21.04.2015

Allgemeine Geschäftsbedingungen – Verjährungsfristverkürzung und Teilabnahme

BGH Urteil vom 10.10.2013. Leitsätze, kurzer Sachverhalt, wesentliche Gründe und Fazit von Rechtsanwalt Gerd Motzke.

Allgemeine Geschäftsbedingungen

Leitsätze

  1. Die in den allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Ingenieurs enthaltene Verkürzung der Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche für auf Bauwerke bezogene Planungs- und Überwachungsleistungen auf zwei Jahre ist auch bei Verwendung gegenüber einer juristischen Person des öffentlichen Rechts unwirksam.
  2. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Ingenieurs „Die Verjährung beginnt mit der Abnahme der letzten nach diesem Vertrag zu erbringenden Leistung, spätestens mit Abnahme der in Leistungsphase 8 zu erbringenden Leistung, bei Leistungen nach Teil VII der HOAI unter Einschluss auch der nach § 57 zu erbringenden Leistung der örtlichen Bauüberwachung“ enthält keine Vereinbarung einer Teilabnahme der bis zur Leistungsphase 8 der §§ 55 und 57 HOAI (in der Fassung der Bekanntmachung vom 04.03.1991) zu erbringenden Leistung (im Anschluss an BGH, 11.05.2006, VII ZR 300/04, BauR 2006, 1332 = NZBau 2006, 518).

 

Kurzer Sachverhalt

Die Klägerin, eine Verbandsgemeinde, hat die Beklagte – ein Ingenieurbüro – 1994 mit Planungs- und Objektüberwachungsleistungen bezüglich der Erstellung einer Kläranlage beauftragt. Vertragsgegenständlich waren die Leistungsphasen 5 bis 9 des § 55 HOAI und die Objektüberwachung nach § 57 HOAI in der damaligen Fassung der HOAI.

Die Beklagte hat ein Vertragsformular gestellt, in dem hinsichtlich der Verjährung zwei Alternativen enthalten waren, nämlich „12.1 die Verjährungsfrist wird auf zwei Jahre festgesetzt. 12.2 Die Verjährungsfrist wird auf … Jahre festgesetzt, längstens über fünf Jahre.“ In einem der beiden Vertragsformulare war Alternative 12.2 bereits durchgeixt, sodass in diesem Exemplar der vorformulierte Text galt: „Die Verjährungsfrist wird auf zwei Jahre festgesetzt.“

Dieses Exemplar hat die Klägerin – der Bürgermeister – unter- zeichnet. Vertragsgegenständlich wurden auch die von der Beklagten gestellten Allgemeinen Vertragsbestimmungen zum Ingenieurvertrag (AVI), die in § 5 lauteten:

(1) „Ansprüche des Auftraggebers gegen den Ingenieur, gleich aus welchem Rechtsgrund, verjähren mit Ablauf von zwei Jahren, sofern vertraglich keine andere Frist vereinbart wird, längstens aber in fünf Jahren. Verjähren Ansprüche des Auftraggebers gegen die übrigen an der Planung und Ausführung des Objekts/der Objekte Beteiligten zu einem früheren Zeitpunkt, so endet auch die Verjährungsfrist für alle Ansprüche des Auftraggebers im Zusammenhang mit Leistungen aus diesem Vertrag zum gleichen Zeitpunkt. Das gilt nicht, wenn der Ingenieur den Mangel arglistig verschwiegen hat.

[…]

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(3) Die Verjährung beginnt mit der Abnahme der letzten nach diesem Vertrag zu erbringenden Leistung, spätestens mit der Abnahme der in Leistungsphase 8 zu erbringenden Urteile Seite 3 auch der nach § 57 zu erbringenden Leistung der örtlichen Bauüberwachung, § 3 (2) AVI bleibt unberührt. (4) Für Leistungen, die danach zu erbringen sind, beginnt die Verjährung mit Abnahme der letzten Leistung.“

Die Bezahlung der Rechnung der Beklagten, die auch die Vergütung für die Leistungsphase 9 einschloss, erfolgte im Februar 1998. Die Kläranlage ging am 01.04.1996 in Betrieb. Im Dezember 2001 beantragte die Klägerin auch gegen die Beklagte wegen verschiedener Mängel die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens.

In diesem Verfahren konnte die Beklagte zum letzten Ergänzungsgutachten bis zum 30.01.2008 Stellung nehmen; eine Stellungnahme ging nicht ein. Im Juli 2005 hat die Klägerin Klage auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen der im selbstständigen Beweisverfahren festgestellten Mängel erhoben und diese Feststellungsklage im Verlauf des Verfahrens auf Zahlung umgestellt.

Das Landgericht hat teilweise verurteilt, das Oberlandesgericht hat auf die Berufung die Klage wegen der erhobenen Verjährungseinrede abgewiesen. Dagegen hat sich die Revision der Klägerin gewendet.

Wesentliche Gründe

Der BGH teilt die Auffassung des Oberlandesgerichts nicht. Dieses ist davon ausgegangen, dass die Verjährungsfrist von zwei Jahren maßgeblich sei, weil sich die Klägerin gegenüber der Beklagten in einer Position überlegener Verhandlungsmacht befunden habe. Die von der Verbandsgemeinde getroffene Entscheidung, das Exemplar mit dem „durchgeixten“ Text der Ziffer 12.2. zu unterschreiben und anzunehmen sei einem „Aushandeln im Einzelnen“ zumindest angenähert.

Eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin durch die Beklagte scheide auch unter Beachtung des § 24 Satz 1 Nr. 2 AGBGB aus. In der Zahlung der Schlussrechnung liege die konkludente Abnahme, sodass eine Unterbrechung durch das selbstständige Beweisverfahren nicht erfolgt sei. Denn die zweijährige Frist sei zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen gewesen.

BGH

Diese Auffassung teilt der BGH nicht. Die Eröffnung von Wahlmöglichkeiten zwischen mehreren vorformulierten Alternativen macht die von dem anderen Teil gewählte Alternative nicht zu einer Individualabrede. Auch dass die Klägerin die Möglichkeit hatte, zwischen mehreren Vertragsmustern zu entscheiden, führt nicht dazu, dass hin- sichtlich des ausgewählten Musters eine Individualvereinbarung vorliegt.

Die Verkürzung der Verjährungsfrist auf zwei Jahre stellt eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin dar. Daran ändert nichts, dass nach § 24 Satz 1 Nr. 2 AGBGB die strikten Klauselverbote des § 11 AGBGB bei Verwendung gegenüber einer juristischen Person des öffentlichen Rechts keine Anwendung & nden (jetzt in § 310 Abs. 1 BGB geregelt). Denn dem Verbot, vorformuliert Verjährungsfristen für Sachmängelansprüche zu verkürzen (§ 11 Nr. 10f AGBGB, nunmehr § 309 Nr. 8b ff BGB), kommt eine Indizwirkung für die Unwirksamkeit einer entsprechenden Klausel zu.

Hintergrund hierfür ist, dass bereits die fünfjährige Verjährungsfrist für Sachmängelansprüche bei Bauwerken verhältnismäßig kurz ist. Bei Bauwerken treten Mängel, auch besonders schwerwiegende, oftmals erst nach Jahren hervor und können auch dann erst nach einer einige Zeit in Anspruch nehmenden Prüfung der Ursachen und der Verantwortlichkeit geltend gemacht werden.

Die Verjährungsfristen im Werkvertragsrecht berücksichtigen nur die Zeiträume, in denen gewöhnlich Mängel auftreten. Eine Verkürzung dieser Fristen benachteiligt einen Auftraggeber daher im Hinblick auf zunächst verborgene Mängel unangemessen. Ein davon abweichender Maßstab ist weder bei Kaufleuten noch gegenüber einem öffentlichen Auftraggeber anzuwenden.

Außerdem verkürzt § 5 Abs. 1 AVI nicht nur die fünfjährige Verjährungsfrist auf zwei Jahre, sondern bestimmt, dass alle Ansprüche des Auftraggebers, gleich aus welchem Rechtsgrund, mit Ablauf von zwei Jahren verjähren. Das gilt auch für Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung, also z.B. aus Untersuchungs- und Beratungsfehlern, für die nach der Rechtslage vor dem 01.01.2002 eine 30-jährige Verjährungsfrist gegolten hat. In der vorformulierten Verkürzung einer solchen Frist auf zwei Jahre liegt eine unangemessene Benachteiligung.

Der BGH verneint auch eine konkludente Abnahme durch Bezahlung der Schlussrechnung. Für eine solche stillschweigende Abnahme wird nämlich vorausgesetzt, dass die Leistung des Planers abnahmereif erbracht ist.

Das war jedoch im Februar 1998 – Zeitpunkt der Bezahlung der Schlussrechnung – nicht der Fall, denn die Hoch- und Tiefbauarbeiten an der Anlage wurden im April 1996 abgenommen, sodass die mit den betroffenen Firmen vereinbarte fünfjährige Verjährungsfrist erst im April 2001 ablief.

Da die Beklagte auch mit der Leistungsphase 9 des § 55 HOAI beauftragt war, war die Vertragsleistung der Beklagten auch erst mit Ende April 2001 abnahmereif erbracht. Eine stillschweigende Teilabnahme kann in der Zahlung der Schlussrechnung vom Februar 1998 nicht gesehen werden.

Eine Teilabnahme setzt nämlich grundsätzlich eine vertragliche Vereinbarung vor- aus, in der der Wille des Auftraggebers zur Vorwegnahme der Abnahme hinsichtlich der Teile einer Gesamtleistung wegen der schwerwiegenden Folgen der Abnahme klar zum Ausdruck kommt (BGH, 11.05.2006, VII ZR 300/04, BauR 2006, 1332, 1333 = NZBau 2006, 519).

In allgemeinen Geschäftsbedingungen kann eine solche Teilabnahmeregelung vorgesehen werden (BGH, 05.04.2001, VII ZR 161/00, BauR 2001, 1928, 1929). Aber § 5 Abs. 3 AVI sieht keine Teilabnahmeverpflichtung des Auftraggebers vor. Die Regelung legt lediglich den Beginn der Verjährungsfrist für den Fall einer Abnahme der bis zur Leistungsphase 8 zu erbringenden Leistungen fest, eine Verpflichtung zu einer Teilabnahme wird hierdurch jedoch nicht begründet. Gere-gelt wird nur der Beginn der Verjährung für den Fall, dass eine derartige Teilabnahme stattgefunden hat.

Demnach kam eine Abnahme der Leistungen der Beklagten erst mit Erbringung der Leistungen in der Leistungsphase 9 des § 55 HOAI in Betracht. Zeitlich konnte die Abnahme der Ingenieurleistungen wegen des Ablaufs der Verjährungsfrist gegenüber den ausführenden Firmen Anfang 2001 frühestens zu diesem Zeitpunkt erfolgen. Die ab diesem Zeitpunkt laufende fünfjährige Verjährungsfrist wurde rechtzeitig durch die Ingangsetzung des selbstständigen Beweisverfahrens gehemmt.

Fazit

Wer als Planer auch mit den Leistungen der LPH 9 beauftragt wird, hat dafür zu sorgen, dass eine Teilabnahmeverpflichtung nach Erbringung der Leistungen in der Phase 8 begründet wird. Das kann auch in allgemeinen Geschäftsbedingungen geschehen.

Autor*in: Rechtsanwalt Gerd Motzke