04.07.2023

Hochdruck-Wasserstofftankstelle für Fernverkehr-Lkw eröffnet

Kaum ein Politiker, der nicht das hohe Lied auf Wasserstoff anstimmt. Doch die Anwender kamen nicht in Schwung – bislang. Bei Marseille eröffnet eine erste Lkw-Hochdruck-H2-Tankstelle. Lkw-Hersteller wollen zeitnah H2-Lkw liefern. Börsenexperten sehen rosige Zukunft für H2-Titel.

Hochdruck-Wasserstofftankstelle

Eine Tonne Wasserstoff pro Tag 

Eine Tonne Wasserstoff pro Tag bei einem Druck von 700 bar soll eine neue Hochdrucktankstelle speziell für Fern-Lkw in Südfrankreich durchsetzen können. Eine Pipeline soll sie mit CO2-armem Wasserstoff versorgen. Das teilt Lkw-Hersteller Iveco mit. Die Tankstelle in Fos-sur-Mer ist Teil von:  

  • dem von Frankreich geförderten Projekt „Hyammed“: Hydrogène à Aix-Marseille pour une Mobilité Ecologique et Durable, Wasserstoff in Aix-Marseille für eine ökologische und nachhaltige Mobilität, sowie  
  • von „H2Haul“, das u.a. Gaskonzern Air Liquide und LKW-Hersteller Iveco 2019 gegründet haben. Es wird kofinanziert von dem Clean Hydrogen Partnership 

Hochleistungstankstelle für schwere Nutzfahrzeuge 

Eine zweite Hochleistungstankstelle für schwere Nutzfahrzeuge mit 700 bar Gasdruck und einem Wasserstoffdurchsatz von zwei Tonnen pro Tag installiert das Konsortium in Salon-de-Provence. Ab 2025 soll es im Rahmen des R’Hyse-Projekts eine Flotte von 50 Sattelzugmaschinen des Herstellers vom Typ FCEV mit Wasserstoff versorgen. Zur Einweihung am 26. Juni 2023 stellte Iveco einen Prototypen einer schweren Sattelzugmaschine mit Brennstoffzelle vor. Diese Transportlösung für den Fernverkehr zeichnet sich laut Herstellerangaben durch eine kurze Betankungszeit bei 700 bar Druck aus.  

Einkauf - Logistik - Transport

Cleverer Einkauf. Durchdachte Logistik. Sicherer Transport.

€ 749.00Jahrespreis zzgl. MwSt.

Online-Version

Die Verantwortlichen sehen in der Tankstelle einen weiteren Schritt der beiden Unternehmen für die Entwicklung der Wasserstoffmobilität in Europa. Ihr Einweihung stehe im Einklang mit dem im Dezember 2021 unterzeichneten Memorandum of Understanding (MoU), um Wasserstoff als entscheidenden Faktor für die Energiewende im Straßengüterverkehr voranzutreiben. Air Liquide bringe dabei seine Expertise in der Wasserstoff-Wertschöpfungskette ein, von der Produktion über die Speicherung bis hin zum Vertrieb. Iveco will sein Produktions-Know-how von Fahrzeugen einbringen, die sich mit alternativen Kraftstoffen betreiben lassen. 

Wasserstoff-Brennstoffzellen-Lkw für emissionsfreie Schwerlastlogistik 

H2Haul steht für „Hydrogen Fuel Cell Trucks for Heavy-Duty, Zero Emission Logistics” (Wasserstoff-Brennstoffzellen-Lkw für die emissionsfreie Schwerlastlogistik). Diese öffentlich-private Partnerschaft wird durch das Forschungs- und Innovationsprogramm „Horizon 2020“ der Europäischen Union, Hydrogen Europe und Hydrogen Europe Research unterstützt. Hyammed wird finanziell unterstützt von: 

  • Hydrogen Mobility Ecosystems Program der französischen Agentur für Umwelt- und Energie (Ademe),  
  • der Région Sud und  
  • der französischen Regierung im Rahmen des Programms für Zukunftsinvestitionen (Programme d’investissements d’avenir, PIA) 

Das Programm R’Hyse wurde von Ademe und der Europäischen Union mit dem Programm „Connecting Europe Facility for Transport“ gefördert. 

Sauerstoff, Stickstoff und Wasserstoff 

Air Liquide sieht sich als weltweit führender Anbieter von Gasen wie Sauerstoff, Stickstoff und Wasserstoff, Technologien und Dienstleistungen für die Industrie und das Gesundheitswesen. Das Unternehmen ist mit rund 64.500 Mitarbeitern in 78 Ländern vertreten und betreut mehr als 3,8 Millionen Kunden und Patienten. Die Gase stellen den wissenschaftlichen Fachbereich von Air Liquide und stehen seit der Gründung des Unternehmens im Jahr 1902 im Mittelpunkt seiner Aktivitäten. Der Umsatz von Air Liquide belief sich den Angaben zufolge im Jahr 2022 auf mehr als 29,9 Milliarden Euro. Air Liquide ist an der Pariser Börse Euronext notiert.  

Verbreitung der Nutzung von Wasserstoff fördern 

Erwin Penfornis, Vice-President Hydrogen Energy World Business Line, Air Liquide: „Um die Verbreitung der Nutzung von Wasserstoff zu fördern, müssen wir gemeinsam die Voraussetzungen dafür schaffen, dass der Sektor florieren kann. Es ist unerlässlich, ein Netz von Tankstellen mit hoher Kapazität zu entwickeln, das dicht genug ist, um den Fahrzeugherstellern und Flottenbetreibern den Einstieg in diese Umstellung zu ermöglichen. Das Projekt Hyammed ist Teil dieses Ansatzes. Es ist ein entscheidender erster Schritt und der Startschuss für ein größeres Ziel, das wir mit unserem Partner Iveco teilen.“  

Gerrit Marx, CEO der Iveco Group: „Unsere Strategie für eine zunehmend nachhaltige Mobilität basiert auf einem technologieneutralen Ansatz, und Wasserstoffmobilität ist ein wichtiger Baustein auf diesem Weg.“ Sie biete eine wesentliche Lösung für Nutzfahrzeuganwendungen mit hohem Energiebedarf wie im Fernverkehr. Sein Unternehmen verfüge über die Fahrzeuge wie auch die Tankstellen, um ein echtes Wasserstoffmobilitäts-Ökosystem auf die Straße zu bringen. Marx wies in diesem Zusammenhang auf ein neues umfassendes, nutzungsabhängiges Mietmodell Green & Advanced Transport Ecosystem (Gate) hin. Es soll den Zugang zu wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen ermöglichen.  

Steinmeier: Einsamer Wasserstoffsucher in der Wüste 

Unterdessen sucht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Wasserstoff im staubigen Sandboden Kasachstans. Für den Berichterstatter der Stuttgarter Nachrichten nur mit viel Phantasie vorstellbar, dass hier in der kasachischen Steppe inmitten von „staubigem Sandboden, braunen Grasbüscheln und einer Reihe von Strommasten, am Horizont das Kaspische Meer und eine Eisenbahntrasse – sonst nichts, soweit das Auge reicht“ Deutschlands Energiezukunft liegen könnte. „Hyrasia One“ lautet der Name des Projekts, für das Steinmeier den langen Weg in den Südwesten Kasachstans auf sich nahm. Noch steht „Hyrasia One“ nur auf dem Papier – „wie vieles im Bereich grüner Wasserstoff“, so der Berichterstatter.

Das Vorhaben werde von einem Unternehmen gleichen Namens vorangetrieben, das zur Svevind Energy Group gehört, einem Projektentwickler für erneuerbare Energien mit Hauptsitz in Dresden unter der Geschäftsleitung von Wolfgang Kropp. Auf einer Fläche so groß wie Brandenburg soll ein gigantischer Windenergie- und Photovoltaikpark entstehen. Im für 2032 geplanten Endausbau soll eine Nennleistung von rund 40 Gigawatt installiert sein, in etwa die Leistung von rund 30 Atomkraftwerken. Mit Hilfe der klimaneutral erzeugten Energie soll der Park ab 2030 durch die Elektrolyse von Wasser bis zu zwei Millionen Tonnen grünen Wasserstoff pro Jahr herstellen. Damit ließe sich nach Angaben des Unternehmens rund ein Fünftel des von der EU für 2030 erwarteten Importbedarfs decken. Laut Hyrasia One handelt es sich um eines der fünf größten Wasserstoffprojekte weltweit. Keines von ihnen ist bisher fertiggestellt. 

Wichtig für Energieversorgung der Europäischen Union 

Die deutsche Gaswirtschaft bewertet laut Stuttgarter Nachrichten das Projekt als sehr wichtig für die Energieversorgung der Europäischen Union. In Kasachstan böten sich allerbeste Voraussetzungen für die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien, zitiert das Blatt den Vorstand des Branchenverbandes Zukunft Gas, Timm Kehler. Steinmeiers Besuch sei ein wichtiges Signal. Vor allem müsse sich aber die Europäische Union klar zu dem Projekt bekennen. „Denn die grüne Energie aus Kasachstan ist auch für andere Märkte in Asien von Interesse“, so Kehler. 

Börsenexperte: Kein besserer Zeitpunkt als jetzt 

Über die Zukunft von Wasserstoff als Energieträger der Zukunft gehen die Meinungen in der Fachwelt noch ziemlich weit auseinander. Es gibt keinen besseren Zeitpunkt als jetzt, beim Megatrend Wasserstoff dabei zu sein, gibt sich Anlegerplattform „Erfolgs-Anleger“ zuversichtlich. Investoren können sich demnach über Rückenwind von der deutschen Regierung freuen – und nicht nur von der. Jede Menge Staatsmilliarden kämen aus der gesamten Europäischen Union.

Die deutsche und die europäische Wasserstoff-Produktion stehe im Grunde genommen bei Null. Die in Europa stehenden Wasserstoff-Anlagen produzierten eine Leistung von 1,75 Gigawatt. Aber die EU wolle bis 2030 eine Leistung von 100 Gigawatt über grünen Wasserstoff installieren. Es brauche mithin mehr als 60-mal so viele Elektrolyseure, die Wasserstoff produzieren, damit der Plan von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aufgehe. Die Regierungen in Straßburg, Berlin, Paris oder London würden sich noch 2023 daran messen lassen müssen, wie schnell sie die Abhängigkeit von russischem Gas brechen werden. Laut Wirtschaftsminister Habeck soll diese Abhängigkeit bereits im Hochsommer 2024 vorbei sein. Das bedeutet: Das Jahr 2023 wird zum Wasserstoff-Jahr. „Denn die Uhr tickt“, so „Erfolgs-Anleger“. 

Nachhaltig produzierter Wasserstoff in Deutschland 

Energieversorger jedenfalls rechnen hierzulande laut „Merkur.de“ für die Zukunft mit keiner Eigenversorgung mit nachhaltig produziertem Wasserstoff. Aus Sicht des spanischen Energieriesen Iberdrola liegt das auch am fehlenden Angebot des benötigten Stroms aus Erneuerbaren Energien. „Solange wir in Deutschland noch große Mengen Strom vergrünen müssen, wird die Wasserstoffwirtschaft immer darunter leiden, dass sie um Erneuerbare Energien konkurriert“, sagte der Vertriebschef von Iberdrola Deutschland, Sven Wolf, der Deutschen Presse-Agentur. So sehen es RWE und Eon: „Deutschlands Wasserstoffbedarf ist deutlich größer als seine Möglichkeiten zur Erzeugung von Erneuerbarem Strom“, heiße es bei RWE. Ein knappes Gut muss der Rohstoff jedoch deshalb nicht sein. „Wir stehen weltweit in Kontakt mit Unternehmen, die liefern wollen“, zitiert „Merkur.de“ Eon. 

Teilversorgung der deutschen Wirtschaft durch Eigenproduktion 

Auch das Bundeswirtschaftsministerium rechnet nur mit einer Teilversorgung der deutschen Wirtschaft durch Eigenproduktion: „Da die heimischen Erzeugungspotenziale für Wasserstoff begrenzt sind, wird der größere Teil der Bedarfe dauerhaft über Importe von Wasserstoff und seinen Derivaten gedeckt werden müssen“, heißt es im Entwurf für die Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie. Bisher will die Bundesregierung in Deutschland bis 2030 eine Elektrolysekapazität von mindestens zehn Gigawatt aufbauen. Im Energiemix sei der Wasserstoffeinsatz lange nicht so unwirtschaftlich wie häufig dargestellt, sagt demgegenüber Mischa Paterna vom Wasserstoffcluster Mecklenburg-Vorpommern. Bei der Speicherfähigkeit und Kopplung von Strom- und Wärmesektor gebe es schlichtweg „keine Alternative“. 

Autor*in: Friedrich Oehlerking (Freier Journalist und Experte für Einkauf, Logistik und Transport)