16.05.2023

USA setzen verstärkt auf Wasserstoff für LKW

Das Aus für den Diesel-LKW – die USA läuten es lautstark ein. Dabei drängt Wasserstoff als Antriebsstoff in den Vordergrund. Vor allem führende Unternehmen aus Deutschland setzen sich an die Spitze der Bewegung. Auf der ACT-Messe in Kalifornien war jetzt Showdown.

Wasserstoff für LKW

Wasserstoff-LKW aus Deutschland für USA

Die „Advanced Clean Transportation Expo“ (ACT) im kalifornischen Anaheim strotzt vor Nullemissions-Lkws und neuen Ladekonzepten. Das berichtet das „Handelsblatt“. Fast an jedem Stand ständen Elektromotoren, -trucks oder -busse. Im Vordergrund genießen jedoch die ersten Wasserstoff-Lkws besondere Beachtung beim Messepublikum. Ihre Brennstoffzellentechnik komme oft aus Deutschland, heißt es in dem Bericht, das Geld in den kommenden Jahren aber vor allem in den USA liegen.

Kalifornien beschließt Diesel-Aus ab 2036

Die Aufsichtsbehörde California Air Resources Board (Carb) hat Ende April ein Verbot neuer Verbrenner-Lkw ab 2036 beschlossen. Kalifornien gilt als US-Leitmarkt. Zahlreiche Bundesstaaten dürften sich anschließen. Umso wichtiger würden praktikable Nachfolger für die Diesel-Lkws. Der Markt für saubere Fahrzeuge ist noch klein. Laut „Handelsblatt“ könnten die Verkäufe solcher LKW in den kommenden Jahren exponentiell steigen. „Wir werden uns von fossilen Brennstoffen verabschieden. Emissionsfreie Fahrzeuge sind die Zukunft“, zitiert das Blatt Peter Voorhoeve, Nordamerikachef von Volvo Trucks. Beiden Antrieben, Elektro und Wasserstoff, gibt man in Kalifornien gleiche Chancen in verschiedenen Anwendungsbereichen. Allerdings sei eine vollelektrische Zukunft nicht praktikabel. Gründe:

  • zu begrenzt die Reichweite,
  • praktisch unlösbar die Belastung der Stromnetze durch die nötigen Ladevorgänge der riesigen Schwerlasterflotten.

„In der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts werden sich Brennstoffzellen-Trucks vor allem auf der Langstrecke durchsetzen“, erklärt Voorhoeve.

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Die US-Regierung unterstützt Wasserstoff-LKW. So kann ein neuer Truck auf Wasserstoffbasis 40.000 Dollar an Steuerrabatten aus dem „Inflation Reduction Act“ (IRA) erhalten. In Kalifornien können Käufer auf staatliche Subventionen von bis zu 288.000 Dollar je Lkw hoffen. Am Start sind u.a. folgende Truck-Hersteller:

  • Daimler Truck: will 650 Millionen Dollar in ein Joint Venture zum Aufbau eines Strom- und Wasserstoff-Tankstellennetzes in USA mit möglichen IRA-Steuergutschriften von bis zu 30 Prozent.
  • Volvo Trucks: zusammen mit Daimler im Joint Venture Cellcentric, entwickeln LKW auf Basis der Brennstoffzelle, auf der ACT kein Vorzeigemodell des Prototyps des geplanten „Mercedes-Benz GenH2 Truck“
  • Paccar, Seattle: präsentiert den „Kenworth T680 FCEV“-Lkw mit Brennstoffzelle von Toyoto North America, Vorbestellung werden bereits entgegengenommen
  • die Traton-Tochter Navistar
  • Hyundai: „Xcient Fuel Cell“-Lkw
  • Nikola des früheren Opel-Chefs Michael Lohscheller: bereitet für August 2023 die Serienproduktion des Wasserstoff-Trucks „Tre FCEV“ mit Brennstoffzellen von Bosch vor. 2023 sollen bis zu 150 Wasserstoff-Lkw ausgeliefert werden. Der Wasserstoff-Truck soll 170 Meilen mehr Reichweite haben und 4000 Pfund weniger wiegen als der vom Unternehmen lange entwickelte vollelektrische Truck.
  • Quantron aus der Nähe von Augsburg: setzt unter anderem auf Bosch-Technik. Das Unternehmen ist eine Ausgründung des Mittelständlers Haller, früher mit Umbau von Nutzfahrzeugen beschäftigt. Auf der ACT präsentiert Quantron seinen Brennstoffzellen-Lkw, aus einem gebrauchten Freightliner-Lkw zusammengebaut unter Leitung des ehemaligen Tesla-Managers Richard Haas. Existierende Flotten werde man umrüsten. Mit dem Partner Firstelement Fuel will Quantron zudem ein eigenes Ladenetz aufbauen.

Elektrische Achsplattform von ZF

ZF nutzte die Gelegenheit, um auf der diesjährigen ACT Expo seine völlig neue elektrische Achsplattform AxTrax 2 vorzustellen. Das integrierte und modulare E-Antriebssystem wird für leichte, mittelschwere und schwere Nutzfahrzeuge verfügbar sein, die Serienproduktion ist für 2025 in den USA und Ende 2024 in Europa geplant. „Die Kunden stehen unter enormem Druck, emissionsfreie Technologien zu implementieren, und unser E-Mobility-Kit ermöglicht es ihnen, bestehende Plattformen zu elektrifizieren und speziell entwickelte Plattformen zu entwickeln, die zu höheren Gesamtbetriebskosten führen“, sagte Julien Plenchette, Senior Vice President, Americas, Commercial Vehicle Solutions, ZF Group.

Achsbasiertes voll integriertes System

AxTrax 2 ist ein achsbasiertes, voll integriertes System mit kompakter Bauweise, um den verfügbaren Platz für Batterien zu maximieren und die Designflexibilität des Herstellers für zukünftige Fahrzeugkonzepte zu erhöhen. Es kann vollständig mit wichtigen Fahrzeugfunktionen synchronisiert werden, einschließlich Brems-, Fahrerassistenz- (FAS; Advanced Driver Assistance Systems, ADAS) und automatisierten Fahrsystemen, um die Fahrzeugsicherheit und -effizienz zu verbessern. Fortschrittliche Digital- und Telematiksysteme können auch über einen Bus aufgerufen werden, um zu kommunizieren und Informationen über E-Achsen-Systeme auszutauschen. Die neue AxTrax 2-Plattform wird in zwei Varianten angeboten:

  • AxTrax 2 mit einem E-Antrieb
  • AxTrax 2 dual mit zwei integrierten E-Antrieben, die speziell Nutzfahrzeuge der Klasse 5-7 mit einer einzigen E-Achse in einer 4×2 oder 6×2 oder sogar bis Klasse 8 mit zwei E-Achsen in 6×4-Konfiguration abdecken werden.

Beide Modelle sind als Ersatz für Motor, Getriebe, Antriebswelle, Differential und konventionelle Achse konzipiert, um Nutzfahrzeuge zu elektrifizieren.

Neuer Markenname „Rizon“

Die Daimler Truck Group hat sich ihre große Ankündigung für die ACT Expo aufgehoben und die Einführung einer Reihe von Elektro-Lkw auf dem US-Markt unter dem neuen Markennamen Rizon angekündigt. Velocity EV, eine Tochtergesellschaft der Velocity Vehicle Group, wird in Zusammenarbeit mit zugelassenen Händlern ein umfassendes Vertriebs- und Servicenetz für diese Produkte bereitstellen. Laut eigenen Angaben beruht die Identität von Rizon auf dem Engagement der Marke, eine Partnerschaft mit Geschäftsinhabern einzugehen, die sich während ihrer Umstellung auf emissionsfreie Transporte in neue Horizonte wagen. Flottenbesitzer und Lkw-Fahrer werden durch ein erfahrenes Händlernetz umfassend unterstützt, das eine Reihe von Dienstleistungen umfasst, die zu einem nahtlosen Kundenerlebnis führen, sowie Beratung zu AC- und DC-Laden, Telematikzugang und Finanzierung durch Daimler Truck Financial Services.

Velocity plant nahtloses Netzwerk

Velocity beabsichtigt, mit der Ernennung von Händlern für Rizon in Gebieten außerhalb seines bestehenden Servicegebiets zu beginnen, mit dem Ziel, ein nahtloses Netzwerk im ganzen Land bereitzustellen. Die Demonstrationsfahrzeuge werden im 3. Quartal 2023 an ausgewählten Standorten des Velocity Truck Centers zur Probefahrt zur Verfügung stehen, wobei die Auslieferung an die Kunden Ende 2023 beginnt. Die batterieelektrische Technologie der Daimler Truck Group wurde von gewerblichen Flottenbetreibern auf der ganzen Welt über mehr als fünf Millionen Meilen auf der Straße getestet und hat gute Noten für Manövrierfähigkeit und Effizienz erhalten.

Rizon geht mit drei Modellvarianten an den Start:

  • e18L
  • e16L
  • e16M

Mittelschwere batterieelektrische Fahrzeuge

Die mittelschweren batterieelektrischen Fahrzeuge der Klassen 4 und 5 mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 15.995 bis 17.995 Pfund haben eine Reichweite von 110 bis 160 Meilen (für die L-Variante mit 3 Batteriepacks) und 75 bis 110 Meilen (für die M-Größenvariante mit 2 Batteriepacks) mit einer einzigen Ladung*. Diese Lkw eignen sich für eine Vielzahl von Anwendungen wie:

  • Trockentransporter,
  • Pritschenwagen,
  • Landschaftsdeponien und
  • Kühlcontainer.

Alle Fahrzeuge werden nach bewährten Qualitätssicherungsstandards gebaut, die von der Daimler Truck Group entwickelt wurden und an mehr als 40 Produktionsstandorten weltweit in der Praxis umgesetzt werden.

Passive und aktive Sicherheitssysteme

Die neuen Rizon-Lkw werden außerdem mit passiven und aktiven Sicherheitssystemen ausgestattet sein, um Fahrer, Passagiere und die Gemeinden, in denen sie tätig sind, zu schützen, einschließlich der Sicherheitstechnologien von Daimler Truck wie Active Brake Assist und Active Side Assist. Rizon-Lkw können mit zwei Arten von Batterieladesystemen aufgeladen werden:

  • Level 2 AC-Laden und
  • DC-Schnellladen.

Mit dieser ersten Produktauswahl richten sich die Rizon-Lkw an Unternehmen, die in der städtischen Einzelhandelslogistik, bei der Zustellung auf der letzten Meile und bei kommunalen Arbeiten tätig sind, und werden ab dem 4. Quartal 2023 von Velocity EV vertrieben.

Dekarbonisierung durch Shell Starship-Initiative

Seit 2018 arbeitet Shell daran, sein Engagement für die Dekarbonisierung durch die Shell Starship-Initiative unter Beweis zu stellen. Mit seinem neuen Starship 3.0 will das Unternehmen Lkw mit erneuerbarem Erdgas (RNG) betreiben. „Shell Starship 3.0 wird einige der besten Technologien ihrer Klasse enthalten, die bei der Dekarbonisierung des Schwertransportsektors wegweisend sind“, sagt Dr. Selda Gunsel, Präsidentin von Shell Global Solutions und VP Fuels and Lubricants Technology bei Shell. Der Lkw verfügt über einen Cummins X15N-Erdgasmotor, der mit Shell RNG betrieben wird, der im Handel erhältlich ist und eine niedrige Kohlenstoffintensität aufweist.

„Die Kombination aus Shell RNG-Kraftstoffen für Flotten und hochwertigen, reibungsarmen Shell Rotella-Schmierstoffen machte einen Erdgasmotor zu einer großartigen Wahl für die nächste Evolutionsstufe von Starship“, so Gunsel. Shell Starship 3.0 soll Komponenten und Funktionen enthalten, die ein geringes Gewicht und einen geringen Luftwiderstand fördern, sowie rollwiderstandsarme Reifen von Bridgestone. Der Innenraum des Lkw wurde aktualisiert, um ihn für den Fahrer komfortabler zu machen. Shell Starship 3.0 wird einen Demonstrationslauf an der Westküste durchführen, um sich auf einen Cross-Country-Demonstrationslauf von San Diego, Kalifornien, nach Jacksonville, Florida, im August vorzubereiten. Auch die beiden vorangegangenen Cross-Country-Läufe folgten dieser Route. Der North American Council for Freight Efficiency (NACFE) soll die Ergebnisse erneut überwachen und verifizieren.

Autor*in: Friedrich Oehlerking (Freier Journalist und Experte für Einkauf, Logistik und Transport)