10.07.2020

Regelungen des Infektionsschutzgesetzes zum Nachweis einer Masernschutzimpfung sind rechtmäßig

Nach den Vorschriften des IfSG darf eine Betreuung von Kindern in einer Kindertagesstätte oder bestimmten Formen der Kindestagespflege lediglich bei Nachweis entweder eines ausreichenden Impfschutzes oder einer Immunität gegen Masern erfolgen (BVerfG, Beschluss vom 11.05.2020, Az. 1 BvR 469/20, 1 BvR 470/20).

Nachweis Masernschutzimpfung

Sachverhalt

Die Beschwerdeführer wenden sich mit ihren Anträgen auf einstweilige Anordnung gegen die Impf- und Nachweispflicht gegen Masern nach dem Infektionsschutzgesetz (§§ 20 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 Sätze 2 und 3, 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG). Ihre Kinder sollten zeitnah in einer kommunalen Kindertagesstätte bzw. von einer Tagesmutter, die die Erlaubnis zur Kindertagespflege nach § 43 SGB VIII besitzt, betreut werden. Die Kinder sind nicht gegen Masern geimpft. Es besteht weder eine medizinische Kontraindikation gegen eine Masernschutzimpfung noch verfügen sie über eine entsprechende Immunität.

Die Gesetzeslage

§ 20 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1, Sätze 2 und 3 IfSG sieht vor, dass Kinder, die in einer Kindertagesstätte oder in der erlaubnispflichtigen Kindertagespflege betreut werden, einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern oder eine Immunität gegen Masern aufweisen müssen, sofern sie nicht aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können (§ 20 Abs. 8 Satz 4 IfSG). Ferner muss vor Beginn ihrer Betreuung ein entsprechender Nachweis vorgelegt werden (§ 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG).

Wesentliche Folgenabwägungen des BVerfG

Erginge die einstweilige Anordnung nicht und hätten die Verfassungsbeschwerden Erfolg, wäre das gesetzliche Betreuungsverbot zu Unrecht erfolgt. Dies führte dazu, dass zwischenzeitlich die minderjährigen Beschwerdeführer mangels Masernschutzimpfung nicht wie beabsichtigt betreut werden könnten und sich deren Eltern um eine anderweitige Kinderbetreuung kümmern müssten, was mitunter nachteilige wirtschaftliche Folgen nach sich zöge.

Erginge dagegen die beantragte einstweilige Anordnung und hätten die Verfassungsbeschwerden keinen Erfolg, wären durch die beantragte einstweilige Außervollzugsetzung von § 20 Abs. 8 Satz 1 bis 3, Abs. 9 Satz 1 und 6, Abs. 12 Satz 1 und 3 und Abs. 13 Satz 1 IfSG grundrechtlich geschützte Interessen einer großen Anzahl Dritter von hohem Gewicht betroffen. Die grundsätzliche Pflicht, einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern vor der Betreuung in einer Gemeinschaftseinrichtung nachzuweisen, dient dem besseren Schutz vor Maserninfektionen, insbesondere bei Personen, die regelmäßig in Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen mit anderen Personen in Kontakt kommen. Impfungen gegen Masern in bestimmten Gemeinschaftseinrichtungen sollen nicht nur das Individuum gegen die Erkrankung schützen, sondern gleichzeitig die Weiterverbreitung der Krankheit in der Bevölkerung verhindern, wenn mithilfe der Maßnahmen erreicht wird, dass die Impfquote in der Bevölkerung hoch genug ist. Auf diese Weise könnten auch Personen geschützt werden, die aus medizinischen Gründen selbst nicht geimpft werden können, bei denen aber schwere klinische Verläufe bei einer Infektion drohen. Ziel des Masernschutzgesetzes ist namentlich der Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit, zu dem der Staat prinzipiell auch kraft seiner grundrechtlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG handelt.

Ergebnis der Folgenabwägung

Bei Gegenüberstellung der danach jeweils zu erwartenden Folgen muss das Interesse der Beschwerdeführer, ihre Kinder ohne Masernschutzimpfung in einer Gemeinschaftseinrichtung betreuen zu lassen, beziehungswiese der Kinder, selbst dort betreut zu werden, gegenüber dem Interesse an der Abwehr infektionsbedingter Risiken für Leib und Leben einer Vielzahl von Personen zurücktreten. Die Nachteile, die mit Inkrafttreten der angegriffenen Regelungen des Masernschutzgesetzes nach späterer Feststellung seiner Verfassungswidrigkeit verbunden wären, überwiegen in Ausmaß und Schwere nicht – und schon gar nicht deutlich – die Nachteile, die im Fall der vorläufigen Verhinderung eines sich als verfassungsgemäß erweisenden Gesetzes einträten.

Autor*in: Georg Huttner (Oberamtsrat a.D. Georg Huttner ist Autor für die Titel Ordnungsamts- und Gewerbeamtspraxis.)