13.09.2016

Räumungsschutz auf unbestimmte Zeit nur in absoluten Ausnahmefällen

Besteht ein Gesundheitsrisiko oder eine Suizidgefahr bei einem Schuldner aufgrund einer Zwangsräumung, so kann nur in absoluten Ausnahmefällen ein Räumungsschutz auf unbestimmte Zeit gewährt werden (BGH, Beschluss vom 21.01.2016, Az. I ZB 12/15).

Räumungsschutz

Das mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück einer 92-jährigen Frau wurde zwangsversteigert. Nachfolgend wurde der Frau mehrmals Räumungsschutz gewährt. Schließlich hat das Landgericht die Zwangsvollstreckung auf unbestimmte Zeit eingestellt. Es begründete seine Entscheidung damit, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass die inzwischen 94-jährige Frau die Zwangsräumung aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht überleben werde oder dass sie bei einer Zwangsräumung Selbstmord begehen werde. Die Gläubigerin sah dies anders und legte gegen die Entscheidung Rechtsbeschwerde ein.

Entscheidungsgründe

  • Besteht ein Gesundheitsrisiko oder eine Suizidgefahr bei einem Schuldner aufgrund einer Zwangsräumung, so kann nur in absoluten Ausnahmefällen ein Räumungsschutz auf unbestimmte Zeit gewährt werden. Ein solcher Ausnahmefall wird in der Regel nur vorliegen, wenn eine Verringerung des Gesundheitsrisikos oder der Suizidgefahr in Zukunft ausgeschlossen ist.
  •  Das Gericht ist der Meinung, dass eine Zwangsvollstreckung gemäß § 765a ZPO untersagt oder einstweilig eingestellt werden kann, wenn mit der Vollstreckungsmaßnahme eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners verbunden ist. Es kommt aber stets auf eine Abwägung zwischen dem Interesse des Schuldners und dem Vollstreckungsinteresse des Gläubigers an.
  •  Ist der Räumungstitel des Gläubigers nicht durchsetzbar, wird sein Grundrecht auf Eigentumsschutz (Art. 14 GG) sowie auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) beeinträchtigt. Besteht daher für den Betroffenen einer Räumungsvollstreckung eine konkrete Lebensgefahr, ist sorgfältig zu prüfen, ob dieser Gefahr nicht auf andere Weise als durch Einstellung der Vollstreckung wirksam begegnet werden kann. Ein Räumungsschutz auf unbestimmte Zeit ist in solchen Fällen eine absolute Ausnahme.
  •  Ein Räumungsschutz auf unbestimmte Zeit kommt regelmäßig nur dann ausnahmsweise in Betracht, wenn die Verringerung des Gesundheitsrisikos oder der Suizidgefahr auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Mitwirkung des Schuldners und staatlicher Stellen in Zukunft ausgeschlossen ist.
  •  Der BGH entschied zugunsten der Gläubigerin und hob daher die Entscheidung des LG auf. Zum einen hat ein Verfahrensfehler vorgelegen, zum anderen haben die Feststellungen des LG eine dauerhafte Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht gerechtfertigt.

Hinweis

Dieser Beschluss des BGH ( vom 21.01.2016, Az. I ZB 12/15) ist interessant für die Ordnungsbehörden im Hinblick auf eventuelle Anhörungsgespräche in Zwangsräumungs- und damit verbundenen Obdachlosenfällen.

Autor*in: Georg Huttner (Oberamtsrat a.D. Georg Huttner ist Autor für die Titel Ordnungsamts- und Gewerbeamtspraxis.)