27.01.2023

Hinweisgeberschutzgesetz: Unternehmen müssen reagieren

Der Bundestag hat im Dezember 2022 das Hinweisgeberschutzgesetz beschlossen und damit die EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern (EU 2019/1937) umgesetzt. Der Bundesrat hat das neue Gesetz am 10.2.2023 blockiert – vorläufig jedenfalls. Denn auch wenn noch Änderungen möglich sind ist die Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie unausweichlich.

Symbolbild für das Hinweisgeberschutzgesetz

Das Ziel des geplanten Hinweisgeberschutzgesetzes: Hinweisgeber sollen, wenn sie Missstände und Verstöße gegen Gesetze und Vorschriften (z.B. das Arbeitsschutzgesetz) anonym melden, besser als bisher vor Repressalien geschützt werden. Für die Unternehmen bedeutet dies zweierlei: Einerseits sind Meldestellen, mit denen „Whistleblower“ vor Aufdeckung und Verfolgung bewahrt werden können, zu implementieren. Und zweitens ist darauf zu achten, dass Meldungen rechtmäßig bearbeitet und abgeschlossen werden, sonst drohen Schadenersatz und Bußgelder.

Durch das neue Gesetz werden auch alle Personen geschützt, die betriebsinterne Verstöße gegen das Arbeitsschutzgesetz oder den Gesundheitsschutz melden. Mit dem Hinweisgeberschutzgesetz setzt der Gesetzgeber die EU-Richtlinie EU 2019/1937 um. Das Ziel ist es, Hinweisgeber vor Repressalien und Nachteilen wie z.B. Kündigung, Mobbing oder Blockierung von Beförderungen zu bewahren und dadurch Rechtsverstöße und Missstände schneller aufdecken zu können.

 

Wer ist vom Hinweisgeberschutzgesetz betroffen und wer darf melden?

Das Hinweisgeberschutzgesetz gilt für alle Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten. Diese müssen eine Meldestelle für Hinweisgeber einrichten. Zusätzlich gibt es eine Liste mit Unternehmen wie z.B. Immobilienmaklern und Dienstleistern aus der Finanz- und Versicherungsbranche, die unabhängig von ihrer Größe eine interne Meldestelle einrichten müssen. Meldungen dürfen alle natürlichen Personen abgeben, die im Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit oder in deren Vorfeld Kenntnis von Verstößen gegen Gesetze oder Vorschriften erlangt haben.

Das Hinweisgeberschutzgesetz definiert diesen „persönlichen Anwendungsbereich“ so weit, dass im Prinzip alle melden können, sofern sie irgendeinen Bezug zum Unternehmen haben. Entsprechend können z.B. Beschäftigte und Bewerber, Selbstständige, Praktikanten und Aufsichtsratsmitglieder Hinweise geben. Konkret heißt das: Es wird für ein Unternehmen nicht funktionieren, einen Hinweis mit einer mangelnden Berechtigung des Hinweisgebers abzuwehren.

 

Themen aus dem Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes

Im Prinzip gibt es keine Themen, die nicht in den Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes fallen können. So unterliegen Verstöße gegen das Unionsrecht wie z.B.

  • die Verkehrssicherheit,
  • Umwelt- und Verbraucherschutzvorschriften,
  • das öffentliche Auftragswesen,
  • sowie deren nationale Umsetzungen

dem Hinweisgeberschutzgesetz.

Ebenso können auch die Rechte der Beschäftigten und ihrer Vertretungsorgane ein Thema für Hinweisgeber sein. Gemeldet werden können auch Verstöße gegen das EU-Regulierungspaket für Online-Plattformen sowie verfassungsfeindliche Äußerungen von Beamten.

 

Auch anonyme Meldungen von Hinweisgebern müssen bearbeitet werden

Bis kurz vor der Verabschiedung durch den Bundestag sah der Entwurf zum Hinweisgeberschutzgesetz vor, dass Unternehmen selbst darüber entscheiden können, ob sie anonyme Hinweise bearbeiten oder nicht. Doch ganz zuletzt grätschte der Rechtsausschuss des Bundestags dazwischen und erreichte, dass nun sowohl personalisierte als auch anonyme Hinweise bearbeitet werden müssen. Das hat zur Folge, dass die Meldestellen technisch in die Lage versetzt sein müssen, anonym mit einer hinweisgebenden Person zu kommunizieren. Einfache E-Mail-Postfächer werden dieser Anforderung nicht genügen; allerdings haben die Unternehmen nach § 42 Abs. 2 HinSchG bis zum 1.1.2025 Zeit, ihre Meldestellen so umzurüsten, dass sie zu anonymer Kommunikation fähig sind.

Doch Vorsicht: Wenn Hinweisgeber kein Vertrauen zu der Meldestelle des Unternehmens haben, können sie sich ausdrücklich an das Bundesamt für Justiz wenden. Diese steht allen Hinweisgebern als externe Meldestelle zur Verfügung. Und wenn sie von dort keine Rückmeldung haben, dürfen sie sich straflos an die Öffentlichkeit wenden.

 

Schadenersatz und Bußgelder gemäß Hinweisgeberschutzgesetz

Wenn hinweisgebende Personen Repressalien ausgesetzt sind, können sowohl Vermögensschäden als auch immaterielle Schäden angerechnet werden. Zu Letzteren gehören Tatbestände wie Diskriminierung und Mobbing (§ 37 Abs. 1 HinSchG). Versäumen es Unternehmen, Meldestellen einzurichten, oder sind diese nicht nach den Vorgaben des Hinweisgeberschutzgesetztes ausgestaltet, drohen Bußgelder in Höhe von bis zu 100.000 Euro. Dies gilt auch für Unternehmen, die Hinweisgeber bei ihren Meldungen behindern. Fühlen sich Hinweisgeber benachteiligt, gilt die Beweislastumkehr: Beschwert sich ein Hinweisgeber wegen Repressalien, muss das Unternehmen beweisen, dass dem nicht so ist.

 

Hier setzt das Hinweisgeberschutzgesetz den Whistleblowern Grenzen

Die Hinweisgeber werden durch das Hinweisgeberschutzgesetz umfassend geschützt; doch grenzenlos ist dieser Schutz nicht. So dürfen sie zwar mit ihrem Wissen an die Öffentlichkeit treten. Dies gilt jedoch erst, wenn sich die Whistleblower an die externe Meldestelle (also das Bundesamt der Justiz) gewandt und von dort mindestens drei Monate lang keine Antwort bekommen haben. Auch kann für den Hinweisgeber eine Schadenersatzpflicht eintreten, wenn er oder sie vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Informationen gemeldet hat.

 

Tipp: Aufbewahrungspflichten einhalten

Der Rechtsausschuss des Bundestags hat kurz vor der Abstimmung im Bundestag noch eine Verlängerung der Aufbewahrungspflicht in das Hinweisgeberschutzgesetz eingefügt. Demnach beträgt die Aufbewahrungspflicht von Unterlagen, die eine rechtmäßige Bearbeitung des Hinweises belegen können, drei Jahre. Die Frist beginnt zu laufen, wenn der Fall abgeschlossen ist (§ 11 Abs. 5 HinSchG.).

 

Autor*in: Martin Buttenmüller