18.01.2021

Betriebliche Unfallstatistik: Daten für die Prävention

Jeder Unfall im Betrieb ist eine Aufforderung an den Arbeitsschutz, eine Wiederholung zu vermeiden. Dazu gehört natürlich, die konkreten Umstände eines Unfalles genau zu recherchieren und zu prüfen, welche Maßnahmen notwendig sind, um eine Wiederholung zu verhindern. Wichtig wird hier die betriebliche Unfallstatistik: aus ihr lassen sich wertvolle Erkenntnisse gewinnen, die für die präventive Arbeit sehr wichtig sein können. Welche Daten bringen Sie hier weiter, welche Erkenntnisse lassen sich aus ihr generieren? Das lesen Sie in diesem Beitrag.

betriebliche unfallstatistik als kuchendiagramm

Wer Arbeitsunfälle systematisch reduzieren will, kommt um eine betriebliche Unfallstatistik nicht herum. Denn um Häufungen und Trends beim betrieblichen Unfallgeschehen erkennen zu können, sind die Arbeitsunfälle und Ausfalltage systematisch und zentral zu erfassen.

Langfristige Betrachtungen sagen mehr über Ihr Unfallgeschehen aus

Dabei sind oft langfristige Entwicklungen wichtiger als jährliche Schwankungen, da vor allem bei kleineren Betrieben die Fallzahlen gering sein können. So kann es zufallsgetrieben in einem Jahr zu mehreren Unfällen kommen, in anderen dagegen zu gar keinem. Deshalb sind z.B. 10-Jahres-Betrachtungen sehr viel nützlicher. Diese zeigen einen langfristigen Trend auf.

Die genaueren Umstände eines Unfalls erfassen

Dass sich eine bestimmte Zahl an Unfällen ereignet hat, ist ein erster wichtiger Hinweis, den Sie aber für eine wirksame Präventionsarbeit noch qualifiziert betrachten müssen. Wichtig ist, dass eine Unfallstatistik immer auch die näheren Umstände erfasst, die Hinweise auf vorhandene Risiken oder Fehlentwicklungen geben können. Dazu sind bei der betrieblichen Unfallstatistik übergreifende Punkte zu klären:

  • die Arbeitsstätte, das Gebäude, der Betriebsbereich, Standorte etc.
  • verwendete Arbeitsmittel, Werkzeuge und Maschinen
  • verwendete Schutzeinrichtungen
  • Beschreibung des Arbeitsprozesses
  • Unfall bei Routinebetrieb oder bei Instandhaltungsarbeiten?
  • Merkmale betroffener Arbeitnehmer (z.B. Geschlecht, Alter, Qualifikation)
  • Uhrzeit und Schicht
  • Dauer der Betriebszugehörigkeit der verletzten Person

Zusammenhänge aus Unfalldaten entdecken

Um systematisch vorzugehen, empfiehlt es sich, bei der Auswertung der Unfalldaten räumliche, technische, organisatorische und personenbezogene Aspekte zu unterscheiden. Die folgenden Beispiele zeigen, welche Fragen hier jeweils sinnvoll wären:

  • Ortsbezogene Aspekte: Kommt eine bestimmte Unfallart fast ausschließlich in einer Filiale, aber sonst in keinem Betriebsbereich vor? Dies lässt darauf schließen, dass es dort Besonderheiten im Arbeitsablauf oder in der technischen Ausstattung gibt, die Beschäftigte offensichtlich stärker gefährden, als dies in anderen Betriebsteilen der Fall ist.
  • Personenbezogene Aspekte: Viele Beschäftigte waren weniger als 6 Monate im Betrieb tätig, als sie verletzt wurden. Das lässt auf Mängel in der Qualifikation oder bei der Ersteinweisung schließen. Hier ist die Führungskraft in der Pflicht, die Ersteinweisung sorgfältig durchzuführen und dafür zu sorgen, dass neue Beschäftigte gründlich in die organisatorischen Abläufe eingewiesen werden.
  • Organisatorische Aspekte: Wenn Unfälle häufig in der Nachtschicht passieren, ist die Konzentration evtl. ungenügend. Die Folge könnte sein, dass z.B. auf die Einhaltung der Pausen besser geachtet wird. Geschehen Unfällen vermehrt zu bestimmten Wochentagen, muss geprüft werden, ob es an diesen Tagen besondere Umstände gibt, die die Entstehung von Unfällen begünstigen. So kann es z.B. verstärkt bei der wöchentlichen Anlieferung im Lager zu Unfällen kommen, weil der Zeitdruck da besonders hoch ist und die Entladearbeiten an der Rampe gefährlich sind.
  • Technische Aspekte: Und natürlich weisen Unfälle mit gleichartigen Arbeitsmitteln und Maschinen darauf hin, dass sowohl ausführlicher und intensiver unterwiesen werden muss als auch die Gefährdungsbeurteilung und die daraus abgeleiteten Maßnahmen geprüft und ggf. angepasst werden müssen.

Sobald die Statistik Häufungen ausweist, ist die Frage, welche Besonderheiten es gibt, die eine Ursache dafür darstellen könnten. Suchen Sie auch nach Korrelationen zwischen Orten, Umgebungsfaktoren, Zeiten und anderen Merkmalen, die Sie in der Unfallstatistik erfasst haben.

Datenanalyse betriebliche Unfallstatistik

Tipp: Auch Beinahe-Unfälle erfassen

Beinahe-Unfälle sind genauso aussagekräftig wie tatsächliche Unfälle, da sich die entsprechende Arbeitssituation jederzeit wiederholen und zu einem Unfall führen kann. Entsprechend sind auch gefährliche Arbeitssituationen zu erfassen, die beinahe zu einem Unfall geführt hätten.

Was gibt es bei personenbezogenen Aspekte für die betriebliche Unfallstatistik zu beachten?

Betrachten Sie Häufungen von Unfällen, sollten Sie auch die Merkmale der Beschäftigten berücksichtigen. Neben neu eingestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern können Sie Gruppen wie Auszubildende, Teilzeitkräfte, Ungelernte, Alter und Geschlecht bilden. Prüfen Sie des Weiteren die Art der Unfälle daraufhin, ob es Hinweise auf verhaltensorientierte Ursachen (ignorieren von Betriebsanweisungen, Leichtsinn, Überschätzung, Unaufmerksamkeit) gibt. Hier könnte es notwendig sein, dass die Führungskräfte ihrer Aufsichtspflicht nachkommen und sicheres Arbeiten durchsetzen müssen. Auch könnten verstärkte Unterweisungen und Qualifikationsmaßnahmen die Gefährdung verringern.

Tipp: Software zur Erfassung der Unfälle nutzen

Erfassen Sie die betrieblichen Unfälle und Beinahe-Unfälle mit einer Software, die es ermöglicht, Häufungen und Korrelationen mit wenig Aufwand zu erkennen. Sie sollte die Möglichkeit bieten, die individuelle Unternehmensstruktur inklusive verschiedener Standorte und Arbeitsbereiche zu erfassen. Mit einer solchen Software können Sie dann idealerweise interne und externe Unfallmeldungen sowie Unfallanzeigen erstellen und relevante personenbezogene Informationen hinterlegen. Für die statistische Auswertung sollten die Daten als Grafiken angezeigt werden können, um selbst einen schnellen Überblick zu gewinnen und ggf. Erkenntnisse auch gegenüber Dritten anschaulich zu präsentieren.

Häufungen sind nur ein erster Anhaltspunkt

Die Zahl der Unfälle und ihre Merkmale schwanken im Zeitablauf ganz natürlich; auch sind Häufungen und vermeintliche Korrelationen nicht selten purer Zufall. Deshalb besteht stets die Gefahr der Überinterpretation, bei der vermeintliche Zusammenhänge erkannt und Maßnahmen abgeleitet und umgesetzt werden, die dann aber wenig bringen. Der Grund dafür ist, dass eine statistische Häufung stets nur als Einladung dient, an dieser Stelle genauer hinzusehen und nach Kausalitäten zu suchen. Wenn es trotz Häufung keine Anhaltspunkte für mögliche Ursachen gibt, sind auch keine Maßnahmen notwendig.

Autor*in: Martin Buttenmüller