05.06.2023

In welchem Umfang sind Straßenbäume im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht zu kontrollieren?

Ein Autofahrer stieß gegen einen auf die Straße gestürzten Baum. Die Gemeinde lehnte die Verantwortung dafür ab und berief sich auf eine vor Kurzem durchgeführte Baumkontrolle (OLG Hamm, Urt. vom 04.11.2022, Az. 11 U 86/21).

Ein Autofahrer stieß gegen einen auf die Straße gestürzten Baum. Die Gemeinde lehnte die Verantwortung dafür ab und berief sich auf eine vor Kurzem durchgeführte Baumkontrolle.

Schäden durch umgestürzten Baum

Der Eigentümer eines Kfz fuhr mit diesem gegen einen auf die Straße gekippten Straßenbaum. Die am Kfz entstanden Schäden wollte er von der Gemeinde ersetzt haben. Weil sich diese weigerte, für die Kosten der Reparatur i.H. von ca. 5.060 EUR aufzukommen, klagte der Geschädigte.

Was kann der Verkehr an Maßnahmen erwarten?

Die Gemeinde als Straßenbaulastträger ist für die Bäume an den von ihr zu betreuenden öffentlichen Straßen und Wegen zur Verkehrssicherung verpflichtet. Sie hat zur Abwehr der von Straßenbäumen ausgehenden Gefahren die Maßnahmen zu treffen, die zum Schutz gegen Astbruch und Umsturz erforderlich und unter Berücksichtigung des Baumbestands auch zumutbar sind. Dabei sind Bäume oder Teile von ihnen zu entfernen, wenn sie den Verkehr gefährden.

Natürliche Gefahren sind hinzunehmen

Weil nicht jede von einem Baum oder einzelnen Ästen ausgehende Gefahr immer von außen erkennbar ist, ist eine vorsorgliche Entfernung sämtlicher Bäume in der Nähe von Straßen und Gehwegen nicht zu rechtfertigen. Der Verkehr muss daher Gefahren, die nicht durch menschliches Handeln entstehen, sondern auf Gegebenheiten oder Gewalten der Natur beruhen, als unvermeidbar hinnehmen.

Das bedeutet: Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt deshalb nur vor, wenn Anzeichen verkannt oder übersehen worden sind, die nach der Erfahrung auf eine Gefahr durch den Baum für den Verkehr hinweisen.

Pflicht zur laufenden Beobachtung und Untersuchung von Straßenbäumen

Die Verkehrssicherungspflicht verlangt, dass Bäume laufend beobachtet und in angemessenen Zeitabständen auf Krankheitsanzeichen hin untersucht sowie die Pflegemaßnahmen vorgenommen werden, die für die Beibehaltung der Standfestigkeit des Baums notwendig sind.

Hierbei genügt es allgemein, wenn zweimal jährlich vom Boden aus ohne Geräte eine fachlich qualifizierte äußere Sichtprüfung des Baums hinsichtlich seiner Gesundheit und Standsicherheit vorgenommen wird. Eine ausführliche fachmännische Untersuchung mit Geräten wie Hubsteiger oder Fractometer ist erst dann erforderlich, wenn bei einer Regelkontrolle konkrete Defektsymptome zu erkennen sind (etwa spärliche und trockene Belaubung, dürre Äste, äußere Verletzungen, Wachstumsauffälligkeiten oder Pilzbefall).

Hat die Gemeinde diese Verpflichtung erkannt und wahrgenommen?

Das Gutachten eines Baumsachverständigen kam zu dem Ergebnis, dass Schäden lange vor dem Unfall bestanden haben müssen. Der umgestürzte Baum wurde 4 Monate vor dem Schadensereignis untersucht, aber keine Schäden festgestellt. Daraus leitete das Gericht gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen die Annahme ab, dass die Untersuchung fehlerhaft durchgeführt wurde. Bei einer fehlerfreien Kontrolle hätten die Schäden, so das OLG, erkannt werden müssen.

Ergebnis

Gegenüber dem Halter des Kfz bestand die Amtspflicht, die Straße verkehrssicher zu halten. Diese Pflicht wurde schuldhaft verletzt. Dem Halter stehen daher gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB der Ersatz der Nettoreparaturkosten i.H. von ca. 5.060 EUR sowie ein Ausgleich der Wertminderung des Fahrzeugs zu.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)