10.07.2023

EU investiert Millionen in deutsche Verkehrsprojekte

Das transeuropäische Verkehrsnetz TEN-V – es soll das Rückgrat der EU-Wirtschaft werden. Diesem Ziel will es die EU-Kommission mit vereinten Kräften näher bringen. Dazu schnürte sie ein Finanzierungspaket von über sechs Milliarden Euro – Hauptziel deutsche Verkehrsprojekte.

deutsche Verkehrsprojekte

Eine Tonne Wasserstoff pro Tag 

107 Verkehrsinfrastrukturprojekte hat die EU-Kommission europaweit ausgewählt mit EU-Finanzhilfen von über 6 Milliarden Euro. 378 Millionen Euro davon gehen allein an deutsche Projekte. Das Geld stammt aus der „Fazilität Connecting Europe“ (CEF), dem EU-Instrument für strategische Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur. Das Wort Fazilität ist aus Facility entlehnt, das der Internationale Währungsfonds (IWF) erstmals im Oktober 1952 für kurzfristige Bereitschaftskreditvereinbarungen an Mitgliedstaaten.  

Fokus: Schiene, Binnenwasserstraße, Meeresrouten 

Über 80 Prozent der Mittel sollen Projekte unterstützen, die ein effizienteres, umweltfreundlicheres und intelligenteres Netz schaffen von:  

  • Eisenbahnen  
  • Binnenwasserstraßen  
  • Seeverkehrsrouten entlang des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V).  
  • Darüber hinaus sollen die Projekte die Solidaritätskorridore zwischen der EU und der Ukraine stärken. Diese Handelswege hat man nach Kriegsbeginn in der Ukraine eingerichtet, um Ein- und Ausfuhren des Landes zu erleichtern. 

Finanzieren will die EU-Kommission unter anderem:  

  • den grenzüberschreitenden Eisenbahnabschnitt zwischen Deutschland und den Niederlanden (Emmerich-Oberhausen) und  
  • die Installation des Europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystem (ERTMS) in deutschen Zügen und Eisenbahnstrecken. 

Grenzüberschreitende Eisenbahnverbindungen 

Wichtige grenzüberschreitende Eisenbahnverbindungen entlang des TEN-V-Kernnetzes wolle man ebenfalls vorrangig finanzieren, heißt es in einer Mitteilung der Kommission. Dazu gehören folgende Verbindungen:  

  • Brenner-Basistunnel zwischen Italien und Österreich  
  • Rail Baltica zwischen den drei baltischen Staaten und Polen mit übrigem Europa. 

Seehäfen in Irland, Griechenland, Spanien, Lettland, Litauen, Niederlande und Polen sollen Mittel für den Ausbau der landseitigen Stromversorgung erhalten. Hiervon erhofft sich Brüssel eine Verringerung der Treibhausgasemissionen am Kai festgemachter Schiffen. 

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Binnenschifffahrt zukunftssicher 

Um die Binnenschifffahrt zukunftssicher zu machen, steht der Infrastruktur entlang der grenzüberschreitenden Seine-Schelde-Binnenschifffahrt zwischen Frankreich und Belgien die Modernisierung bevor. Binnenhäfen an der Donau und im Rheinbecken, wie Wien und Andernach, stehen ebenfalls ganz oben auf der Liste der Ausbauvorhaben.  

Sicherer Schienenverkehr 

Um die Sicherheit und Interoperabilität des Schienenverkehrs in der EU zu erhöhen, gelangt das Europäische Eisenbahnverkehrsleitsystem (ERTMS) in Zügen und Eisenbahnstrecken neben Deutschland auch in Tschechien, Dänemark, Frankreich, Österreich und der Slowakei zum Einsatz. Auf der Straße werden mehrere EU-Mitgliedstaaten intelligente Verkehrssysteme und -dienste (ITS) einführen, insbesondere kooperative IVS (C-ITS) für einen sichereren und effizienteren Verkehr. Mehrere Mitgliedstaaten wollen europäische Projekte zum Flugverkehrsmanagement unterstützen, um die Effizienz des Luftverkehrs zu steigern und einen einheitlichen europäischen Luftraum zu schaffen. 

Deutsche Projekte 

Deutsche Projekte, die die Kommission für eine Förderung ausgewählt hat: 

  • ADS-B-Einsatz in Deutschland, Beschleunigung der CNS-Rationalisierung innerhalb der Europäischen Union: Das Projekt zielt darauf ab, eine vollständige ADS-B-Abdeckung im deutschen Bundesgebiet zu erreichen, sowohl den unteren als auch den oberen Luftraum abdecken und gleichzeitig die Substitution von konventionellen Radarsysteme zu ermöglichen, die im Vergleich zu ADS-B-Sensorsystemen deutlich teurer sind. Der Hauptnutzen des Projekts wird die Erhöhung der Sicherheit und der Kapazität des Luftverkehrs sein. Koordinator: Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS), Empfohlene Förderung: 1.943.80 Euro 
  • Planung und Bau des grenzüberschreitenden Abschnitts Angermünde (Deutschland) bis Stettin (Polen): Das Projekt betrifft Studien und Arbeiten zur Modernisierung des Eisenbahnstreckenabschnitts zwischen Angermünde und der deutsch-polnischen Grenze. Der Hauptnutzen des Projekts besteht in einer besseren Eisenbahnverbindung zwischen Deutschland und Polen. Koordinator: Bundesministerium Für Digitales Und Verkehr, Empfohlene Förderung: 92.204.405 Euro 
  • Grenzüberschreitenden Eisenbahnstrecke DE/NL Grenze Emmerich-Oberhausen, Verwirklichung der Bauphase 3: Das Projekt betrifft den Ausbau der grenzüberschreitenden Eisenbahnstrecke DE/NL Grenze Emmerich-Oberhausen zu einer dreigleisigen Strecke. Es ist Teil des Gesamtprojekts zum Ausbau der Strecke Emmerich – Oberhausen (ABS 46/2), das in mehreren Bauabschnitten realisiert wird. Der Hauptnutzen des Projekts liegt in der Erhöhung der Kapazität für den Schienengüter- und -personenverkehr. Koordinator: Bundesministerium Für Digitales Und Verkehr, Empfohlene Förderung:  64.479.000 Euro 
  • ETCS OBU B3 Prototypen von zehn Fahrzeugen für den Güterverkehr in ganz Europa mit einer Flotte von bis zu 750 Lokomotiven: Das Projekt betrifft die Nachrüstung einer Flotte von First in Class (FiC) Prototyp-Güterzuglokomotiven (acht internationale und zwei nationale) mit ETCS OBU Baseline 3. Der Hauptnutzen des Projekts liegt in der Verbesserung der Interoperabilität, Effizienz und Sicherheit des Schienenverkehrs in der EU. Koordinator: DB Cargo Aktiengesellschaft, Empfohlene Förderung: 7.200.000 Euro 
  • ETCS OBU B3 Seriennachrüstung der Fahrzeugtypen EG3100, BR187, DE6400: Das Projekt betrifft die serienmäßige Nachrüstung einer Flotte von 80 internationalen Güterzuglokomotiven mit ETCS Level 2 Baseline 3, was zu einer intelligenten und interoperablen Mobilität auf vier Kernnetzkorridoren beitragen wird. Der Hauptnutzen des Projekts liegt in der erhöhten Interoperabilität, Effizienz und Sicherheit des Schienenverkehrs in der EU. Koordinator: DB Cargo Aktiengesellschaft, Empfohlene Förderung: 3.410.00 Euro 
  • ABS/NBS Karlsruhe – Basel: Das Projekt betrifft Arbeiten zum Aus- und Neubau der Teilabschnitte 1.0-1.2 (Karlsruhe-Rastatt-Süd) und 9.0, 9.2 und 9.3 (Müllheim-Basel) der Eisenbahnstrecke zwischen Karlsruhe und Basel. Der Hauptnutzen des Projekts liegt in der Erhöhung der Kapazität für den Schienengüter- und -personenverkehr. Koordinator: Bundesministerium Für Digitales Und Verkehr, Empfohlene Förderung: 178.250.000 Euro 
  • PBN-konforme NAV-Infrastruktur für Deutschland: Das Projekt zielt darauf ab, die Durchführungsverordnung (EU) 2018/1048 der Kommission (die PBN-Verordnung) einzuhalten. Im Rahmen des Projekts wird die bestehende DVOR- und DME-Infrastruktur am Boden optimiert und die alte Infrastruktur außer Betrieb genommen. Der Hauptnutzen des Projekts liegt in der Steigerung der Effizienz, Sicherheit und Interoperabilität des Luftraummanagements. Koordinator: DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, Empfohlene Förderung: 10.000.000 Euro 
  • Bau der wasserseitigen Infrastruktur im Rheinhafen Andernach: Das Projekt umfasst die Verstärkung der Kaimauer im Hafen von Andernach am Rhein. Ziel ist es, die Liegeplätze und Ladestellen im Hafen zu verbessern und zu modernisieren. Andernach ist ein wichtiger umfassender Binnenhafen, der das Hinterland mit den großen Seehäfen in Rotterdam und Antwerpen. Der Hauptnutzen des Projekts liegt in der Erhöhung der Kapazität dieses Binnenhafens sein. Koordinator: Stadtwerke Andernach GmbH, Empfohlene Förderung: 5.632.113 Euro 

Außerdem hat die Kommission mehrere Mehrländer-Projekte ausgewählt, an denen Deutschland beteiligt ist.  

Auswahl aus über 350 Projekten 

Die 107 Projekte hat die Kommission aus insgesamt seit Veröffentlichung Aufforderung 2022 zur Einreichung von Vorschlägen eingereichten 353 Projekten auserkoren. Die EU-Finanzierung erfolge in Form von Zuschüssen, die zur Kofinanzierung der Gesamtkosten der Projekte verwendet werden. Im Rahmen des CEF-Verkehrsprogramms 2021-2027stehen 25,8 Milliarden Euro für Finanzhilfen zur Kofinanzierung von TEN-V-Projekten in den EU-Mitgliedstaaten zur Verfügung. Seit 2014 hat die Fazilität „Connecting Europe“ fast 1300 Projekte mit einem Gesamtvolumen von 29,4 Milliarden Euro im Verkehrssektor unterstützt, die heute vorgeschlagene Auswahl nicht mitgerechnet. 

Vorschläge für militärische Mobilität 

Weitere Finanzierungsmöglichkeiten stehen im Rahmen der Fazilität „Connecting Europe“ für Verkehrsprojekte zur Verfügung, wobei die Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen für militärische Mobilität 2023 derzeit bis zum 21. September 2023 läuft. Die Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen im Rahmen der Infrastrukturfazilität für alternative Kraftstoffe laufen bis zum 7. November 2023. Die nächsten Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen im Bereich Verkehr der Fazilität „Connecting Europe“ werden Ende September 2023 veröffentlicht. 

Die für Verkehr zuständige EU-Kommissarin Adina Vălean erklärte: „Wir stellen 6,2 Milliarden Euro für Projekte in ganz Europa bereit. Das wird uns der Vollendung des transeuropäischen Verkehrsnetzes TEN-V, dem Rückgrat der EU-Wirtschaft, näher bringen. Ich freue mich besonders, dass 250 Millionen Euro für die Verbesserung der grenzüberschreitenden Verbindungen zwischen der Ukraine, Moldawien und ihren EU-Nachbarn Rumänien, Ungarn, Slowakei und Polen bereitgestellt werden. Diese Projekte werden den Gütertransport zwischen der EU und der Ukraine erleichtern und die Solidaritätswege stärken.“ 

Straßentelematik hat Vorfahrt 

Im Straßenverkehr entwickeln sich seit über 20 Jahren intelligente Verkehrssysteme der Straßentelematik. Einige Anwendungen sind mittlerweile weit verbreitet und bekannt. So sind beispielsweise mehrere Millionen Pkw und Lkw mit On-Board-Navigationssystemen ausgestattet, die in der Lage sind, Verkehrs- und Reiseinformationen in Echtzeit zu berücksichtigen. Das Potenzial intelligenter Verkehrssysteme (IVS) könne nur ausgeschöpft werden, wenn sich ihr Einsatz in Europa von dem begrenzten und fragmentierten Szenario von heute zu einem EU-weiten Szenario entwickelt, heißt es von der Kommission.

Die transnationale Einführung kontinuierlicher grenzüberschreitender Dienste für Reiseinformationen und Verkehrsmanagement kann von den Mitgliedstaaten nicht durchgeführt werden, wenn sie unabhängig voneinander arbeiten. Koordinierte Maßnahmen auf EU-Ebene würden eine größere Wirkung entfalten (z. B. gemeinsame Haftungsvorschriften) und zu großen Volkswirtschaften führen, die die Märkte antreiben können. Intelligente Verkehrssysteme könnten zu den wichtigsten verkehrspolitischen Zielen beitragen. Die Verknüpfung zwischen den Verkehrsträgern, z.B. dem ÖPNV, werde immer wichtiger. 

Autor*in: Friedrich Oehlerking (Freier Journalist und Experte für Einkauf, Logistik und Transport)