22.05.2017

Verlustabzug auch nach GmbH-Gesellschafter-Wechsel

Bundesverfassungsgericht verneint pauschale Missbrauchsvermutung. Eine Kapitalgesellschaft bekommt einen anderen Gesellschafter. Folge: Verluste aus bisheriger Tätigkeit der Gesellschaft können nicht mehr mit Gewinnen verrechnet werden; sie gehen verloren. Ist das rechtens? Nein, das verstößt gegen die Verfassung, so das Bundesverfassungsgericht.

Verlustabzug

Verlustverrechnung mit späteren Gewinnen

Paragraph 8c des Körperschaftssteuergesetzes (KStG) regelt die Übertragung von Gesellschafteranteilen. Danach können bei einer solchen von mehr als 25 Prozent Verluste nicht mehr mit späteren Gewinnen der Gesellschaft verrechnet werden. Der Gesetzgeber wollte damit missbräuchliche Steuergestaltung verhindern. Zu Unrecht, fand der Bund der Steuerzahler (BdSt). Muss man tatsächlich schon Missbrauch der Steuergestaltung unterstellen, nur weil eine Firma ein Viertel und mehr der Anteile des einen Gesellschafters auf einen anderen überträgt?

Finanzamt verweigert Reiseveranstalter Verlustabzug

Der BdSt unterstützte einen Musterprozess dazu. Ihm liegt der Fall einer Veranstalter-GmbH von Pauschalreisen zu Grunde. Sie wurde 2006 von zwei Gesellschaftern gegründet. Die Geschäftstätigkeit führte 2006 und 2007 zu Verlusten. 2008 verkaufte einer der Gründungsgesellschafter wegen einer persönlichen finanziellen Notlage seine Anteile an einen neuen Gesellschafter. Nun erzielte die GmbH in jenem Jahr wieder Gewinne. Jedoch ließ das Finanzamt ein Großteil der Verluste aus den Anfangsjahren 2006 und 2007 unberücksichtigt. Es berief sich auf die Regelung des § 8c KStG.

Verrechnung mit Gewinnen

Zusammen mit der klagenden GmbH wollte der BdSt vom Bundesverfassungsgericht geklärt haben, ob ein Gesellschafterwechsel bei einer Kapitalgesellschaft dazu führen darf, dass Verluste aus der bisherigen Tätigkeit der Gesellschaft verlorengehen und daher für eine spätere Verrechnung mit Gewinnen nicht mehr zur Verfügung stehen.

Bundesverfassungsgericht: Kein Grund für Ungleichbehandlung

Das Bundesverfassungsgericht gab den Steuerzahlern jetzt Recht. Es entschied, dass der § 8c KStG in der Fassung des Unternehmenssteuerreformgesetzes von 2008 und in den nachfolgenden Fassungen bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften vom 20. Dezember 2016 tatsächlich gegen den im Grundgesetz garantierten allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 verstoße. Es fehle an einem sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung von Kapitalgesellschaften bei der Bestimmung ihrer steuerpflichtigen Einkünfte. Allein der Erwerb von mehr als 25 Prozent der Anteile an einer Kapitalgesellschaft sei noch kein Indiz für missbräuchliche Steuergestaltung.

Vielfältige Gründe für Übertragung von Beteiligungen

Entgegen dem einstigen Gesetzgeber und der Ansicht des Finanzamtes können sich die obersten Richter für die Übertragung von Beteiligungen an Verlustgesellschaften durchaus vielfältige Gründe vorstellen. Dass der Anteilseigner die Verluste zur Steuerminderung für Gewinne aus einem anderen Unternehmen nutzen will, könne nicht pauschal angenommen werden. Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist es der GmbH nun möglich, den Verlustvortrag für die Jahre 2006 und 2007 vorzunehmen. Somit darf die GmbH die Verluste mit den Gewinnen aus dem Jahr 2008 verrechnen.

Urteil wichtig für offene Klageverfahren

Das Urteil ist, so der BdSt, besonders für solche Kapitalgesellschaften von Bedeutung, deren Steuerbescheid aufgrund eines Einspruchs- oder Klageverfahrens noch offen ist oder deren Steuerbescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen sind. Diese Steuerzahler können sich auf das entsprechende Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Az. 2 BvL 6/11) berufen und den Verlustvortrag für den Zeitraum zwischen 2008-2016 geltend machen.

Gesetzgeber gefordert

Der Gesetzgeber muss nun spätestens bis Ende 2018 rückwirkend zum 1. Januar 2008 eine Neuregelung treffen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, werden ab 2019 im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit rückwirkend auf den Zeitpunkt ihres Inkrafttretens von § 8c KStG Satz 1 und von § 8c KStG Absatz 1 Satz 1 automatisch ungültig.

BWA mit nicht erfassten Leistungen

Gewinn und Verlust errechnen GmbH‘s maßgeblich nach der betriebswirtschaftlichen Auswertung (BWA). Wie „GmbH-Brief AKTUELL“ in seiner Mai-Ausgabe (7/2017) schreibt, sollte man für diese nicht nur Rechnungsein- und -Ausgang berücksichtigen, sondern auch bereits erbrachte, aber noch nicht abgerechnete monatliche Leistungen. Daraus kann sich nämlich ein ganz anderes Bild von Gewinn und Verlust ergeben.

Autor*in: Franz Höllriegel