31.08.2023

Washington und Moskau verschärfen Sanktionen

Stellungskrieg in der Ukraine. In gestaffelten Frontlinien stehen sich die verfeindeten Seiten gegenüber. Sie machen nicht auf dem Felde Halt. In Logistik und Wirtschaft schlagen die Parteien ebenfalls eine zunehmend schärfere Gangart an, wie die deutsch-russische AHK berichtet.

Sanktionen

US-Kontrolleure in ehemaligen GUS-Staaten 

Das US-Finanzministerium will in einigen Ländern der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS), ehemaligen Sowjetunion, die Einhaltung der Sanktionen gegen Russland kontrollieren. Das meldet die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer (AHK)  in ihrem monatlichen Wirtschaftsmagazin „Impuls“ unter Berufung auf das Berliner Wirtschaftsmagazin „bne IntelliNews“. Dafür habe das Ministerium Beamte an die jeweiligen US-Botschaften entsandt von: 

  • Armenien  
  • Kasachstan
  • Usbekistan
  • Tadschikistan.  

Die vier Länder sollen die Tätigkeit der Amerikaner gebilligt haben. Als fünftes Land habe auch Georgien eine entsprechende Anfrage von der US-Regierung erhalten, soll jedoch abgelehnt haben. Das Land soll sich in jüngster Zeit um Verbesserung seiner politischen und Handelsbeziehungen zu Moskau bemüht haben.  

Überweisungen russischer Firmen 

Die Kontrolleure sollen insbesondere auf Überweisungen russischer Firmen achten, zitiert die Plattform aus Bankerkreisen in der kasachischen Hauptstadt Almaty. „Dieses Jahr werde ein Jahr der Durchsetzung von Sanktionen“, so Maria Shagina, leitende wissenschaftliche Mitarbeiterin am International Institute for Strategic Studies in Berlin und Sanktionsexpertin, gegenüber bne IntelliNews. Shagina zufolge sei der Appetit in Brüssel und Washington, die harten Sanktionen auszuweiten, nicht mehr vorhanden. Deshalb habe man das Hauptaugenmerk darauf verlegt, die bestehenden Sanktionen sicherzustellen. Sie verweist auf eine Vielzahl von Warnsignalen und Hinweisen aus dem Office of Foreign Assets Control (OFAC) des US-Finanzministeriums und dem britischen Office of Financial Sanctions Implementation (OFSI) auf mögliche Ausweichtaktiken russischer Einzelpersonen und Unternehmen.  

Überwachungszentren in den Zentralbanken 

Die US-Kontrollen sollen Finanzquellen in Kasachstan zufolge ausgewählte Mitarbeiter in den Büros von Top-Kreditgebern in den ehemaligen Sowjetstaaten sicherstellen. Sie seien für die Einhaltung der westlichen Sanktionen verantwortlich. Die Zentralbank jedes Landes unterhalte ein Überwachungszentrum, um alle Transaktionen zu überprüfen. Banken in Kasachstan, Armenien und Hongkong hätten zudem damit begonnen, Zahlungen für Elektronik zu blockieren, die von Käufern in Russland für begehrte iPhones, Tablets und Waschmaschinen getätigt wurden. 

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Server, Smartphones und Heißluftfritteusen 

Andere Quellen berichteten, dass einige ausländische Kreditgeber Zahlungen von russischen Kunden ablehnten, die alles kaufen wollten, von Servern und Smartphones bis hin zu Mikroschaltkreisen und Heißluftfritteusen. Das harte Durchgreifen gegen sogenannte Parallelimporte könnte dazu führen, dass die Preise für einige Waren um bis zu 50 Prozent steigen. Die Kreditgeber reagierten auf die Einführung des zehnten US-Sanktionspakets, das ihnen bei Zusammenarbeit mit russischen Unternehmen drohe. Die Beschränkungen gelten unter anderem für die Bereitstellung von Geldern, Waren oder Dienstleistungen zugunsten oder von einer verbotenen Person oder Organisation.   

EU verschärft Kontrollen 

Die Durchsetzung der EU müsse verstärkt werden, da die Kapazitäten der nationalen Regierungen in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich sind. Die Wissenschaftlerin sieht auch die EU stärker in der Pflicht, die Umgehung von Sanktionen zu verhindern durch: 

  • Angleichung der Wettbewerbsbedingungen,  
  • bessere grenzüberschreitende Koordinierung  
  • Harmonisierung der Rechtsvorschriften. 

Die EU versucht, Drehkreuze im Kaukasus und in Zentralasien zu schließen. Sie zählen mittlerweile zu wichtigen Routen für den indirekten Handel mit Russland. Kasachstan habe seit Beginn des Krieges einen Anstieg des Handels mit Russland um 57 Prozent verzeichnet, Armenien nach Angaben des Zolls einen Anstieg um 22 Prozent in Dollar. Wie „Bild“ bereits im Mai berichtet habe, hätten sich die Exporte bestimmter Waren aus Deutschland in die GUS-Staaten seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine verdoppelt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sei die Lieferung deutscher Waren im Jahr 2022 gestiegen nach  

  • Tadschikistan um 150 Prozent,  
  • nach Belarus um 77 Prozent und  
  • nach Kirgisistan um 994 Prozent. 

Nach Angaben des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft stiegen die Auto- und Autoteileexporte von Deutschland im Jahr 2022:  

  • nach Kasachstan um 507 Prozent
  • nach Armenien um 761 Prozent. 

Nach der Verabschiedung von zehn Sanktionspaketen gegen Russland haben mehrere EU-Länder die Europäische Kommission dazu gedrängt, ihren Schwerpunkt von der Verabschiedung neuer Sanktionen gegen Russland ebenfalls auf die Durchsetzung der bestehenden Sanktionen zu verlagern. Teams aus EU, Großbritannien und USA reisten in den letzten Monaten in die Vereinigten Arabischen Emirate, Kirgistan, Türkei, Kasachstan, Usbekistan, Armenien und Serbien gereist, um für die Unterstützung bei der Bekämpfung der Umgehung von Sanktionen zu werben. 

China besetzt Lücken 

Unterdessen besetzen chinesische Hersteller von Haushaltsgeräten die Lücke. Sie begännen laut Wladimir Anderzhanov, Geschäftsführer eines in Moskau ansässigen Logistikunternehmens, sich an die Spitze der Verkäufer von Waschmaschinen, Kühlschränken und persönlichen Laptops zu setzen. „Viele von uns kaufen jetzt bereits Haval-Autos aus China und sie sind in Ordnung“, so Anderzhanov. „Vielleicht müssen wir uns einfach von Dysons und Miele entwöhnen und chinesische Staubsauger kaufen“, so der Logistikfachmann. Im ersten Halbjahr 2023 sind laut einer von der AHK zitierten Studie der Bank „Totschka“ an den Gesamteinfuhren wichtigste Herkunftsländer für russische Importe:  

  • die Volksrepublik China mit 42 Prozent
  • Türkei 13 Prozent  
  • Belarus 12 Prozent.  

China stand im Vorjahr beim Import nach Russland:  

  • an der Spitze mit 38 Prozent  
  • gefolgt von Belarus mit 24 Prozent
  • Türkei mit fünf Prozent  

Unter den Top fünf 2023 befinden sich:  

  • Hongkong mit neun Prozent   
  • Kasachstan mit fünf Prozent  
  • Niederlande und Deutschland 2022 mit jeweils drei Prozent.  

Vor allem die russischen Bekleidungseinzelhändler importierten 2023 verstärkt türkische Produkte, die qualitativ gut genug seien, um westliche Marken zu ersetzen, so Totschka-Expertin Alena Panasko. Aus anderen Ländern importiert Russland der Studie zufolge vor allem Investitionsgüter, Ersatzteile, Bekleidung, Möbel und Textilien. 

Moskau verschärft Sanktionen  

Auf der anderen Seite verschärft auch Russland die Gangart gegenüber dem Westen. Gelder und Eigentum juristischer Personen in Russland, die von ausländischen Staaten, Organisationen oder Staatsangehörigen kontrolliert werden, die Moskau sanktioniert, können eingefroren werden. Ein entsprechendes neues Gesetz verbiete Finanztransaktionen, schreibt die AHK. Die Beschränkungen griffen im Fall von Handlungen von Ländern, die Russland als unfreundlich einstuft, weil sie die nationale Sicherheit Russlands bedrohten. Die Betroffenen dürften allerdings weiterhin:  

  • Finanzmittel auf Konten russischer Banken empfangen,  
  • Steuern zahlen sowie
  • Renten, Stipendien, Sozialleistungen und Gehälter erhalten und monatlich höchstens 10.000 Rubel pro Familienmitglied nutzen.  

Russlandtöchter westlicher Unternehmen unter staatliche Verwaltung 

Russland habe zwei weitere Russlandtöchter westlicher Unternehmen unter staatliche Verwaltung gestellt. Betroffen seien:  

  • der französische Lebensmittelriese Danone und  
  • die dänische Brauereikonzern Carlsberg.  

Beide hatten ihren Rückzug aus Russland angekündigt. Danone sucht seit Oktober 2022 einen Käufer für sein Russlandgeschäft u.a. mit 13 Fabriken für Milchprodukte. Carlsberg meldete, einen Käufer für seine russische Brauerei Baltika gefunden zu haben. Der entsprechende Präsidialerlass habe die Unternehmensverkäufe auf Eis gelegt. In der Wirtschaftszeitung „Kommersant“ gibt ein Insider die Einschätzung, dass nun auch Rückzugspläne anderer westlicher Konzerne ungewiss seien. Der Schritt könnte ihm zufolge mit dem schwachen Rubel zusammenhängen. In Regierungskreisen befürchte man weitere Kursverluste des Rubel aufgrund der Unternehmensverkäufe. 

Reziproke Maßnahmen für Unipro-Verstaatlichung 

Der neue Erlass enthalte keine Begründung für das Vorgehen, sondern ergänze nur einen vorangegangen Erlass. Darin bezeichnete der Kreml die Quasi-Verstaatlichung der Uniper-Tochter Unipro und des Russlandgeschäfts des finnischen Versorgers Fortum als Antwort auf westliche Sanktionen. Deutschland hatte 2022 die russischen Energieunternehmen Gazprom Germania und Rosneft Deutschland unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur gestellt, sprich vorläufig verstaatlicht. 

Der russische Präsident Wladimir Putin hat die staatliche Übernahme von Danone Russia und der Carlsberg-Tochter Baltika als Sonderfall bezeichnet. Es seien keine weiteren Maßnahmen dieser Art gegen westliche Unternehmen geplant, auch nicht gegen Banken. Das Vorgehen gegen Carlsberg und Danone begründete er mit Druck der Unternehmensführungen auf Mitarbeiter. Diesen sei mit der Entlassung gedroht worden, „falls sie eine bestimmte bürgerliche Position einnehmen“. Er hoffe, dass sich dies nicht wiederhole. 

Weniger Öl aus Russland 

Seine Ölproduktion senkt Russland im August um weitere 500.000 Barrel pro Tag. Die Produktion ist nach Regierungsangaben bereits seit März um 500.000 Barrel pro Tag gedrosselt und somit um insgesamt eine Million Barrel gegenüber dem Niveau von Februar gekürzt. Saudi-Arabien hatte parallel bekanntgegeben, seine seit Anfang Juli bestehende Kürzung um ebenfalls eine Million Barrel im August beizubehalten. Die beiden größten Ölproduzenten der Allianz „Opec+“ wollen so den Ölpreis stabilisieren.

Der österreichische Energiekonzern OMV wolle weiterhin Gas aus Russland beziehen. Sein Unternehmen habe 2018 mit Gazprom einen Liefervertrag unterzeichnet, der bis 2040 laufe. Solange Gazprom liefere, werde OMV den Rohstoff abnehmen, zumal er nicht mit Sanktionen belegt sei. Ein Wegfall dieser Gasbezugsquelle würde die Preise in die Höhe treiben, heißt es. OMV werde sie weiter nutzen, solange sie legal bleibe. Parallel dazu diversifiziere der Konzern seine Bezugsquellen. So werde OMV bis 2027 zwei Milliarden Euro in das Tiefsee-Projekt Neptun Deep im Schwarzen Meer investieren. Das Gasfeld wird von den Österreichern mit dem rumänischen Gasproduzenten Romgaz erschlossen. Das Potenzial für Europa wird auf 100 Milliarden Kubikmeter Erdgas geschätzt. 

Autor*in: Friedrich Oehlerking (Freier Journalist und Experte für Einkauf, Logistik und Transport)