13.06.2018

Engstelle nach StVO: Klage gegen Aufstellen von Halteverbotsschildern?

Kann eine Klage gegen ein Halteverbot Erfolg haben, wenn bereits die Straßenverkehrsordnung ein derartiges Halteverbot beinhaltet (VG Hannover, Urteil vom 01.11.2017, Az. 7 A 444/17)?

Halteverbotsschilder Engstelle nach StVO

Die Beklagte hatte als Straßenverkehrsbehörde angeordnet, Halteverbote in einer Straße beidseitig auf einer bestimmten Länge zu installieren. Zur Begründung wurde ausgeführt, es bestehe dort bereits ein gesetzliches Haltverbot, weil keine Restfahrbahnbreite von 3,00 m verbleibe (Straßenbreite von 4,70 m, enge Straßenbreite), sobald dort ein Fahrzeug parke. Der Abfallwirtschaftsbetrieb habe dort Probleme bei der Entsorgung. Alternativen, auch in zeitlicher Hinsicht, seien nicht möglich im Hinblick auf die Regelungen der StVO.

Beschwerden des Klägers und Widersprüche gegen Verwaltungsbescheide der Behörde blieben ohne Erfolg, auch beim Verwaltungsgericht nach Inaugenscheinnahme.

Entscheidungsgründe

  • Die zulässige Klage ist statthaft, aber unbegründet.
  • Bei verkehrsrechtlichen Anordnungen, die durch Verkehrszeichen oder Verkehrseinrichtungen zum Ausdruck gebracht werden, handelt es sich um Verwaltungsakte in Form von Allgemeinverfügungen i.S.v. § 35 Abs. 1 Satz 2 VwVfG. Wie bei anderen öffentlichen Bekanntmachungen entfalten Verkehrszeichen – wie hier die Zeichen 283 StVO – und Verkehrseinrichtungen dann bereits ihre Rechtswirkungen, wenn sie so aufgestellt wurden, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt erfassen kann; rechtlich unerheblich ist, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt.
  • Maßgeblich ist aufgrund des Charakters der Verkehrsregelung als Dauerverwaltungsakt die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung.
  • Für den Fristlauf entscheidend ist unter Rechtsschutzgesichtspunkten die erstmalige Konfrontation des Verkehrsteilnehmers mit dem Verkehrszeichen, weil es diesem damit bekannt gemacht ist.
  • Rechtsgrundlage für die angegriffene Anordnung, die streitgegenständlichen Verkehrszeichen aufzustellen, ist § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 1 StVO. Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Dabei sind gemäß § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
  • Die Verkehrszeichen 283 sprechen ein Verbot des ruhenden Verkehrs i.S.v. § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO aus. Die Anordnung erfolgte auch in tatsächlicher Hinsicht aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs. Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung umfasst unter anderem die Einhaltung der Normen der Straßenverkehrsordnung, die ihrerseits die Zielsetzung hat, die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu schützen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Es handelt sich hier um eine enge Straßenstelle. Eng ist eine Straßenstelle nach der Rechtsprechung in der Regel dann, wenn der zur Durchfahrt für ein Fahrzeug allgemein höchstzulässiger Breite von 2,55 m (§ 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StVZO) zuzüglich 0,50 m Seitenabstand insgesamt freibleibende Raum bei vorsichtiger Fahrweise nicht ausreichen würde; dabei ist die Gegenfahrbahn mitzurechnen. Bei einer „engen Straßenstelle“ kann es sich auch um eine Straße in ihrem ganzen Verlauf handeln.
  • Danach ermöglicht die in der Beweisaufnahme festgestellte Breite der streitgegenständlichen Straße, die unter Hinzurechnung der Gosse etwa 4,75 m und auf Höhe der Straßenlaternen ca. 4,48 m beträgt, nicht die Durchfahrt auch nur eines Pkw – der nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StVZO bis zu 2,50 m breit sein darf -, wenn in der Straße bereits ein Kraftfahrzeug hält. Die Feststellungen vor Ort haben anderes nicht ergeben.
  • Die Anordnung war auch aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich.
  • Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Anordnung des Halteverbots mit Verkehrszeichen 283 für die Straße die zur Gefahrenabwehr unbedingt erforderliche und allein in Betracht kommende Maßnahme um die Möglichkeit der Leichtigkeit des Verkehrs, auch mit Fahrzeugen mit höchstzulässiger Breite zu ermöglichen (z.B. Müllfahrzeuge oder Feuerwehrfahrzeuge).
  • Fehler bei der Ausübung des Ermessens seitens der Beklagten sind nicht ersichtlich.
  • Aus dem Gesagten folgt auch, dass – entgegen der Auffassung des Klägers – das Halten mit Fahrzeugen in der streitgegenständlichen Straße bereits in der Zeit vor Ergehen der angegriffenen Anordnung von Gesetzes wegen unzulässig war.
  • Im Übrigen erwächst Anwohnern aus dem Straßenanliegergebrauch kein Anspruch darauf, dass Parkmöglichkeiten unmittelbar bei ihren Grundstücken oder in angemessener Nähe eingerichtet werden; dies ist in der Rechtsprechung des BVerwG geklärt.

Das Urteil ist abrufbar unter https://voris.wolterskluwer-online.de/browse/document/a68497c9-7da3-4b35-b939-fb7a86306d96

Autor*in: Georg Huttner (Oberamtsrat a.D. Georg Huttner ist Autor für die Titel Ordnungsamts- und Gewerbeamtspraxis.)