15.11.2019

Überwachsen einer Hecke auf den Gehweg – Sondernutzung?

Die Gemeinde nahm den benachbarten Grundstückseigentümer für eine wuchernde Hecke, die auf öffentlichem Grund steht, in die Pflicht. Das VG gab der Gemeinde recht. Der Grundstückseigentümer gab sich nicht geschlagen und rief das OVG Münster an (Beschl. vom 26.09.2019, Az.11 B 726/19).

Hecke Sondernutzung

Wuchernde Hecke am Gehweg

Ein Grundstückseigentümer ließ eine 70 bis 80 Jahre alte Ligusterhecke ungehemmt wachsen. Die Hecke friedet sein an einer öffentlichen Straße liegendes Grundstück ein, das er seit 1992 bewohnt. Die auf der öffentlichen Fläche stehende Hecke nahm im Lauf der Zeit die Breite des gesamten Gehwegs ein.

Die Gemeinde ordnete wegen der Gefahr für die Fußgänger den Rückschnitt der Hecke an und stützte die Ordnungsverfügung auf die Vorschrift des Straßengesetzes zum Beenden einer Sondernutzung (hier: § 22 Abs. 1 StrWG NRW).

Der Grundstückseigentümer erhob Widerspruch gegen die Ordnungsverfügung und stellte einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Das VG lehnte den Antrag ab. Das OVG Münster musste sich als Beschwerdeinstanz mit dem Fall auseinandersetzen.

Sondernutzung an einer Hecke auf öffentlichem Grund?

Die Sondernutzung des öffentlichen Straßengrunds betrifft eine dem Eigentum der Gemeinde zuzuordnende Sache. Eine Hecke, die nahezu vollständig auf einer im Eigentum der Gemeinde befindlichen Fläche steht, ist mit dem Einpflanzen wesentlicher Bestandteil dieses Grundstücks geworden (§ 94 Abs. 1 Satz 2 BGB). Sie kann deshalb nicht Gegenstand eigener Rechte sein, sondern ist vielmehr dem Grundstückseigentum, mithin dem Grundstückseigentümer (also der Gemeinde) zuzuordnen (§ 93 BGB).

Das bedeutet, der benachbarte Grundstückseigentümer nutzt die Hecke nicht, auch wenn sie sein Grundstück einfriedet.

Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Grundstückseigentümer die Hecke tatsächlich selbst angelegt hätte. Für diesen Fall nutzte er die öffentliche Straße – unabhängig vom Eigentum der Gemeinde an dem Straßengrundstück und den darauf wachsenden Pflanzen – ohne die erforderliche Genehmigung über den Gemeingebrauch hinaus.

Im Rahmen summarischer Prüfung spricht jedenfalls Überwiegendes dafür, dass der Grundstückseigentümer die Anpflanzung nicht vorgenommen hat. Die Hecke ist ca. 70 bis 80 Jahre alt. Er kann sie nicht selbst gepflanzt haben, weil er das Grundstück erst seit 1992 bewohnt.

Zwischenergebnis

Die Gemeinde kann die Ordnungsverfügung in diesem Fall nicht auf die Vorschrift des Straßengesetzes zum Beenden einer Sondernutzung stützen.

Ordnungsbehördengesetz als Rechtsgrundlage?

Die Gemeinde, so das OVG weiter, kann ihre Ordnungsverfügung auch nicht auf die Befugnisklausel des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes stützen. Die Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung wurde nicht von dem Grundstückseigentümer verursacht, da er die Hecke nicht angelegt hat. Dem Grundstückseigentümer ist die von der Gemeinde angenommene Gefahr auch nicht durch die Nutzung der Hecke als Einfriedung seines Grundstücks oder Sichtschutz zuzurechnen. Verursacher ist nach allgemeinem Polizei- und Ordnungsrecht derjenige, dessen Verhalten die Gefahr „unmittelbar“ herbeiführt, also bei einer wertenden Zurechnung die polizeirechtliche Gefahrenschwelle überschreitet.

Zwischenergebnis

Die Gemeinde kann die Ordnungsverfügung in diesem Fall nicht auf die Befugnisklausel stützen.

Ergebnis: Grundstückseigentümer bekommt Recht

Das Gericht stellte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Ordnungsverfügung der Gemeinde wieder her, weil weder das Straßengesetz noch das Ordnungsbehördengesetz die Gemeinde ermächtigen, den Rückschnitt der Hecke zu verfügen.

Der Beschluss ist abrufbar unter https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2019/11_B_726_19_Beschluss_20190926.html

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)