16.02.2010

Berlin und Hessen modernisieren ihre Nachbargesetze

„Was, der Heini will Energie sparen, die Energieeffizienz seines Hauses erhöhen, und das auf meine Kosten, weil er Zugang zu meinem Grundstück haben will? Nicht mit mir, dann muss er mich verklagen!“, dachte sich so mancher Grundstückseigentümer und legte dem umweltbewussten Nachbarn einen dicken Stein in den Weg. Als erste Bundesländer reagierten Berlin und Hessen auf neue Streitfälle dieser Art und schoben ihnen einen Riegel vor.

Bilder Akten

Berlin und Hessen haben mit den Gesetzen vom 17.12.2009 (GVBl. Berlin, Nr. 33/2009, S. 870) und 10.12.2009 (Hess GVBl. Nr. 21/2009 vom 22.12.2009) die Grundstückseigentümer unter Voraussetzungen (siehe unten) zur Duldung von Maßnahmen der Wärmedämmung verpflichtet. Diese Maßnahmen sind zulässig und geben den umweltbewussten Hauseigentümern ein Recht auf das Betreten des Nachbargrundstücks, wenn es dadurch zu einer Steigerung der Energieeffizienz kommt. Die Hessische Bauordnung wird an die neue Rechtslage angepasst und entsprechend erweitert.

Die Möglichkeit, bestehende Bauten zum Zweck der Energieeinsparung nachträglich so zu dämmen, dass sie funktionell dem allgemein üblichen Standard genügen, entspricht heutigen Erfordernissen und Anschauungen (BVerfG, Urteil vom 19.07.2007, Az. 1 BvR 650/03, sowie BGH, Urteil vom 11.04.2008, Az. V ZR 158/07).

Wir stellen Ihnen diese neuen Vorschriften vor:

Berlin

  • §16a Abs. 1 Berliner Nachbarrechtsgesetz verpflichtet den Eigentümer eines Grundstücks, das Überbauen seines Grundstücks für Zwecke der Wärmedämmung zu dulden, wenn das zu dämmende Gebäude auf dem Nachbargrundstück bereits besteht.
  • Umgekehrt kann der Nachbar das Beseitigen des Überbaus verlangen, wenn er an die Grenzwand anbauen will (§16 a Abs. 2 Berliner Nachbarrechtsgesetz).
  • Damit die Wärmedämmungs- und Baumaßnahmen durchgeführt werden können, darf das Nachbargrundstück betreten werden (§§16a Abs. 3 und 17 Abs. 3 Berliner Nachbarrechtsgesetz).

Hessen

  • §10a Hessisches Nachbarrechtsgesetz verpflichtet die Eigentümer und die Nutzungsberechtigten eines Grundstücks, Bauteile zu dulden, wenn diese zur Wärmedämmung angebracht werden. Dies gilt aber nur unter engen Voraussetzungen:
    • Es muss gewährleistet sein, dass das Grundstück des betroffenen Nachbarn nicht über Gebühr in Anspruch genommen wird.
    • Der Bauherr muss eine Wärmedämmung anbringen, die dem energetischen Standard für die Änderung oder Erweiterung von Bestandsbauten entspricht. Der Nachbar kann den Bauherrn auf eine andere Art der Wärmedämmung verweisen, wenn diese mit der vorgesehenen Ausführung vergleichbar ist und mit vertretbarem Aufwand vorgenommen werden kann.
    • Eine Duldungspflicht kommt grundsätzlich nur bei der einseitigen Grenzwand in Betracht.
    • Übergreifende Bauteile dürfen öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht widersprechen.
    • Die Verpflichtung zur Duldung erstreckt sich auch auf die mit der Dämmung in Verbindung stehenden Verkleidungen, Putze, Putzträger oder Unterkonstruktionen und umfasst alle mit der Wärmedämmung notwendig zusammenhängenden baulichen Änderungen.
    • Die Baumaßnahme einschließlich deren Art und Umfang ist dem betroffenen Nachbarn einen Monat vor Beginn anzuzeigen, ggf. dem unmittelbaren Besitzer des Grundstücks, wenn der Eigentümer oder Nutzungsberechtigte nicht erreichbar ist.
  • Unter den Voraussetzungen des § 10a Abs. 3 Hessisches Nachbarrechtsgesetz ist der Bauherr, der fremdes Eigentum in Anspruch nimmt, dem beeinträchtigten Nachbarn zum finanziellen Ausgleich verpflichtet.
  • Nach § 10b Hessisches Nachbarrechtsgesetz gelten die Regelungen auch für die über die Grenze hinausreichende Wand, die nicht Nachbarwand ist, zu deren Duldung der Eigentümer aber verpflichtet ist.

Hessen hat darüber hinaus noch die Vorschriften für Abstandsflächen und Beseitigungsansprüche geändert:

  • Die bisherigen Vorschriften für Abstandsflächen für Bäume, Sträucher, Hecken und einzelne Rebstöcke galten nur für kultivierte Anpflanzungen. Die Abstandsflächen gelten nun auch für wild gewachsene Pflanzen, weil es aus der Sicht der Störung in der Praxis keinen Unterschied macht, ob die zu nah am Nachbargrundstück stehenden Pflanzen kultiviert oder wild gewachsen sind (§38 Abs. 2 Hessisches Nachbarrechtsgesetz).
  • Anstelle des Beseitigungsanspruchs einer Anpflanzung kann auch ein Anspruch auf Zurückschneiden auf die zulässige Höhe ausreichend sein (§43 Hessisches Nachbarrechtsgesetz). Ein Zurückschneiden kommt lediglich dann nicht in Betracht, wenn der kleinstmögliche Mindestabstand des § 39 Abs. 1 Nr. 3 unterschritten wird. Der Anspruch auf Rückschnitt ist in der Zeit vom 1. Oktober bis zum 15. März zu erfüllen. Die Ausschlussfrist für Ansprüche wird von fünf auf drei Jahre verkürzt (vgl. auch § 195 BGB).
Autor*in: WEKA Redaktion