05.03.2024

Umsatzbesteuerung von Gutscheinen: Das sagt der EuGH

Gutscheine – wer mag sie nicht? Als Geschenk sind sie beliebt: Ware oder Dienstleistung selbst auswählen, mitnehmen, keine aufwendige Umtauschaktion. Der Haken: auch sie haben einen geldwerten Vorteil. Das ruft das Finanzamt auf den Plan. In welcher Form, hängt vom Zweck ab.

Umsatzbesteuerung von Gutscheinen

Von welchem Zweck hängt die Befassung des Finanzamtes mit einem Gutschein ab?

Es gibt zwei Arten von Gutscheinen in ihrer umsatzsteuerlichen Behandlung:

  • Einzweckgutscheine: berechtigt zum Bezug einer bestimmten Ware oder Dienstleistung, die bereits bei der Ausstellung des Gutscheins feststeht. Dabei sind bekannt:
    • Ort der Leistungserbringung
    • anzuwendende Umsatzsteuer

Beispiel: Gutschein für eine Massage in einem bestimmten Wellness-Center.

  • Mehrzweckgutscheine: berechtigt zum Empfang einer Leistung, bei der zum Zeitpunkt der Ausstellung nicht feststehen:
    • Art der Erbringung
    • Ort der Erbringung
    • Zeit der Erbringung

Das heißt, es fehlen Angaben zu:

  • leistendem Unternehmer
  • Liefergegenstand
  • sonstiger Leistung
  • anzuwendender Steuersatz

Beispiel: Gutschein über einen bestimmten Geldbetrag, der in verschiedenen Geschäften eingelöst werden kann.

Ist das gesetzlich geregelt?

Das Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11.12.2018 (BGBl 2018 I S. 2338) regelt die Umsatzbesteuerung für danach ausgestellte Gutscheine neu. Erstmals besteht damit eine Legaldefinition des Begriffs des Gutscheins.

Inwiefern unterscheidet sich die umsatzsteuerliche Behandlung beider Arten von Gutscheinen?

  • Einzweckgutschein: die Ausstellung des Gutscheins gilt bereits als eine steuerbare und steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung. Als ausstellender Unternehmer führen Sie schon bei Ausgabe des Gutscheins Umsatzsteuer ab. Die spätere Einlösung des Gutscheins führt zu keinen weiteren umsatzsteuerlichen Konsequenzen.
  • Mehrzweckgutschein: die Ausstellung des Gutscheins gilt nicht als eine steuerbare und steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung. Als ausstellender Unternehmer führen Sie bei Ausgabe des Gutscheins keine Umsatzsteuer ab. Die Umsatzsteuer fällt erst bei Einlösung des Gutscheins an, wenn die tatsächliche Leistung erbracht wird.

Wie behandelt das Finanzamt einen Gutschein für digitale Inhalte bei der Umsatzsteuer?

Das weiß selbst der Bundesfinanzhof (BFH) nicht. Er legte deswegen in einem Beschluss (BFH Beschluss v. 03.11.2022 – XI R 21/21) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vor, ob es sich bei den „X-Cards“ um Einzweck- oder Mehrzweckgutscheine handelt und welche Folgen dies für deren Besteuerung hat. Diese X-Cards können zum Erwerb

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digitaler Inhalte für das X-Network genutzt werden,

Worum ging es in dem Streitfall?

Um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die im Jahr 2019 über ihren Internetshop Guthabenkarten oder Gutscheincodes für den Erwerb digitaler Inhalte für das X-Network (X) vertrieb. Dieses Netz betreibt die britische Firma X-Cards mit Sitz im Vereinigten Königreich, die diese X-Cards herausgibt und über verschiedene Zwischenhändler vertreibt. Die GbR verkaufte X-Cards an Endkunden in Deutschland. Sie ermöglichten dem Erwerber die Aufladung seines X-Nutzerkontos mit einem bestimmten Nennwert in Euro. Nach der Kontoaufladung konnte der Kontoinhaber im X-Store digitale Inhalte wie Spiele, Filme oder Musik erwerben.

Die auf der Internetseite des X veröffentlichten Nutzungsbedingungen für X-Gutscheincodes bestimmten folgende Voraussetzungen für die Einlösung des Gutscheincodes:

  • eine bestimmte Hardware
  • ein Konto für das X-Netz, das in dem Land registriert ist, für das der Gutscheincode gilt
  • eine Internetverbindung

Die GbR behandelte die Umsätze aus dem Verkauf der Gutscheincodes als nicht steuerbar, da es sich ihrer Meinung nach um Mehrzweckgutscheine handelte, deren Übertragung nach EU-Recht nicht der Mehrwertsteuer unterliegt.

Was sagte das Finanzamt dazu?

Die Finanzverwaltung geht für einen Einzweckgutschein davon aus, dass der Ort der Lieferung oder der Dienstleistungen, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins (bzw. dessen Ausgabe oder erstmaliger Übertragung) feststehen. Nach Auffassung des Finanzamtes handelte es sich bei den X-Cards um Einzweckgutscheine, deren Übertragung einer Dienstleistung gleichgestellt ist. Es sah in dem Verkauf der X-Cards eine steuerbare und steuerpflichtige sonstige Leistung an Endkunden und setzte entsprechend Umsatzsteuer fest.

Womit die GbR nicht einverstanden war?

Genau. Sie wandte sich gegen die Entscheidung des Finanzamtes und klagte dagegen. Sie blieb bei ihrer Auffassung, dass es sich bei den X-Cards um Mehrzweckgutscheine handele, die nicht der Umsatzsteuer unterlägen.

Hatte die GbR mehr Erfolg vor dem Finanzgericht?

Nein, das Finanzgericht wies die Klage ab. Es entschied, dass es sich bei den X-Cards um Einzweckgutscheine handele, die der Umsatzsteuer unterlägen. Es führte aus, dass bei den X-Cards der Ort der Erbringung der Dienstleistungen, auf die sie sich bezögen, feststehe, da diese Dienstleistungen im Gebiet eines Mitgliedstaates, nämlich Deutschland an Endverbraucher erbracht würden. Dies sei ausreichend für die Qualifikation als Einzweckgutschein.

Die GbR legte Revision beim BFH ein. Sie blieb auch hier bei ihrer Auffassung, dass es sich bei den X-Cards um Mehrzweckgutscheine handele. Der Ort der Erbringung der Dienstleistungen stehe eben nicht fest, sondern hänge von der Übertragung des Gutscheins zwischen Steuerpflichtigen ab. Insbesondere rügte sie die Verletzung von § 3a Abs. 5 Satz 1 sowie § 3 Abs. 13 bis 15 Umsatzsteuergesetz (UStG), das die Regelungen der EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) umsetzt.

Was besagt die deutsche Gesetzgebung zum Gutschein in § 3 UStG?

Danach ist „ein Gutschein (Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein) ein Instrument, bei dem

  1. die Verpflichtung besteht, es als vollständige oder teilweise Gegenleistung für eine Lieferung oder sonstige Leistung anzunehmen und
  2. der Liefergegenstand oder die sonstige Leistung oder die Identität des leistenden Unternehmers entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen, einschließlich der Bedingungen für die Nutzung dieses Instruments, angegeben sind“.

Sind Instrumente, die lediglich zu einem Preisnachlass berechtigen, Gutscheine?

Nein, jedenfalls nicht in diesem Sinne.

Was steht in der Richtlinie?

Nach Art. 30a Nr. 2 MwStSystRL, § 3 Abs. 14 Satz 1 UStG kommt es darauf an, dass der Ort der Lieferung der Gegenstände oder der Erbringung der Dienstleistungen, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen. Nach Art. 30b MwStSystRL unterliegt die tatsächliche Erbringung der Dienstleistungen, für die der Erbringer der Dienstleistungen einen Mehrzweck-Gutschein als Gegenleistung oder Teil einer solchen annimmt, der Mehrwertsteuer gemäß Art. 2 MwStSystRL, jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht.

Warum hat der BFH die Sache dem EuGH vorgelegt? War er nicht einer Meinung mit dem Finanzgericht?

Nein, er war anderer Meinung. Er setzte das Revisionsverfahren aus und legte die Problematik dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

Für den Hof ist es unionsrechtlich nicht eindeutig, dass es sich bei den Gutscheinen um Einzweckgutscheine handele:

  • Standen zum Zeitpunkt der Ausstellung der X-Cards Ort der sonstigen Leistung und geschuldete Steuer fest?
  • Bezieht sich das für die Annahme eines Einzweckgutscheins bestehende Erfordernis, dass der Ort der Leistung feststehen muss,
    • nur auf die Ausgabe: „Verkauf eines Gutscheins an Kunden“?
    • oder auch auf eine dieser vorausgehende Übertragung: „Verkauf eines Gutscheins zwischen Unternehmern“?

Wie begründet der BFH seine Zweifel?

Er führt aus, dass der Ort der Leistung nicht allein nach dem Sitz des leistenden Unternehmers bestimmt werden könne, sondern nach den allgemeinen Regeln des Umsatzsteuerrechts. Die Gutscheine berechtigten zum Bezug von unterschiedlichen Waren oder Dienstleistungen. Da sei es nicht ausgeschlossen, dass verschiedene Ortsregeln zur Anwendung kommen könnten. Dies hänge von den konkreten Umständen der Einlösung ab, die bei Ausgabe des Gutscheins noch nicht bekannt seien. Daher sei nicht sicher, ob alle Informationen für die Bestimmung des Orts und der Höhe der Umsatzsteuer bereits bei Ausgabe des Gutscheins vorlägen.

Welche Fragen legte der BFH dem EuGH vor?

Zur Auslegung von Art. 30a Nr. 2 und Art. 30b Unterabs. 2 MwStSystRL will er von ihm wissen:

  • Liegt ein Einzweck-Gutschein im Sinne von Art. 30a Nr. 2 MwStSystRL vor, wenn
    • der Ort der Erbringung von Dienstleistungen, auf die sich der Gutschein bezieht, zwar insoweit feststeht, als diese Dienstleistungen im Gebiet eines Mitgliedstaats an Endverbraucher erbracht werden sollen,
    • aber die Fiktion des Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 MwStSystRL, nach der auch die Übertragung des Gutscheins zwischen Steuerpflichtigen zur Erbringung der Dienstleistung, auf die sich der Gutschein bezieht, als eine Lieferung der Gegenstände oder Erbringung der Dienstleistungen gilt zu einer Dienstleistung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats führt?
  • Falls der EuGH die erste Frage verneint und damit im Streitfall ein Mehrzweck-Gutschein vorliegt: Steht Art. 30b Abs. 2 Unterabs. 1 MwStSystRL einer anderweitig begründeten Steuerpflicht (EuGH-Urteil Lebara vom 03.05.2012 – C-520/10) entgegen?

Welche Folgen könnten sich jeweils aus einer Antwort des EuGH ergeben?

Verneint er das Vorliegen eines Einzweckgutscheins, liegt ein Mehrzweckgutschein vor. In diesem Fall unterläge die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die der leistende Unternehmer einen Mehrzweckgutschein als Gegenleistung annimmt, der Umsatzsteuer. Jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweckgutscheins unterläge nicht der Umsatzsteuer.

Was bedeutet das für Ihre Praxis als Unternehmer?

Der Ausgang des Verfahrens ist offen. Derzeit steht also nicht eindeutig fest, ob es sich bei solchen Gutscheinen für digitale Leistung um Einzweck- oder Mehrzweckgutscheine handelt und welche umsatzsteuerlichen Folgen sich daraus ergeben. Darüber sollten Sie als Unternehmer, der Sie derartige Gutscheine ausgeben oder einlösen, sich im Klaren sein.

Autor*in: Franz Höllriegel