahr. Da ein Widerspruch aufschiebende Wirkung hat und die Anordnung der sofortigen Vollziehung fehlte, bestand zunächst Vollzugshemmung, und die Ordnungsbehörde hätte ein Jahr lang mit der Vollstreckung warten müssen.
  • Das Androhen von Zwangsmitteln, setzte das Gericht die Liste der Fehler fort, bedürfe der Zustellung. Diese sei nicht erfolgt.
  • Der Ordnungsbehörde sei es ohne großen Aufwand möglich gewesen, die Beseitigungsanordnungen zuzustellen, da die Anschrift des Unternehmens auf den Containern angegeben war.

Nach dem das Gericht die Liste der formellen Mängel abgearbeitet hatte, kam es nun zu den materiellen Fragen:

  • Der Ordnungsbehörde sei es überhaupt nicht in den Sinn gekommen zu prüfen, schüttelten die Richter das Verwaltungsgerichts sinnbildlich den Kopf, ob die jeweiligen Eigentümer der Grundstücke, auf denen die Altkleidercontainer standen, Zustandsverantwortliche sind.
  • Der Großteil der Container stand auf privaten Grundstücken meist in einem Abstand von mindestens 30 Zentimetern zum Gehweg oder der Straße. Somit konnte die Einwurfklappe der Container auch nur auf dem privaten Grundstück geöffnet werden.
  • Aus diesem Grund lag eine über den Gemeingebrauch hinausgehende genehmigungsbedürftige Sondernutzung, die eine Beseitigungsanordnung hätte rechtfertigen können, nicht vor.

Ergebnis

Nach diesen für die Ordnungsbehörde desaströsen Erkenntnissen ist klar, dass das Entfernen der Container im Wege der Ersatzvornahme in allen Punkten rechtswidrig war.

Autor*in: Georg Huttner (Oberamtsrat a.D. Georg Huttner ist Autor für die Titel Ordnungsamts- und Gewerbeamtspraxis.)