08.10.2018

Sexuelle Belästigung kommt häufiger im öffentlichen Dienst als in der Privatwirtschaft vor

In den Amtsstuben könnten „MeToo“-Kampagnen offenbar nützlich sein. Denn laut einer am 30.8.2018 veröffentlichten Befragung von „Forsa“ kommt sexuelle Belästigung im öffentlichen Dienst sogar etwas häufiger vor als in der Privatwirtschaft. Und bei Diskriminierungen – wegen des Alters oder des Geschlechts – liegt man dort nur unwesentlich besser.

Sexuelle Belästigung

Studie über das Ansehen des Öffentlichen Dienstes

Mehrere Zeitungen, u.a. der Mannheimer Morgen, berichteten über eine Studie, die der Deutsche Beamtenbund (dbb) in Auftrag gegeben habe, und zwar im Rahmen seiner jährlichen Untersuchung über das Ansehen des Öffentlichen Dienstes. Der Vorsitzende des dbb habe sich darüber einigermaßen entsetzt gezeigt. Man werde nun überlegen, was zu tun sei. Eventuell eine Aufklärungskampagne, eventuell auch Schulungen für die Personalräte.

Jede vierte Frau hat sexuelle Belästigung erlebt

Hintergrund des Erstaunens: Nirgendwo ist die Schutzdichte für Beschäftigte so hoch wie im öffentlichen Dienst. Es gibt Antidiskriminierungsstellen, Frauen- und Behindertenbeauftragte und Personalräte. Trotzdem gaben von den 1004 befragten Beschäftigten des Staatssektors 32 Prozent der Beamten und 34 Prozent der Arbeitnehmer an, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt zu haben. Entweder bei sich selbst (15 Prozent Beamte, 20 Prozent Tarifbeschäftigte) oder bei Kollegen (jeweils 20 Prozent). Insgesamt gaben 26 Prozent der Frauen an, selbst sexuelle Belästigung erlebt zu haben – somit mehr als jede vierte Frau. Bei den befragten 1007 Beschäftigten der Privatwirtschaft lag die Erfahrung mit sexueller Belästigung etwas niedriger, bei 29 Prozent.

Was wurde gewertet?

Frauen sind deutlich mehr betroffen als Männer, bei denen das Wissen über Übergriffe zudem weniger auf eigenes Erleben zurückgeht, sondern auf Beobachtungen. Als sexuelle Belästigung wurden Übergriffe, unangemessene Sprüche oder anzügliche Blicke gewertet.

Wer wehrte sich?

Auffällig auch, dass die Betroffenen im Öffentlichen Dienst so etwas offenbar leichter hinnehmen. In den Behörden wehrten sich 41 Prozent, in den Betrieben 44 Prozent. 19 Prozent gaben an, sie hätten aus Angst nichts unternommen, zehn Prozent, weil sie berufliche Nachteile befürchteten, und sechs Prozent, weil der Chef selbst der Belästiger war.

Diskriminierung bei Frauen und Männern

Auch bei Diskriminierungen ist der Öffentliche Dienst kein Vorbild. In der Privatwirtschaft fühlen sich 20 Prozent benachteiligt, bei den Beamten 15 Prozent, bei den Tarifbeschäftigten 17 Prozent. Männer glauben, dass Alter oder eine Behinderung der Grund sind, Frauen sehen Geschlecht oder Familienstand als Motiv. Hauptklagen sind bei Männern, dass sie eine Stelle nicht bekommen hätten; bei Frauen eine ausbleibende Gehaltserhöhung.

Autor*in: Werner Plaggemeier (langjähriger Herausgeber der Onlinedatenbank „Personalratspraxis“)