06.06.2023

Anspruch auf Rückschnitt überwachsender Bäume?

Hinzugezogene Nachbarn verklagten ihren Nachbarn wegen überhängender Äste. Dieser wehrte sich mit einem Gutachten eines Baumsachverständigen (LG Köln, Urteil vom 08.03.2023, Az. 6 S 27/20).

Hinzugezogene Nachbarn verklagten ihren Nachbarn wegen überhängender Äste. Dieser wehrte sich mit einem Gutachten eines Baumsachverständigen.

Erheblicher Laub- und Früchteabfall

Im Jahr 2015 erwarb eine Familie ein nicht bebautes Grundstück. Auf dem Nachbargrundstück stehen mehrere bereits über 30 Jahre alte Bäume, u.a. Kastanien, Schwarz-Erlen und Ahornbäume. Die Familie sah sich durch das Überwachsen der Äste auf ihr Grundstück beeinträchtigt, insbesondere sei der erhebliche Laub- und Früchteabfall unzumutbar.

Forderungen zum Rückschnitt der Bäume wies der Eigentümer der Bäume zurück. Das Schlichtungsverfahren verlief erfolglos. Danach erhoben die Familie Klage vor dem Amtsgericht Köln.

AG verurteilt Eigentümer der Bäume zum Rückschnitt

Nach § 910 Abs. 1 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks Zweige abschneiden, die von einem Nachbargrundstück herüberragen, wenn der Eigentümer des Grundstücks dem Nachbarn eine angemessene Frist zur Beseitigung gesetzt hat und die Beseitigung innerhalb der Frist nicht erfolgt. Dann besteht ein Anspruch des beeinträchtigten Nachbarn auf Rückschnitt bis zur Grundstücksgrenze gemäß § 1004 BGB, urteilte das AG.

LG Köln sieht die Rechtslage anders

Das LG Köln entschied hingegen, ein Anspruch der Familie auf Rückschnitt scheitere daran, dass ihr Grundstück im Ergebnis durch den Überhang nicht beeinträchtigt wird. Ob eine Beeinträchtigung vorliegt, entscheidet nicht das subjektive (persönliche) Empfinden des Grundstückseigentümers. Maßgebend ist, ob das Benutzen ihres Grundstücks objektiv beeinträchtigt ist.

Gutachten als „Game-Changer“

Der Eigentümer der Bäume legte ein Gutachten eines Sachverständigen vor, der feststellte, dass ein Rückschnitt zu so massiven Schädigungen der Bäume führen würde, dass kaum eines der betroffenen Gehölze überleben würde.

An einer objektiven Beeinträchtigung fehlt es insbesondere, so das LG, wenn die Störungen im Vergleich zu den Wirkungen des Rückschnitts außer Verhältnis stehen und die Beseitigung des Überhangs deshalb unzumutbar ist. Dass ist dann der Fall, wenn der Rückschnitt die begründete Gefahr in sich birgt, dass er zu einem Absterben der Bäume oder zu einer erhöhten Risikolage dafür führt. Dann, folgerte das Gericht, läuft der verlangte Rückschnitt letztlich auf eine unzulässige Beseitigung der Bäume hinaus.

Ergebnis

Die Beseitigung von älteren Bäumen oder eines größeren Überhangs über die Grundstücksgrenze scheidet aus, wenn die begründete Gefahr besteht, dass dies zum Absterben der Gehölze oder einem erhöhten Risiko dafür führt. Da dies der Gutachter nachgewiesen hat, wurde die Klage der Familie auf Rückschnitt des Baumbestands abgewiesen.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)