17.09.2023

Was liegt wirklich in meiner Verantwortung als Elektrofachkraft?

Frage aus der Praxis: Mit einem leichten Bereuen habe ich bei uns in der Firma die Stelle als Elektrofachkraft übernommen. Vor dem Unterschreiben habe ich leider nur mündlich einiges vorab geklärt, wie z.B. Normen und Messgeräte zur Prüfung von elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln. Leider hat sich jetzt herausgestellt, dass die Firma sich aufgrund der anfänglichen Kosten vor weiteren Gesprächen in dieser Richtung drückt. Nun soll ich auch noch den praktischen Teil der EuP ausbilden und die Sicherheitsunterweisungen im elektrotechnischen Bereich durchführen. Dies ist meiner Meinung nach aber nicht rechtens, da ich nicht auf die nötigen Normen zugreifen kann und damit nicht rechtssicher unterweisen kann. Auch kann ich damit nicht für die Prüfungen an elektrischen Anlagen unterschreiben. Oder sehe ich das falsch?

Verantwortung als Elektrofachkraft

Lesen Sie hier die Antworten des Experten auf die Frage des Lesers, was in seiner Verantwortung als Elektrofachkraft liegt.

Elektrotechnische Sicherheit ist Sache der verantwortlichen Elektrofachkraft (VEFK)

Letztendlich können Elektrofachkräfte (EFK) nur in dem Rahmen agieren, den der Arbeitgeber mit entsprechender finanzieller Ausstattung und seinem Verständnis für das erforderliche Maß an Elektrosicherheit zulässt. Nach den einschlägigen Vorschriften und Gesetzen trägt der Arbeitgeber jeweils die Gesamtverantwortung für das Unternehmen und gibt deshalb die aus seiner Sicht notwendigen Maßnahmen und (finanziellen) Mittel frei.

Die fachliche Weisungsfreiheit der Elektrofachkraft, also wie sie die Maßnahmen fachlich umsetzt, bleibt davon unberührt, sofern ihre Führungskraft nicht ebenfalls Elektrofachkraft ist. Auch beschreibt die Norm DIN VDE 1000-10 (Erläuterungen zu Abschn. 6), dass für die elektrotechnische Sicherheit nur die verantwortliche Elektrofachkraft und nicht die disziplinarisch übergeordnete Person verantwortlich ist.

Schriftliche Bestellung konkretisieren

Der Fragestellung ist zu entnehmen, dass die Pflichtenübertragung als verantwortliche Elektrofachkraft schriftlich erfolgt ist, wie es z.B. im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) § 13 und besonders in den Vorschriften der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung, DGUV Vorschrift 1 § 13, vorgesehen ist.

Offensichtlich wurde die schriftliche Bestellung als verantwortliche Elektrofachkraft in manchen Punkten eher allgemein formuliert. Diese müssen nun in der praktischen Umsetzung konkretisiert werden.

Unternehmer muss Vorschriften und Regeln zur Verfügung stellen

Aus der DGUV Vorschrift 1 § 12 ergibt sich die Pflicht des Unternehmers, den mit der Durchführung und Unterstützung von Maßnahmen betrauten Personen die für ihren Zuständigkeitsbereich geltenden Vorschriften und Regeln zur Verfügung zu stellen.

Als Fachexperte kann die Elektrofachkraft deshalb mithilfe einer strukturierten Planung aufzeigen, in welchem (betriebswirtschaftlichen) Rahmen sie die elektrische Sicherheit im Unternehmen umsetzen möchte.

Fachliteratur für Normen und Unterweisungen

Wichtig ist ein Zugang zu den aktuellen Normen und Vorschriften des VDE. Gesetzestexte und Dokumente der Berufsgenossenschaften sind in der Regel im Internet kostenlos recherchierbar. Hilfreich für Unterweisungen sind auch Verlagsangebote wie z.B. „Unterweisungen für die Elektrofachkraft“ und „Schulungsvorlagen für die Elektrotechnik“ von WEKA Media.

Auf diese Art lässt sich das persönliche Portfolio stetig und strukturiert erweitern. In der Regel benötigt der Arbeitgeber konkrete Vorschläge, welche Unterlagen und welches Equipment eine Elektrofachkraft wann benötigt.

Einsatz und Unterweisung der Mitarbeiter

Beim Einsatz von Personal muss eine verantwortliche Elektrofachkraft entscheiden, welche Arbeiten durch Personen ausgeführt werden dürfen, die weder Elektrofachkraft noch elektrotechnisch unterwiesene Person sind (vgl. DIN VDE 1000-10, Erläuterungen).

Im Umkehrschluss stellt die verantwortliche Elektrofachkraft mit jährlichen bzw. situationsbezogenen Sicherheitsunterweisungen und z.B. berufspraktischen Unterweisungen von elektrotechnisch unterwiesenen Personen (EuP) zu ihrer eigenen Entlastung sicher, dass dieser Personenkreis, der unter ihrer Aufsicht und Leitung steht, für die vorgesehenen Aufgaben befähigt ist.

TRBS 1203: Vorgaben für Prüfer

Zur rechtssicheren Durchführung von Prüfungen an elektrischen Anlagen enthält die technische Regel für Betriebssicherheit TRBS 1203 konkrete Vorgaben bezüglich der Befähigung des Prüfers:

  • Eine einschlägige elektrotechnische Berufsausbildung, die im Fall des Fragestellers offensichtlich gegeben ist, da er als (verantwortliche) Elektrofachkraft bestellt wurde.
  • Eine entsprechende Berufserfahrung von mindestens einem Jahr (z.B. in der Installation und Inbetriebnahme von elektrischen Anlagen).
  • Eine zeitnahe berufliche Tätigkeit. Diese schließt Kenntnisse in der Prüfertätigkeit mit ein. Bei längerer Unterbrechung können diese durch die Teilnahme an Prüfungen Dritter oder durch eine fachbezogene Schulung aufgefrischt werden.

Erhalt der Kenntnisse

In der TRBS 1203 wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die befähigte Person ihre Kenntnisse zum Stand der Technik hinsichtlich des zu prüfenden Arbeitsmittels aufrechterhalten muss. Gemäß der Erläuterungen zu Punkt 5.2 im Anhang A der DIN VDE 1000-10 sowie DGUV Vorschrift 1 § 7 besteht für Elektrofachkräfte ebenfalls die Pflicht zum Erhalt und Ausbau der erforderlichen Fachkunde, z.B. durch regelmäßige Teilnahme an Schulungen.

Diese Forderung besteht vor allem deshalb, weil der Stand der Technik und die einschlägigen Normen ständigen Änderungen und Neuerungen unterliegen und eine laufende Fortbildung der mit elektrotechnischen Tätigkeiten betrauten Personen zur Auffrischung der bereits erworbenen Kenntnisse bedingt.

Führungskraft muss helfen, Defizite zu beseitigen

Wenn eine verantwortliche Elektrofachkraft also bei der Durchführung der ihr übertragenen Aufgaben für sich Defizite erkennt, sollte sie ihrer Führungskraft konkrete Vorschläge zur Abhilfe anbieten. Wenn vom Arbeitgeber dennoch keine Kooperationsbereitschaft erkennbar ist, ist die letzte Option, die (Teil-)Verantwortung für bestimmte Aufgaben an den Unternehmer zurückzugeben.

Fazit: Aktivitäten unterstreichen fachliche Kompetenz

Offensichtlich hat die Führungskraft mit der Bestellung des Fragestellers erkannt, dass die Fachverantwortung für die elektrische Sicherheit bei ihm in den richtigen Händen liegt.

Jede begründete und belegte Aktivität von seiner Seite unterstreicht seine fachliche Kompetenz, minimiert den Verdacht des vorsätzlich unterlassenen Tuns und Handelns und bildet einen wichtigen Schritt zur rechtssicheren Umsetzung seiner Aufgaben im Bereich der Elektrosicherheit sowohl für ihn als auch für den Unternehmer selbst.

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Autor*in: Hans-Jörg Bauer