28.11.2022

Hunde verbeißen sich in Lamm: Gefährlichkeit festgestellt

Welche Anforderungen sind an die Feststellung hinreichend konkreter Tatsachen zu stellen, die einen Gefahrenverdacht i.S.d. Hundegesetze begründen (OVG Magdeburg, Beschl. vom 09.06.2022, Az. 3 M 50/22)?

Lamm Hunde Gefährlichkeit

Detaillierte Zeugenaussagen

Bei einem Spaziergang sahen Zeugen, wie sich zwei Hunde an einem Lamm auf einer Weide verbissen hatten und blutverschmiert waren. Das Lamm war, so die Zeugen, unmittelbar nach dem Vorfall noch warm und das Blut noch nicht geronnen. Andere Tiere außer den Hunden waren nicht in der Nähe.

Ein Zeuge unterrichtete die Ordnungsbehörde von dem Vorfall. Der Hundehalter bestritt die Darstellung des Zeugen und behauptete, seine Tiere hätten lediglich an dem Lamm geleckt. Auf nochmalige Nachfrage zum Geschehensablauf wiederholte der Zeuge seine Aussage, dass sich die Hunde in das Lamm verbissen und nicht nur an dem Tier geleckt haben; sie waren zudem dabei, das Lamm herumzuziehen.

Die Ordnungsbehörde stellte die Gefährlichkeit der Hunde fest. Der Hundehalter erhob Widerspruch und stellte einen Antrag auf Wiederherstellen der aufschiebenden Wirkung.

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Sind die Hunde „gefährlich“ i.S.d. Hundegesetze?

§ 4 Abs. 4 i.V.m. § 3 Abs. 1 und 3 SachsAnhHundeG

Rechtsgrundlage für die Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes sind die Hundegesetze der Bundesländer (LHG; hier: § 4 Abs. 4 i.V.m. § 3 Abs. 1 und 3 SachsAnhHundeG).

Im Einzelfall gefährliche Hunde

Gefährliche Hunde i.S.d. LHG (hier: § 3 Abs. 1 SachsAnhHundeG) sind Hunde, deren Gefährlichkeit vermutet oder im Einzelfall festgestellt wird. Die LHG (hier: § 3 Abs. 3 SachsAnhHundeG) enthalten Regelbeispiele für im Einzelfall gefährliche Hunde.

Im Einzelfall gefährliche Hunde sind insbesondere solche Hunde, die gemeinsam einen Menschen oder ein Tier angreifen oder jagen und von denen einer einen Menschen oder ein Tier beißt (hier: § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SachsAnhHundeG).

Behörde muss Hinweise prüfen

Erhält die zuständige Behörde einen Hinweis darauf, dass ein Hund eine gesteigerte Aggressivität aufweist, insbesondere Menschen oder Tiere gebissen hat, so hat sie den Hinweis von Amts wegen zu prüfen (hier: § 4 Abs. 4 Satz 1 SachsAnhHundeG).

Ergibt die Prüfung Tatsachen, die den Verdacht rechtfertigen, dass von dem Hund eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, so stellt die Behörde fest, dass der Hund gefährlich ist (hier: § 4 Abs. 4 Satz 2 SachsAnhHundeG).

Daraus ergibt sich

Ein ordnungsbehördliches Einschreiten ist demnach bereits dann gerechtfertigt, wenn aufgrund der festgestellten Tatsachen zwar nicht gewiss ist, es aber zumindest als möglich erscheint, dass der Hund zukünftig ein die Rechtsgüter Dritter schädigendes Verhalten zeigt.

Wie war der Geschehensablauf?

  • Der Zeuge hat glaubhaft dargelegt, dass sich die Hunde in das Lamm verbissen und nicht nur an dem Tier geleckt haben. Sie waren zudem dabei, das Lamm herumzuziehen.
  • Zudem kann das Lamm angesichts der vom Zeugen festgestellten warmen Körpertemperatur und der noch nicht eingetretenen Blutgerinnung nicht zuvor über einen längeren Zeitraum tot auf der Weide gelegen haben.
  • Die Argumentation des Hundehalters, die Hunde hätten lediglich ein totes Lamm aufgespürt oder einen anderen Jäger vertrieben, ist nicht glaubhaft. Wenn die Hunde einen anderen Angreifer verjagt hätten, ist es zumindest sehr unwahrscheinlich, dass die Zeugen dieses Tier nicht bemerkt hätten.

Daraus ergibt sich

Angesichts dieser Umstände ist von einem Angriff der Hunde auf das Lamm auszugehen, auch wenn kein Zeuge einen solchen Angriff unmittelbar beobachtet hat. Ein abweichender Geschehensablauf (etwa dass die Hunde nur an einem bereits toten Lamm geleckt oder ein anderes angreifendes Tier vertrieben haben) kommt nicht ernsthaft in Betracht.

Sind die Hunde zu sozialverträglichem Verhalten fähig?

Wesenstest

Die Fähigkeit eines Hundes zu sozialverträglichem Verhalten ist nach Feststellung der Gefährlichkeitsvermutung allein im Rahmen eines Wesenstests nachzuweisen (hier: § 10 Abs. 1 SachsAnhHundeG).

Behördliche Gefährlichkeitsfeststellung

Das Erlaubnisverfahren findet erst auf Antrag des Hundehalters im Anschluss an eine behördliche Gefährlichkeitsfeststellung statt (hier: § 5 Abs. 1 SachsAnhHundeG).

Ergebnis

Die Voraussetzungen für die Feststellung der Gefährlichkeit der Hunde liegen vor. Das Gericht bestätigte den Bescheid der Ordnungsbehörde.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)