13.01.2020

Urteil VG Braunschweig: Angeordnetes Motorradverbot rechtswidrig

Vor einem Motorradverbot muss die Verkehrsbehörde prüfen, ob nicht anderweitige, weniger einschneidende Maßnahmen zur Minimierung der Unfallzahlen möglich sind (VG Braunschweig, Urteil vom 04.12.2019, Az. 6 A 532/18).

Motorradverbot

Motorradverbot wegen Unfällen

Auf dem Streckenabschnitt der betreffenden Straße kam es in den Jahren 2015 bis 2018 zu 13 Motorradunfällen. Die Unfälle ereigneten sich sämtlich im Bereich einer Kurve. In der weit überwiegenden Zahl der dokumentierten Fälle verletzten sich die Fahrer. Die beklagte Verkehrsbehörde ordnete im April 2017 vor der Kurve eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h an und stellte Warnschilder auf. Im Juni 2018 ordnete die Verkehrsbehörde ein Verbot für Krafträder – dazu gehören auch Kleinkrafträder und Mofas – für die Monate April bis Oktober eines jeden Jahres an (Verkehrszeichen 255). Hiergegen erhoben die Kläger Klage beim Verwaltungsgericht.

VG gibt Klage gegen Motorradverbot statt

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts sind derzeit die gesetzlichen Voraussetzungen eines Verbots für Krafträder nicht erfüllt.

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt

Die Straßenverkehrsbehörde muss bei der Aufstellung von Verkehrszeichen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Dies gilt insbesondere auch für das Motorradverbot, weil damit alle Motorradfahrer von der Benutzung der Straße mit ihren Fahrzeugen ausgeschlossen werden, auch diejenigen, die sich verkehrsgerecht verhalten. Ein Verbot darf die Behörde erst aussprechen, wenn sie alle anderen, weniger einschneidenden Maßnahmen ausgeschöpft hat, um die Verkehrsunfallzahlen deutlich zu verringern. Dies ist noch nicht der Fall.

Auch andere Möglichkeiten zur Unfallreduzierung möglich

Es genügt nicht, eine Geschwindigkeitsbegrenzung anzuordnen. Diese muss auch konsequent durch Geschwindigkeitsmessungen durchgesetzt werden. Das ist hier nicht ausreichend geschehen. Insgesamt zeigten Verkehrsuntersuchungen, dass ein auf die örtlichen Verhältnisse zugeschnittenes Maßnahmenpaket die Zahl von Motorradunfällen deutlich verringern kann. Dazu sind neben Geschwindigkeitskontrollen auch bauliche Maßnahmen in Betracht zu ziehen, wie die Anbringung von Leitschwellen oder Maßnahmen zur Verdeutlichung des Kurvenverlaufs sowie die Aufklärung der Motorradfahrer, z.B. im Zusammenhang mit Fahrzeugkontrollen. An vergleichbaren Strecken in anderen Gebieten der Bundesrepublik hat man mit solchen Maßnahmenpaketen Motorradunfälle verhindern können. Zu prüfen ist vor der Anordnung eines Vollverbots auch, ob das Verbot nicht auf bestimmte besonders unfallträchtige Wochentage beschränkt werden kann oder ob eine weitere Verringerung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit Erfolg verspricht. Die Verkehrsbehörden müssen die Unfallursachen so weit wie möglich aufklären und fachliche Erkenntnisse auswerten, um beurteilen zu können, welche der vielen grundsätzlich denkbaren Alternativmaßnahmen nach den besonderen örtlichen Gegebenheiten erfolgversprechend eingesetzt werden können. Diese Aufklärung hat die Behörde nicht hinreichend betrieben.

Verbot immer noch möglich

Ein Motorradverbot auf der Straße ist damit nicht für alle Zeiten ausgeschlossen. Es kann rechtmäßig werden, wenn sich herausstellen sollte, dass alle anderen jetzt zunächst erforderlichen Maßnahmen wirkungslos sind. Dass die Straßenverkehrsbehörde Maßnahmen zur Minimierung der Unfallzahlen ergriffen hat, ist richtig. Das angeordnete Verbot für Krafträder geht nach derzeitigem Stand aber zu weit und ist daher nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar.

Quelle: Pressemitteilung des VG Braunschweig

Autor*in: Georg Huttner (Oberamtsrat a.D. Georg Huttner ist Autor für die Titel Ordnungsamts- und Gewerbeamtspraxis.)